Jede Nacht ist geheimnisvoll, aber Wiesnnächte sind immer noch ein bisschen geheimnisvoller als andere. Das Riesenrad hat seine letzte Runde gedreht, die Buden ihre Klappen dichtgemacht. Wer jetzt noch auf der Wiesn ist, wird mit dem Putztrupp hinausgekehrt und findet sich in den Kneipen der Innenstadt wieder. Im besten Fall. Wer zu betrunken ist, muss draußen bleiben. Im Café Kosmos gilt wie jedes Jahr eine zweite Regel: Wer Tracht trägt, kommt nicht rein.
Ausnahmen gibt es nicht, auch nicht für den sichtbar betrunkenen Mann, der in der Nacht zum Mittwoch vor dem Laden steht und lautstark diskutiert: "Auf was für einer Rechtsgrundlage verbieten Sie hier die Tracht? Wir sind in Bayern!" Die Türsteher lassen sich nicht erweichen. Kein Argument, dass ihnen empörte Trachtler nicht schon entgegengelallt hätten.
Touristen im Wiesn-Hotel:Die "Wilden Pudel" kommen
Einige Gäste torkeln schon um halb fünf zurück, andere wollen gar nicht aufs Oktoberfest. Die Hotels rund um die Theresienwiese sind ausgebucht. Doch wer schläft hier eigentlich? Eine Typologie.
Aber der Mann hat noch eine Trumpfkarte in der Hand, seine Visitenkarte nämlich. "Wenn sie wüssten, wen sie vor sich haben, dann würden sie ganz anders mit mir umgehen!" Auf der Karte habe "Alexander Dobrindt" gestanden, Bundesverkehrsminister, so berichtet es jedenfalls ein Gast.
Und der Mann habe auch so ausgesehen: etwa 1,80 Meter, braune Haare, schwarze Brille. Der Türsteher bleibt cool, auch andere Politiker schauen gelegentlich vorbei. Also greift der Besoffene zur ultimativen Drohung: "Ich sorge dafür, dass ihr den Laden dichtmachen müsst!"
Oktoberfest-Ochsen:Xavers Weg vom Stall auf den Spieß
Er wog zehn Zentner, hatte einen ansehnlichen Hintern - und hängt jetzt am Spieß: Ein Oktoberfest-Ochse wie Xaver macht gut 350 Wiesnbesucher satt. Die Geschichte seines kurzen Lebens.
Betrunken mit der Macht drohen? Das wäre ein starkes Stück. Also ein Anruf in Berlin, kurze Zeit später ruft der Minister persönlich zurück: Es ist ihm ein Anliegen. "Diese Geschichte entspricht mir wirklich nicht. Ich war abends in Stuttgart und bin um 20.45 Uhr von dort aus zurück nach Berlin geflogen", sagt Dobrindt.
Und die Bar? "Die kenne ich gar nicht." Tatsächlich bestätigen Fotos von Dobrindts Auftritt beim Stuttgarter "Dekra Dialog 2014" sein Alibi. Wer aber war dann der Doppelgänger? Das bleibt eines der Geheimnisse, wie es sie nur in Wiesnnächten gibt.