Platzmangel in Schwabinger Schule:Die "Kellerkinder" aus dem Willi-Graf-Gymnasium

Platzmangel in Schwabinger Schule: Spanisch im Keller: Die Platznot am Willi-Graf-Gymnasium erzwingt Situationen, die dem Lernen nicht besonders förderlich sind.

Spanisch im Keller: Die Platznot am Willi-Graf-Gymnasium erzwingt Situationen, die dem Lernen nicht besonders förderlich sind.

(Foto: Robert Haas)

Die Schwabinger Schule platzt aus allen Nähten, die gesamte Oberstufe muss deshalb den Großteil des Tages bei wenig Tageslicht und geringen Temperaturen verbringen. Elternbeirat und Schulleitung schlagen jetzt Alarm.

Von Ellen Draxel

Paulina schlottert jetzt noch, wenn sie nur an die Wintermonate in ihrem Klassenzimmer denkt. Da saß die Zehntklässlerin den Großteil des Tages in einem Kellerraum des Schwabinger Willi-Graf-Gymnasiums, bei zehn bis zwölf Grad und coronabedingt geöffneten Fenstern. Und mit ihr die gesamte Oberstufe. "Sehr kalt" sei das gewesen, sagt Paulina. "Weil die Heizung oft nicht funktionierte." Mittlerweile ist es in den Zimmern dank der fortgeschrittenen Jahreszeit zwar nicht mehr so eisig. Aber angenehm ist der Unterricht dort unten nach wie vor nicht. Es fehlt an Tageslicht, was sich auf die Stimmung und die Motivation auswirkt, wie Spanisch- und Englischlehrer Max Schleier weiß. Und die Luft sei "sehr stickig", meint Paulinas Mitschüler Fabio.

"Kellerkinder" werden die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe intern bereits genannt. Weil sie teils schon im zweiten Schuljahr in einer, wie Schulleitung und Elternbeirat kritisieren, "der Gesundheit nicht förderlichen Umgebung" unterrichtet werden. Kinder wie Eltern, sagt Direktor Dominik Blanz, hätten lange "ein bewundernswert hohes Maß an Leidensfähigkeit und Durchhaltevermögen an den Tag gelegt". Um wieder Präsenzunterricht zu ermöglichen, hätten sie "diese großen Kröten geschluckt". Doch damit ist nun Schluss. Der Elternbeirat hat sich an die Öffentlichkeit gewandt. Die Situation, wie sie sich momentan darstelle, moniert der Vorsitzende Daniel Schmidt, sei "kaum mehr tragbar". Das Gymnasium brauche "schlicht und einfach ausreichend Platz", um die Schüler und Schülerinnen bis zum geplanten Campus-Umbau in einigen Jahren "noch in zumindest tragbaren Zuständen beschulen zu können". Denn Tatsache ist: Die am Luitpoldpark gelegene, städtische Schule platzt aus allen Nähten.

"Im Moment", sagt Blanz, "fehlt uns der Raum für vier bis fünf Klassen". Perspektivisch brauche es gar acht bis zehn zusätzliche Zimmer. Der Grund dafür ist der Run auf das Gymnasium. Die Schule in unmittelbarer Nähe des Scheidplatzes, die einige Jahre zuvor noch wegen des Auftauchens von Hakenkreuzen und Prügeleien infolge rassistischen Gedankenguts mit ihrem Image zu kämpfen hatte, ist mittlerweile sehr beliebt. Heute prangt der Schriftzug "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" in großen Lettern über dem Haupteingang. Drinnen setzt sich dieses Credo für eine bunte und offene Schule optisch fort - mit Handabdrücken, die im Treppenhaus in vielerlei Farben von den Wänden leuchten. Gelebt wird diese Offenheit auch im Schulalltag. Jede Schülerin und jeden Schüler, jede Lehrkraft und jeden Besucher begrüßt Dominik Blanz mit einem freundlichen "Hallo". Ein wertschätzendes Miteinander ist dem Schulleiter des "Willi" wichtig: Als er 2019 zustimmte, den Posten des Direktors zu übernehmen, tat er das auch mit dem Ziel, diese Willkommenskultur zu fördern.

Die Schule hat acht fünfte Klassen gebildet - so viele wie keine andere

Inzwischen gibt es am Willi-Graf-Gymnasium eine alljährliche Themenwoche zu Fragen der Toleranz und Vielfalt. Es gibt Aktionen der Gruppe "Schule ohne Rassismus", Fünftklässler etwa bekommen als Willkommensgeschenk eine Schokoladentafel mit einem Ausschnitt der Menschenrechte auf der Rückseite überreicht. Zudem wird seit 2019 jedes Jahr der Willi-Graf-Preis an Personen oder Gruppen aus der Schulfamilie verliehen, die sich besonders für Menschenwürde und Zivilcourage sowie gegen Diskriminierung eingesetzt haben. Ganz im Sinne des Namensgebers der Schule, einem für seinen Widerstand gegen das NS-Regime hingerichteten Kämpfers der "Weißen Rose".

