Münchner Momente:Wiesnscham sticht Vorfreude

Münchner Momente: Auch diesmal eng an eng? Wiesn-Besucher im Schützenzelt.

Auch diesmal eng an eng? Wiesn-Besucher im Schützenzelt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Kaum ist es drei Jahre her, steht die Wiesn wieder vor der Tür. Diesmal aber behält man Erfolge bei der Tischreservierung besser für sich - aus Angst, man steht am Ende als Corona-Depp da.

Glosse von Andreas Schubert

Man kann es immer noch nicht so richtig glauben. Aber bis man schaut, ist schon wieder Wiesn. Dass die bisher letzte jetzt schon drei Jahre her ist, hat man ja irgendwie verdrängt. Als wäre Corona wirklich nichts anderes als eine Biermarke, ziehen alle Beteiligten das Vorab-Programm heuer wieder voll durch: mit Wiesnkrug-Vorstellung, Kerzenweihe, Bierprobe und Pipapo.

Ein bisschen was ist freilich schon anders. Die traditionelle Wiesnkerze zum Beispiel wird nicht mehr in Maria Eich geweiht, seit die Familie Heide das Bräurosl-Zelt abgegeben hat. Warum sollte man da noch nach Planegg, wenn man doch vom Festgelände bis zur Paulskirche, wo die fromme Einstimmung auf die weltgrößte Massenekstase diesmal stattfindet, nur dreimal umfallen muss?

Veränderungen haben zum Oktoberfest schon immer so sicher gehört, wie die Tatsache, dass es stattfindet. Gut, Letzteres weiß man inzwischen besser. Die Ursache dafür hat auch in den Köpfen vieler Wiesngänger zu einer Neuerung geführt. Früher war man furchtbar stolz, einen Tisch ergattert zu haben. Wer dies leichtsinnigerweise auch noch auf Facebook postete, konnte sich vor Anfragen loser Urlaubsbekanntschaften und sonstiger Social-Media-Karteileichen nach einem Platz am Tisch und im Gästezimmer kaum mehr retten.

Diesmal behält man seine Reservierung lieber für sich, es würde sich eh niemand melden. Außerdem will man auf keinen Fall vor der Welt als Corona-Depp dastehen: Dass die Gaudi zum Superspreader-Worldcup ausartet, ist ja nicht ganz unwahrscheinlich. Wer erzählt, dass er trotzdem hingeht, tut dies oft nicht ohne den Zusatz "aber bloß in den Biergarten, da ist's eh viel schöner". Wenn dem zu glauben ist, gibt es heuer jede Menge freier Zeltplätze.

Wiesnscham sticht Vorfreude. Und geht Oberbürgermeister Dieter Reiter den Anstich mit der gleichen Begeisterung an, wie er sie bei der Ankündigung der Wiesn im Mai zeigte, haut er wahrscheinlich ein paar Mal daneben. Er wird dabei aufpassen müssen, dass ihm nicht aus Versehen "Ogsteckt is" herausrutscht.

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