Oktoberfest:Eine Wiesn-Dynastie ist ins Schleudern geraten

Löwe vor dem Löwenbräuzelt auf dem Münchner Oktoberfest, 2015

Bekommt das Löwenbräuzelt einen neuen Wirt? Und wer wird es sein? Und wohin fährt er in Urlaub?

(Foto: Stephan Rumpf)

Wer bekommt das Löwenbräuzelt auf dem Oktoberfest? Und warum interessiert das überhaupt so viele? Ganz einfach: Ein Wiesnwirt ist auch nichts anderes als Prinz Harry.

Von Franz Kotteder

Wie langweilig wäre die Wiesn wohl, gäbe es die Wiesnwirte nicht? Schwer vorstellbar, die Menschen würden sich in dieser Stadt das ganze Jahr lang nur über Achterbahnen, Free Fall Towers und Kinderkarussells unterhalten können. Da wäre der Gesprächsstoff schnell erschöpft. So aber, dank der großen Bierzelte, hat man viel zu reden, beileibe nicht nur wegen des Bierpreises, über den die Münchner alle Jahre wieder in helle Aufregung verfallen.

Weil der völlig überraschend bei jedem Oktoberfest um mindestens 30 Cent steigt (und das völlig überraschend auch heuer wieder tun wird). Man kann über die Unmöglichkeit einer Tischreservierung jammern und klagen. Und man kann über jene lamentieren oder spekulieren, die verantwortlich sind für Bierpreise und Reservierungen und vieles andere auch.

Wiesnwirte erfüllen für viele Münchner die Funktion, die sonst dem Hoch- und Tiefadel vorbehalten ist: Ihre Schicksale, Fehltritte und Erfolge werden bis ins Detail ausgeleuchtet und nicht nur in den bunten Blättern ausführlich diskutiert. Das ist naheliegend. Schließlich ist ein Wiesnwirt auch nichts anderes als der Fürst von Monaco oder Prinz Harry.

Denn der Posten eines Wiesnwirts wird nicht etwa für, sagen wir: fünf Jahre, ausgeschrieben und dann kommt wieder ein anderer zum Zug, wie es vielleicht bei einer x-beliebigen Betriebskantine der Fall wäre. Nein, zum Wiesnwirt wird man geboren. Meistens, jedenfalls. Der Job geht vom Vater (seltener: der Mutter) über auf den Nachwuchs, der bekommt von den Altvorderen gewissermaßen den Anzapfschlegel wie ein Zepter überreicht. So geht das manchmal über mehrere Generationen hinweg - die älteste Wirte-Dynastie, die Schottenhamels, ist in diesem Jahr schon zum 152. Mal auf dem Oktoberfest. Und was das Beste ist: Anders als der richtige Adel hat so ein Wiesnwirt noch wirklich was zu melden.

Da ist es natürlich richtig aufregend, wenn so eine Dynastie mal ins Schleudern gerät und in Gefahr, ihr Zelt zu verlieren.

Im vergangenen Herbst, ausgerechnet während des Oktoberfests, hat es die Wirte-Dynastie Hagn-Spendler erwischt. Wiggerl Hagn, dienstältester Wiesnwirt überhaupt, hatte bei der 2017 neu eingeführten Umsatzpacht falsch abgerechnet und gut zwei Millionen Euro Umsatz nicht angegeben. Er hatte angenommen, sagt er, dass er das Freibier, das die Brauerei an ihre Gäste ausgab, und das Bedienungsgeld für den Service nicht zu seinem Umsatz hinzurechnen müsse. Seither - und seit Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kurz vor Weihnachten eine Nachprüfung der Umsatzpacht bei allen anderen Zelten anordnete - kochen die Spekulationen hoch, ob das Löwenbräuzelt und womöglich auch noch andere einen neuen Wirt bekommen und wer das dann sein könnte.

Kaum eine Woche vergeht, in der nicht eine neue Version der zukünftigen Entwicklung hochkocht, und sei die Geschichte noch so dünn. Viele vermuten etwas, manche haben etwas zu gewinnen, andere etwas zu verlieren. Da sind auch kleine Gefühlsregungen wichtig, wenn auch nicht so wichtig wie große Dramen. Es ist ganz so wie in der richtigen Regenbogenpresse. Und es gibt sogar anonyme Anrufe, bei denen der Name nichts zur Sache tut und ein offenkundiger Insider die Aufmerksamkeit auf bislang noch unbekannte Dinge lenkt, die möglicherweise einen oder mehrere der Protagonisten zu Fall bringen würden. Beinahe könnte man zu dem Eindruck gelangen, es wäre für den Fortbestand unseres Staatswesens (oder doch zumindest Münchens) ganz entscheidend, wer denn nun künftig Wirt im Löwenbräuzelt sein darf.

