Gericht:Bewährungsstrafe für Wiesn-Grapscher

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Die Staatsanwaltschaft warnt, dass auch in diesem Jahr Übergriffe konsequent verfolgt werden würden. (Foto: dpa)
  • Vergangenes Jahr hat ein alkoholisierter Mann einer Frau von hinten in den Schritt gegriffen.
  • Deshalb saß er bereits vier Monate in Untersuchungshaft.
  • Nun wurde er zu einer Haftstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt.

Von Stephan Handel, München

Das Wort "Kavaliersdelikt" ist an sich schon eine Frechheit - als wäre ein Gesetzesverstoß weniger schlimm, wenn ein sogenannter Kavalier ihn begeht. Dass die Justiz beim nahenden Oktoberfest kein Kavaliersdelikt kennt und auch keinen Spaß versteht, zeigt ein Vorfall aus dem vergangenen Jahr: Die Grapscherei eines Betrunkenen brachte ihm nicht nur mehr als vier Monate Untersuchungshaft ein, sondern ein Urteil über eine achtmonatige Bewährungsstrafe.

Der Mann war mit Freunden auf der Wiesn, hatte drei Mass Bier getrunken, was für eine Alkoholisierung von 2,2 Promille reichte. Als die Gruppe das Zelt verließ, traf sie auf drei Frauen. Der Täter, so die Mitteilung des Amtsgerichts, "empfand es in angetrunkenem Zustand als amüsant, einer Zeugin von hinten über dem Dirndl fest an die Scham zu greifen, sodass diese den Griff spürte". Dass die Frau aus verständlichen Gründen wütend war und ihn beschimpfte, fand er dann gerade lustig. Seine Begleiter stachelten ihn zusätzlich an - sodass er sich ein weiteres Opfer suchte, ein junges Mädchen, das am Autoscooter stand. Auch ihr griff er in den Schritt. Die erste Frau gab an, sie habe zunächst nichts unternehmen wollen. Als sie aber sah, dass der Mann weitermachte, habe sie die Polizei verständigt und die Gruppe bis zu deren Eintreffen weiter verfolgt.

Die junge Frau, die zweite Geschädigte, konnte nicht ausfindig gemacht werden. Das macht aber für die Strafbarkeit nichts, wie Anne Leiding erklärt, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft München I: "Bis zur Änderung des Strafgesetzbuches Ende 2016 wurde Grapscherei nur als Beleidigung eingestuft und konnte deswegen nur auf Antrag der Geschädigten verfolgt werden." Seitdem aber der Paragraf 184i ins StGB eingefügt wurde, können Polizei und Staatsanwaltschaft auch ohne Strafantrag tätig werden - "von Amts wegen", wie das heißt.

Die Änderung der Strafgesetze führte im vergangenen Jahr auf der Wiesn zu einer Verdoppelung der Anzeigen wegen Sexualdelikten - von 34 im Jahr 2016 auf 67. Staatsanwältin Leiding führt das nicht nur auf die Ausweitung der Strafbarkeit zurück: "Durch die Berichterstattung über die Gesetzesänderung waren sicher mehr Leute sensibilisiert für das Thema, so kam es zu mehr Anzeigen." Die Polizei gibt außerdem an, sie habe auch mehr kontrolliert, was sexuelle Übergriffe betrifft. Was aus den 67 Anzeigen von 2017 jeweils geworden ist, ist statistisch allerdings nicht erfasst.

Bis auf diesen einen Fall: Der Grapscher wurde noch auf der Theresienwiese festgenommen, er saß bis zu seinem Prozess in Untersuchungshaft. In der Verhandlung gab er an, er habe keine Erinnerung mehr, gehe aber davon aus "dass ich das gemacht habe", heute schäme er sich dafür. An die Geschädigte hat er freiwillig 750 Euro zur Wiedergutmachung gezahlt, im Gerichtssaal bat er noch einmal um Verzeihung.

Das Schöffengericht wertete Geständnis, Zahlung und Entschuldigung zugunsten des Angeklagten - verurteilte ihn aber trotzdem zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Nach Meinung des Gerichts handelte es sich um eine sexuelle Belästigung in einem besonders schweren Fall, weil der Zugriff massiv, überraschend und von hinten erfolgt war, weil der Täter von seinen Freunden noch aufgestachelt worden war und weil das Opfer bis heute mit psychischen Problemen aufgrund der Tat zu kämpfen hat. Bewährung gab es, weil das Gericht davon ausging, dass der Täter "sich die Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird". Und vielleicht alle anderen Wiesnbesucher ebenso, die demnächst meinen, eine kleine Grapscherei im betrunkenen Zustand sei ein Kavaliersdelikt und nicht eine Straftat.

© SZ vom 18.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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