Gerne würden Schulleitung und Elternbeirat diese Atmosphäre jedem ermöglichen, der es möchte. Allein - mit der momentanen Raumsituation kann das "Willi" dem derzeitigen Ansturm nicht gerecht werden. Vergangenen Sommer hat die Schwabinger Schule bereits 242 Schüler aufgenommen und damit acht fünfte Klassen gebildet, laut Blanz so viele wie kein anderes Gymnasium in München. Beim jüngsten Infoabend für die Fünftklässler waren dann erneut Rekordzahlen zu vermelden: 400 Interessenten kamen. "Ich kann aber definitiv nicht mehr als 180 Kinder aufnehmen", bedauert Blanz. Ständig sei er dabei, Anfragen abzulehnen - mit "Dramen", die sich anschließend abspielten.

Immerhin: Sechs neue Klassen wird es im September geben. "Zwei mehr, als die Vernunft uns sagen würde." Eng geht es außerdem auf den Sport- und Freiflächen zu. Denn auf dem Campus befindet sich neben dem "Willi" und dem Sophie-Scholl-Gymnasium, einer Mädchenschule, seit dem Schuljahr 2016/17 auch noch eine Dependance der Ricarda-Huch-Realschule - zusammen rund 2000 Schülerinnen und Schüler. Der Stammsitz der Realschule ist an der Wilhelmstraße nahe der Münchner Freiheit, doch dort sind nur noch zehn Klassen untergebracht - ebenfalls wegen Raumnot. Alle anderen, Fünft- und Sechstklässler sowie der kaufmännische Zweig, nutzen eine Pavillonanlage im Innenhof des Campusgelände an der Borschtallee. Insbesondere in den Pausen, erzählt Blanz, komme es immer wieder zu "Reibereien" zwischen den Kindern. Auch, weil die jungen Leute in der Coronazeit verlernt hätten, sozial zu interagieren. "Dabei", betont der Direktor, "befürworten wir ausdrücklich das Miteinander der Schulen". Die Schulleitungen hätten ein sehr gutes Verhältnis.

Platzmangel in Schwabinger Schule: Das Willi-Graf-Gymnasium (rechts) teilt sich mit der Ricarda-Huch-Realschule (links) den Campus. Inzwischen ist alles zu eng geworden, wissen Schulleiter Dominik Blanz (l.) und Elternbeirat Daniel Schmidt.

Das Willi-Graf-Gymnasium (rechts) teilt sich mit der Ricarda-Huch-Realschule (links) den Campus. Inzwischen ist alles zu eng geworden, wissen Schulleiter Dominik Blanz (l.) und Elternbeirat Daniel Schmidt.

(Foto: Robert Haas)

Das bestätigt auch die Rektorin der Realschule, Karina Medvei. "Aber", sagt Blanz, "die Lernsituation muss eben stimmen". Für Blanz und den Elternbeiratsvorsitzenden Schmidt könnte eine Lösung nun darin liegen, in den Containern, in denen jetzt die Realschule beheimatet ist, künftig die Oberstufe des Willi-Graf-Gymnasiums einzuquartieren. Wohin dann aber mit den acht Klassen der Ricarda-Huch-Realschule? Keine Ahnung, sagt Rektorin Medvei. Es gebe in der dicht bebauten Innenstadt keine wirkliche Alternative zum Status quo. Zurück ins Hauptgebäude kann die Realschule nicht, der Platz ist von der dortigen Grundschule belegt. Und die hat als Sprengelschule Vorrang.

Es braucht also einen zweiten Standort - der außerdem erreichbar sein muss, da sowohl die Kinder als auch die Lehrkräfte für Fächer wie Sport und Fachunterricht pendeln. "Es gibt in München 23 Realschulen, und die sind alle rappelvoll", weiß Medvei. Langfristig soll die Realschule komplett auf das Campus-Gelände zwischen Borschtallee, Karl-Theodor-Straße und Belgradstraße umziehen. Es sei "vorgesehen, die Planungen für den gesamten Standort zu überarbeiten und Neubauten zu errichten", erklärt der Sprecher des städtischen Referats für Bildung und Sport, Andreas Haas. Im Zuge dessen beabsichtige man auch, das Willi-Graf-Gymnasium zu erweitern. Das Projekt wolle man "zeitnah" angehen.

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