Fast wie im richtigen Adelsleben (zumindest wie in dem, das man aus Illustrierten kennt) sind die Veränderungen der letzten Monate überschaubar. Denn die Lage ist unverändert. "Die Nachprüfungsberichte werden von den Wirtschaftsprüfern für die Jahre 2017 und 2018 derzeit finalisiert", berichtet der neue Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU), "konkrete Ergebnisse liegen mir noch nicht vor." Fürs weitere Vorgehen warte er die fachliche und juristische Prüfung ab: "Schnellschüsse ohne genaue Sachkenntnis sind von mir nicht zu erwarten."

Eine Familie mit zwei Zelten? Kaum vermittelbar

So darf also weiter spekuliert werden. Gelegenheit gibt es reichlich. Vergangenen Samstag etwa trumpfte Lorenz Stiftl vom kleinen Zelt Zum Stiftl und viele Jahre Sprecher der 21 kleinen Wiesnzelte, auf - mit dem, was in der Yellow Press unter dem Stichwort: "Heimliche Traumhochzeit" läuft. Er ehelichte seine langjährige Lebensgefährtin Christine Zitzlsperger, als Standesbeamter fungierte der Oberbürgermeister, zur Hochzeit war auch allerhand Politprominenz aus dem Rathaus geladen. Nur die Bild-Zeitung hatte Wind bekommen von dem Ereignis und titelte am Montag: "Ein Wiesn-Zelt zur Hochzeit?" Stiftl, mit seinem Zelt bislang links vom Löwenbräuzelt platziert, könnte Hagn ablösen, raunte das Boulevardblatt. Stiftl selbst will sich dazu nicht äußern, was verständlich ist: Da kann ein Wirt nur Fehler machen.

Das Löwenbräufestzelt aber ist eine begehrte Braut, um im Bild zu bleiben, und der machen noch ganz andere schöne Augen. Edi Reinbold etwa, seit 40 Jahren - und seit einiger Zeit in natürlicher Erbfolge zusammen mit seinen Söhnen Mathias und Ludwig - Wirt des Schützenfestzelts an der Bavaria. Dort wird Löwenbräubier ausgeschenkt, aber das Zelt gehört nicht der Brauerei. Reinbold sagt, er habe sich vor langer Zeit vertraglich zusichern lassen, dass er das Löwenbräuzelt übernehmen könne, wenn dort eines Tages die Familie Hagn ausscheide.

Das wäre nun in der Tat eine interessante Variante: ein Wirt oder ein Wirt und sein Sohn - zwei Wiesnzelte?

Sehr wahrscheinlich ist das aber nicht. Eine Familie mit zwei Zelten, das wäre kaum vermittelbar. Dem Volk sind viele kleine Fürstentümer lieber als ein großes. Und auch die Spaten- und Löwenbrauerei, die ja zusammengehören, liegen momentan ein wenig im Clinch mit Reinbold. Der lässt sich ungern was vorschreiben. Als er vor einem guten Jahr den Löwenbräukeller, den er zuvor schon gekauft hatte, auch als Wirt übernahm, dachte er kurzzeitig laut darüber nach, ob er nicht die Brauerei wechseln solle, angesichts der Bierabnahmeforderungen von Löwenbräu. Wieso nicht mal Augustiner ausschenken, oder Tegernseer? Gedankenspiele, welche die Brauereichefs nicht gerade für Reinbold einnahmen.

So deutet manches darauf hin, dass Stephanie Spendler zusammen mit ihrem Sohn Lukas Wirtin des Löwenbräuzelts bleiben kann. Auch wenn sie streng genommen, als bisherige Geschäftsführerin zusammen mit ihrem Vater, nicht weniger verantwortlich ist als er. In beiden großen Fraktionen des Stadtrats zeichnet sich jedenfalls eine Mehrheit dafür ab, keinen radikalen Schnitt zu machen: Vorteil für Spendler.

Bis auf weiteres zumindest. Denn selbst im Fürstenhaus von Monaco ändert sich die Lage bekanntlich im Wochenrhythmus. Auf der Wiesn ist das nicht anders.

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