Süddeutsche Zeitung

Wildfleisch in München:"Der Markt ist komplett zusammengebrochen"

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Auch Münchner Großhändler und Gastronomen hatten Wildfleisch von Berger im Sortiment - die Ware ist mittlerweile beschlagnahmt.

abec/cw/häu

Schwein, Rind, Geflügel, und jetzt also auch noch Wild. Die Skandale rund ums Fleisch lassen fast vermuten, dass sich die Gastronomie künftig vermehrt vegetarischer Kost zuwenden wird. Vorerst belässt man es jedoch noch dabei, lautstark zu betonen, kaum Hirsch, Hase oder Wildschwein der Passauer Firma Berger bezogen zu haben.

Doch so ganz kann das nicht stimmen. Berger war nicht nur der größte europäische Wildhändler, sondern auch einer der wichtigsten Lieferanten für den Großhandel. Auch in München hatten die Einkaufsparadiese für Gastronomen Hamberger, Niederreuther oder auch die Firma Siegner Fleisch noch vor zwei Wochen Berger-Produkte im Programm. Ware, die mittlerweile beschlagnahmt worden ist.

Siegner-Betriebsleiter Michael Dosttaler will zwar nicht verraten, wen er mit Berger-Ware beliefert hat, aber: "40 bis 50 Prozent unserer Wild-Ware stammte von Berger." Den Schaden, den seine Firma mit der Beschlagnahmung erlitten hat, beziffert er auf etwa 10- bis 15000 Euro, nicht miteingerechnet ist dabei, was die Firma künftig an Wild verdient hätte: "Der Markt ist jetzt komplett zusammengebrochen." Von dem Skandal sei seine Firma sehr überrascht worden: "Wir bewegen uns nur auf der hochpreisigen Schiene, hatten nur hochwertige Qualität und nie Reklamationen."

Dosttaler kann sich aber vorstellen, dass Berger an anderen Stellen zunehmend unter Druck geraten ist: "Das Problem ist sicher, dass viele nur mehr auf billig, billig, billig setzen. Berger musste offenbar auch das bewältigen."

Auch die "hochwertige" Berger-Ware, die Siegner bereits verkauft hat, ist bei seinen Kunden, ausschließlich Gastronomen, beschlagnahmt worden. Siegners Konkurrenten sind in ihren Aussagen weniger offenherzig. Bei Hamberger hieß es, man habe Ware geliefert bekommen. Für Nachfragen war die Geschäftsleitung bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen. Niederreuther hat nach Angaben von Geschäftsführer Gerd Fraund lediglich einmal Fasan geordert. "Unser Wild importieren wir normal selbst aus Ungarn", so Fraund.

Großhändler Gero teilte mit, man habe seit geraumer Zeit nicht mehr mit Berger zu tun. Auch im gehobenen Einzelhandel war Berger kein Unbekannter.Dennoch will Feinkost Käfer Sprecherin Marion Weiß zufolge nie Kunde bei Berger gewesen sein. Dafür aber Dallmayr: Das Delikatessengeschäft hatte vergangenes Jahr einmal bei Berger bestellt. "Wir sind aber nicht von der Rückrufaktion betroffen", sagt Sprecherin Esmeralda Schöne. Das Fleisch sei zudem nicht in den Handel gelangt, sondern nur in der Kantine verbraucht worden.

Auch unter den Wirten will derzeit kaum ein Wirt zugeben, dass Berger -Wild auf den Tellern der Gäste landete. Zu groß ist die Angst vor Umsatzeinbußen. Manch' ein Lokalbesitzer hat daher das Thema Wild ganz von der Speisekarte verbannt.

Birgit Netzle vom Kreisvorstand des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands (BHG) bietet nach der Jagdsaison grundsätzlich keine Wild-Gerichte mehr in ihrem Asamschlössl an. "Ich bin froh, dass wir immer auf Saisonalität gesetzt haben, und die Schusszeit jetzt nunmal vorbei ist", sagt sie. "Ich habe immer gern Wild gegessen, aber im Moment, ganz ehrlich, graust mir." Und das, obwohl sie im Großhandel nur das teurere frische Wild einkauft, und häufig Hirsch und Reh sogar direkt von einem ihr bekannten Jäger bezieht.

"Wir brauchen keine Großfirmen als Wildlieferanten, weil bei uns die Nachfrage nicht so groß ist", sagt auch Roswitha Bauer, Geschäftsführerin des "Dürrnbräu". Vergangenes Jahr habe sie einmal Hasenkeulen von Berger bezogen, in "einwandfreier Qualität", wie sie sagt. Aber normalerweise komme bei ihr nur wenig Wild und dann nur frische Ware auf den Tisch: "Deshalb trifft es uns nicht so hart." Allerdings sei auch ihr Lokal von einem Bezirksinspektor geprüft worden: "Ich kann Sie beruhigen: Bei uns ist alles in Ordnung."

Hans Mair hätte als Chef eines Wildspezialitäten-Restaurants, des "Halali", theroetisch schon mehr Grund zu klagen. Aber Umsatzrückgänge hat er bis jetzt nicht zu verzeichnen. "Ich hatte einmal Fasankeulen von Berger, war aber mit der Qualität nicht zufrieden. Also hab ich ihn sofort von der Lieferantenliste gestrichen." Sein Wild bezieht er teilweise aus Neuseeland und direkt von Jägern.

Überhaupt scheinen Jäger als Wildlieferanten unter den Wirten beliebt zu sein. Zumindest behaupten sie das. Dagegen spricht jedoch die Kampagne "Ganz schön...Wild", die der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband erst im vergangenen Herbst zusammen mit dem Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten, dem Landesjagdverband Bayern und dem Fleischverband Bayern gestartet hat.

BHG-Sprecher Frank-Ulrich John: "Wir haben in Bayern rund 42000 Betriebe und 40000 Jäger. Ziel wäre es, dass jede Wirtschaft von ihrem eigenen Jäger Wild bezieht." Für den Jäger ergäbe sich dabei ein klarer Vorteil: Derzeit müssen viele ihr geschossenes Wild, das sie nicht an Wirte oder Privatkunden loswerden, noch an Wildhändler verkaufen - für viel zu wenig Geld, wie sie klagen.

Nach Angaben der Fachzeitschrift Wild und Hund vom Herbst 2005 werden in Deutschland 1,5 Millionen Stück Schalenwild jährlich erlegt, was rund 40 000 Tonnen Wildbret entspricht, zwei Drittel davon landen bei Wildhändlern. Doch der Bedarf kann damit nicht gedeckt werden: Sehr viel Ware stammt meist von Importeuren aus Neuseeland.

Auch Kantinen und Betriebsrestaurants scheinen die Ware aus Übersee zu schätzen: "Wir hatten nie Berger", sagt Thomas Sommer, Leiter der Kantine im Süddeutschen Verlag. "Wenn wir Wild haben, beziehen wir das aus Neuseeland oder aus Franken." Ähnliches berichtet auch Wolfgang Eder, Küchenchef des Siemens-Betriebsrestaurants am Standort Perlach auf die Frage nach der Passauer Skandalfirma. "Wir beziehen Hirsch aus Neuseeland oder von der Firma Ortner aus Pocking." Allzu oft stehe Wild allerdings nicht auf der Speisekarte, "vielleicht alle drei Monate und eher im Herbst. Aber so geht es uns ja bald mit allen Fleischsorten. Irgendwann steigen wir noch auf Tofu um."

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