Angesichts der paar verirrten Flocken, die in den vergangenen Wintermonaten Münchner Boden erreicht haben, fällt es schwer, sich an den Wintereinbruch von vor gut einem Jahr zu erinnern: Anfang Dezember 2023 versank die Stadt binnen zwei Tagen in 50 Zentimeter Neuschnee, der öffentliche Verkehr brach völlig zusammen. Und auch ein Winterdienstanbieter kam mit seinen Räumfahrzeugen nicht mehr aus der Garage. Ein Kunde kündigte ihm deshalb den Vertrag. Zu Unrecht, wie jetzt das Amtsgericht entschied.
Die Ausgangssituation ist schnell erklärt: Ein Privatmann hatte für zwei Anwesen im Osten von München einen Räumdienst engagiert. Im November 2022 unterzeichneten sie den Pauschalvertrag, in dem vereinbart war, dass besagte Flächen immer für die Zeit von Dezember bis März des Folgejahres von Schnee befreit werden sollen. Als Preis wurden 120 Euro, beziehungsweise 220 Euro, netto pro Monat vereinbart. Der Vertrag sollte sich zudem automatisch um jedes weitere Jahr verlängern. Als Kündigungsfrist wurden vier Monate jeweils zum Ende eines Kalendermonats vereinbart.

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So weit, so gut. Doch dann kam der Dezember 2023: Die Landeshauptstadt wurde von einem heftigen Schneeeinbruch heimgesucht, dem sogar ein Wikipedia-Eintrag gewidmet ist. Der Münchner Flughafen war für mehr als 24 Stunden von der Außenwelt abgeschnitten, gestrandete Passagiere übernachteten im Terminal, und auch bei der Bahn ging nichts mehr. Die Polizei empfahl den Bürgern, wenn möglich, besser daheimzubleiben und nicht mit dem Auto zu fahren.
Das tat – notgedrungen – auch der Mann vom Schneeräumdienst. Am 1. sowie am 2. Dezember hatte der Winter München im eisigen Griff, und schon am 3. Dezember kündigte der Kunde den Vertrag für die Schneeräumung fristlos. Die Firma sei ihren Räumpflichten nicht wie vereinbart nachgekommen, so die Begründung. Parallel dazu stellte der verärgerte Kunde die Zahlungen ein.
Das wiederum fand der Anbieter nicht lustig und zog vor das Amtsgericht. Der Kläger verlangte eine Zahlung in Höhe von 1660,89 Euro. Und zwar für den Winterdienst in den Monaten Dezember 2023 bis März 2024 für beide Anwesen, zuzüglich der Kosten für den verauslagten Splitt und das Streusalz.
Völlig zu Recht, wie ein Zivilrichter befand. Er tat sich allein schon mit der Kündigung schwer. Nur weil der Räumdienst am 1. und 2. Dezember nicht stattfinden konnte, liege kein wichtiger Grund vor. Das heißt, dem Beklagten sei ohne Weiteres zuzumuten gewesen, den Vertrag aufrechtzuerhalten.

Dass München an jenen Tag im Schnee versank, sei gerichtsbekannt und zwischen den Parteien auch unstreitig. Der Kläger hatte vorgetragen, dass die Stadt die Notstandsstufe 4 ausgerufen hatte und alle Räumdienste, auch die städtischen, seien nicht mehr durchgekommen. Ganze Straßenzüge seien überhaupt nicht mehr geräumt gewesen.
„Soweit der Kläger seinen Räumpflichten an diesem Tag nicht ‚normal‘ nachkam, liegt darin schon keine vorwerfbare Pflichtverletzung“: So zitiert die Pressestelle des Amtsgerichts München das Urteil. Eine „normale“ Leistung an diesen Tagen sei dem Kläger schlichtweg nicht möglich gewesen. Dieser Umstand würde den Beklagten nicht zur Kündigung berechtigen.
Nach der Kündigung hatte der Privatmann für den Rest des Winters selbst den Schnee weg geschippt. Den Räumdienst muss er aber trotzdem zahlen, so das Urteil. Denn der Kläger wäre bereit gewesen, seiner Verpflichtung nachzukommen, sei aber durch das Verhalten des Beklagten daran gehindert worden. Das Urteil ist laut Pressestelle bislang nicht rechtskräftig.