Münchner Momente:Wie die Bommelmütze gegen den Winter-Blues hilft

Wenn es immer kälter wird, man aber nicht in die Sonne des Südens fliehen kann, helfen nur noch Erinnerungen - und ein Fundstück.

Von Joachim Mölter

Draußen vor dem Fenster wird es grau und grauer, es sieht nass und nässer aus, kalt und kälter, sodass man sich wünscht, ein Murmeltier zu sein, wenn man schon nicht unter der Sonne des Südens überwintern darf. Als Murmeltier könnte man sich in eine Höhle einmümmeln und würde vielleicht erst im März wieder aufwachen, wenn die gegenwärtige Plage sich verzischt hat, so wie es die künftige Bundesregierung anzuordnen gedenkt.

Aber weil das nicht geht, also das mit dem Murmeltier-Sein, wärmt man sich halt an Erinnerungen. An die gute Stube bei Oma auf dem Hof, an den Holzofen, um den alle saßen und meditativ Däumchen drehten - Oma, Tante, Onkel, Cousin und Cousine. An Kaba, den Plantagentrank, mit frisch gezapfter und noch warmer Kuhmilch. An Bettdecken voller original handgerupfter Gänsefedern, die einen fast erdrückt hätten. An den Steilhang hinterm Garten, auf dem man mit dem Schlitten bis fast direkt in den Hühnerstall brettern hätte können, wenn einen nicht vorher der Schwung verlassen hätte, den man auf der 20-Meter-Piste mit ihrem Gefälle von anderthalb Prozent genommen hatte.

Damals waren die Winter natürlich kälter und länger, ein Wunder, dass man nicht erfroren ist. Man hatte ja kein Thermoblouson mit "Prima Loft Silver Insulation", keine DWR-imprägnierte Daunenjacke aus recyceltem Polyester, kein Beanie-Mützchen aus je zur Hälfte Merinowolle und Polyacryl. Was man hatte, war ein dicker Wollmantel, ein kratzender Strickpulli und eine fein gehäkelte Bommelmütze, in Rot-weiß-blau. Die hat der Opa voriges Jahr unverhofft an Weihnachten mitgebracht und unter den Baum gelegt - er hatte das Geschenk bei vermutlich archäologischen Arbeiten in seinem Keller zutage gefördert. Bei den Enkeln war die Bommelmütze "le dernier cri", wie man in der Mode sagt, der letzte Schrei: "Uiiii, iiiiiih, mit der bist du rumgelaufen? Echt jetzt? Is' nicht wahr, oder?" Bruhahaha und hihihi und höhöhö. Seitdem ist die Bommelmütze im häuslichen Giftschrank verstaut. Als letztes Mittel zur Erheiterung. Sollte der Winter-Blues zu arg werden, setze ich sie wieder auf.

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