Neue Heimat:Wie die Münchner beim Heizen geizen

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In Nigeria gibt es keine Heizung - dort investiert man lieber in eine Klimaanlage. (Foto: Ole Spata/dpa)

Heizungen sind in der Heimat unseres Kolumnisten aus Nigeria überflüssig. In München hat er indes kuriose Verhaltensweisen bei der Nutzung der Wärme festgestellt.

Glosse von Olaleye Akintola

In jedem Raum findet man es: Dieses monochrome weiße, wellig zusammengeschweißte Metallteil, das jemand unter dem Fenstersims eingelassen hat. Ein allgegenwärtiger Freund in jeder Wohnung: die Heizung. Sie gehört zu einem Zuhause in München dazu wie ein Bett und ein Schreibtisch. Allerdings unterscheiden sich die Münchner darin, wie sie mit ihrer Heizung umgehen.

In Nigeria würde sich hier die Typisierung von Menschen anbieten, wie sie versuchen, ihre Wohnungen herunterzukühlen. Heizungen besitzt in meiner früheren Heimat so gut wie niemand. Wer Geld hat, legt sich, wenn, dann eine Klimaanlage zu. Hier in München bietet sich hingegen eher an, die Nutzertypen von Heizungen zu analysieren.

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Typ eins: der Geizkragen. Dieser Münchner fällt dadurch auf, dass er die Heizung im Prinzip immer und überall zugedreht hat, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Er versucht mit Sätzen zu überzeugen wie: "Im Winter muss man sich halt warm anziehen." Typisch für ihn ist, dass er zwischen November und Februar praktisch keine Gäste bei sich beherbergen muss. Außer solche von Typ eins.

Typ zwei: der Sparer. Ein Münchner, der mit Pragmatismus glänzt. In der Küche etwa dreht er die Heizung so gut wie nie auf, weil der Herd beim Kochen schon für angenehme Wärme sorgt, und weil es "sonst ja sogar zu heiß wäre", wie er es begründet - was teilweise stimmt. Der Sparer neigt dazu, den Drehgriff zwischen Stufe zwei und drei mit einem roten Filzstift zu markieren ("sonst wird es hier zu warm"). In Bad und Toilette dreht er die Heizung nur für den Fall auf, dass dort ein längerer Aufenthalt ansteht. Ansonsten gilt: Die Heizung läuft nur in Zimmern, in denen sich gerade jemand aufhält.

Typ drei: der Verschwender. Man findet ihn in jedem Hotel, in jeder WG und in jedem Apartment. Überall dort, wo kein Zähler darüber bestimmt, wie viel der Bewohner zu bezahlen hat. Deren Behausungen zeichnen sich dadurch aus, dass die Heizung in jedem Raum auf Hochtouren läuft, egal ob man daheim ist oder womöglich sogar übers Wochenende verreist. Ganz arge Vertreter dieses Heizungstypen lassen bei Bedarf gar Fenster auf, während die Heizung läuft, "wegen der frischen Luft".

Typ vier: der Alternative. In München passt dieser Begriff gut zu diesem Typ Heizer, weil er nicht mit Gas oder Öl, sondern noch mit Holz heizt. So gesehen würde auch der Begriff "Der Frühere" gut passen. Doch obwohl man in München vielen jungen Männern mit Holzfällerhemden und Bärten begegnet, ziehen die wenigsten im Herbst los und schlagen sich Holzvorräte für den Winter. Hemd und Bart darf auch tragen, wer sich sein Holz per Online-Bestellung liefern lässt.

Auch beim Heizen gibt es eben unterschiedliche Zahlungs- und Abrechnungsvarianten. So wie beim Wasser und bei der Elektrizität. Es ist ein schwer durchschaubares System, das jeder für sich selbst nutzt und interpretiert. Ähnlich wie in Nigeria übrigens, auch wenn es dort um Klimaanlagen oder den Betrieb von Ventilatoren geht. Die größte Gemeinsamkeit beider Länder: Egal, ob man sein Haus in Lagos oder München stehen hat: Zu kalt wird es einem hier wie dort eher nicht.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

© SZ vom 30.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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