Der Zucker ist ganz wichtig. Gesüßten Tee trinken die Gäste hier am liebsten. Das heiße Getränk wärmt ein wenig, wenn man draußen herumsteht, nicht recht weiß, wohin mit sich, und auf sein neues Leben wartet. Und natürlich die Weltkarte, die ist auch von Bedeutung. Sie ist ein verbindendes Element.
Wenn man sie zwischen zwei Menschen ausbreitet und mit dem Finger darüber fährt, dann kann so eine Karte helfen, die eigene Geschichte zu erzählen und den Fluchtweg in Erinnerungen nachzuzeichnen. Und man kommt ins Gespräch hier am "Lighthouse Welcome Center", auch wenn man eigentlich keine gemeinsame Sprache spricht.
Flüchtlinge in München:Wie die Bayernkaserne zum Vorbild werden könnte
Lange galt sie als Symbol für Versagen in der Asylpolitik. Doch in der Bayernkaserne hat sich viel verbessert.
Willkommenskultur, mit diesem Schlagwort verbunden gingen Anfang September Bilder um die Welt von jubelnden Münchnern und ankommenden Flüchtlingen am Hauptbahnhof. Seitdem wird viel und kontrovers über Willkommenskultur diskutiert. Vor dem Tor der Bayernkaserne, im Stadtteil Freimann, wird diese Willkommenskultur gelebt. Und das bereits seit einem Jahr, und zwar täglich zwölf Stunden, von 8 bis 20 Uhr. Im Dezember 2014 eröffneten der Verein Lichterkette, die Innere Mission und die Stiftung Ingvild Goetz Philantrophy zusammen das Willkommenszentrum für Flüchtlinge.
Was es mit dem Willkommenszentrum auf sich hat
Es ist recht dunkel in der Zufahrt zur Bayernkaserne. Im Kegel einer hellen Lampe überprüfen Sicherheitsleute am Tor die Papiere von Flüchtlingen, die das Gelände betreten wollen. Durchgelassen wird nur, wer in der Bayernkaserne gemeldet ist oder einen Schein für die Kleiderausgabe vorweisen kann. Auf dem Platz davor, der öffentlich zugänglich ist, steht ein Weihnachtsbaum mit funkelnden Lichtern, einige Meter weiter dringt warmes Licht aus einer Holzhütte, die zu einer Seite hin geöffnet ist: das Willkommenszentrum.
Die Hütte ist eine Anlaufstelle für Flüchtlinge, ein Ort, an dem sie sich informieren können. "Zu uns können sie mit jeder Frage kommen", sagt Myriam Brock vom Vorstand der Lichterkette. Vor allem soll das Projekt aber das erfüllen, was sein Name verspricht: die Menschen willkommen heißen. Mit einem freundlichen Lächeln, einem heißen Tee und mit Gesprächen.
Hier geht es nicht um anonyme Flüchtlingsströme, sondern darum, dass Menschen sich begegnen. Münchner und Flüchtlinge. Dass es eine Hütte ist, erleichtert den Zugang. "Es gibt keine Distanz, man muss keine Schwelle überwinden", sagt Brock. "Und wir haben gemerkt, wenn wir einen Tee überreichen, ist es ganz einfach, ins Gespräch zu kommen."
Der Willkommens-Leuchtturm strahlt offenbar auch schon über Münchens Stadtgrenzen hinweg. "Wir haben einige Anfragen aus anderen Erstaufnahmeeinrichtungen erhalten, die auch so ein Zentrum aufbauen möchten", sagt Brock. Das Lighthouse ist eines von vielen Projekten, die dazu beigetragen haben, dass die Bayernkaserne, die noch vor einem Jahr einen schlechten Ruf hatte, inzwischen eine Art Vorzeigeprojekt unter den Erstaufnahmeeinrichtungen geworden ist.
Wie das Projekt organisiert ist
Etwa 120 Freiwillige engagieren sich in jeweils zwei-Stunden-Schichten im Lighthouse, und alle haben zunächst eine Schulung besucht. Ohne die vielen Helfer und ohne Spenden wäre das Projekt nicht möglich, sagt Jana Weidhaase, die die Freiwilligen koordiniert. Als Dank für das Engagement haben Lichterkette und Innere Mission am Donnerstagabend anlässlich des einjährigen Bestehens zu einem Fest geladen. Willkommen sind, natürlich, alle.
An der Glühwein-Ausgabe stehen einige Afghanen und Eritreer und wippen im Takt der Musik. Die Express Brass Band spielt und im Halbkreis um die Musiker applaudieren Flüchtlinge und Helfer. Es folgen Dankesworte, bis die feierlichen Reden plötzlich unterbrochen werden von lautem Gesang. Eine Gruppe von Kindern marschiert hinter einer Saxofonspielerin durch das Tor und ruft laut: "Nikolaus, wo bist du? Ich bin hier."
Es sind für viele von ihnen bisher wohl die einzigen oder einige der wenigen deutschen Worte, die sie kennen. Kaum ist der Niklaus erschienen, wird er von den Kindern umringt. Jeder möchte eine rote Socke und einmal sein Gesicht an den weißen Rauschebart drücken, während die Eltern aufgeregt mit ihren Handykameras knipsen. Glückliche Kinder und stolze Eltern, da spielen Religion und Sprache keine Rolle mehr.
Eine Freiwillige erzählt von einer unerwarteten Spende, die das Lighthouse vor kurzem erhielt. Immer wieder müssten sie die Flüchtlinge ermahnen, nicht zu viel Zucker für den Tee zu nehmen, damit er für alle reiche. Ein Flüchtling sei daraufhin zu ihnen gekommen und habe ihnen eine Tüte mit vier Kilogramm Zucker überreicht, die er für das Lighthouse gekauft hatte.