Süddeutsche Zeitung

Wilhelmsgymnasium in München:Geschichte einer Zumutung

Feucht, marode und eng: Das Wilhelmsgymnasium braucht eine Generalsanierung. Nun müssen alle Schüler für drei Jahre umziehen, doch wohin? Ein Vorschlag kommt bei der Schule besonders gut an - und weckt den Ärger von mehr als 2000 Menschen.

Von Thomas Anlauf und Melanie Staudinger

Wenn jemand Michael Hotz vorher darauf hingewiesen hätte, wie viel Ärger ihm die geplante Generalsanierung seiner Schule einbringen wird, der Direktor des Wilhelmsgymnasiums hätte es nicht geglaubt. Dabei ist die Ausgangslage eindeutig: In dem Gebäude aus dem 19. Jahrhundert kriecht die Feuchtigkeit an der Außenwand schon bis in die erste Etage, die Heizung funktioniert nicht mehr richtig, die Sanitäranlagen sind marode, an Platz fehlt es sowieso. Ein geregelter Unterricht ist nur noch schwer möglich. Oder wie Hotz sagt: "Eine Zumutung." Das sah auch der Stadtrat so und gab 54 Millionen Euro für die Generalsanierung frei. Doch damit begannen die Probleme in der Thierschstraße erst so richtig.

Wegen der Baustelle - unter anderem entsteht eine unterirdische Turnhalle im Innenhof, der Zwischentrakt wird komplett eingerissen und neu aufgebaut - müssen die Schüler für ungefähr drei Jahre umziehen. Doch wirklich erwünscht ist das Gymnasium bisher nirgends. Zuerst dachte der zuständige Bildungsausschuss an eine Interimsschule auf einer Schulsportanlage in Haidhausen, was Eltern, Lehrer, Sportvereine und den Bezirksausschuss gehörig empörte. Der Elternbeirat der Adalbert-Stifter-Realschule sammelte in einer Online-Petition mit dem Titel "Kein Container-Gymnasium in der Flurstraße" knapp 300 Unterschriften.

Es geht aber noch eine Nummer größer. Nach einer zweiten Untersuchung präsentierte das Rathaus als Alternativstandort die Tivoli-Tennisanlage an der Oettingenstraße im Lehel. Dieser Vorschlag kam bei Direktor Hotz und den Schülern gut an. Das Areal liegt in der Nähe der jetzigen Schule, ist gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen und behindert andere Schulen nicht im Sportunterricht. Ihm erscheine das als beste und realistischste Lösung, sagt Hotz. Weniger euphorisch reagierten allerdings die Tennisspieler, die um ihr Kleinod mitten in der Stadt fürchten.

Online-Petition: "Rettet das Tivoli"

Auch sie starteten eine Online-Petition: "Rettet das Tivoli". Fast 2100 Menschen sprachen sich bisher für den Erhalt der 90 Jahre alten Anlage aus, die von der Interessengemeinschaft als "ein letztes Stück echtes München" bezeichnet wird. 1836 von ihnen kommen aus München, ein paar aus Nordrhein-Westfalen, vom Ammersee, aus Rostock und Hamburg. Ein Berliner schreibt: "Weil ich den Tennissport sehr mag, gern selbst spiele und demnächst nach München ziehe."

Die Unterzeichner argumentieren, dass es andere Standorte in der Nähe gebe, bei denen weniger Schaden entstehe als bei ihnen. Schließlich würden die Tennisplätze, die anders als üblich nicht von einem Verein bespielt werden, für immer verschwinden, wenn die Containerschule einmal dort stand. Soll das Gymnasium doch an den Hirschanger ziehen, findet die Interessengemeinschaft. Da hat allerdings die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung bereits ihr Veto eingelegt.

Der Bildungsausschuss wird sich in seiner Sitzung an diesem Mittwoch nun erneut mit der Standortfrage beschäftigen. Und hoffentlich eine endgültige Entscheidung treffen, sagt Schulleiter Hotz. Da Schulen organisationstechnisch nur in den Sommerferien umziehen können, würde sich die Sanierung sonst um ein Jahr verschieben. Mit katastrophalen Folgen für das traditionsreiche Gymnasium: "Eltern haben angekündigt, ihre Kinder von der Schule zu nehmen oder erst gar nicht anzumelden." Er kann nur noch den Kopf schütteln. Gemeinwohl müsste doch über Einzelinteressen stehen, sagt Hotz.

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SZ vom 29.01.2014/infu
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