Prozess:Mann wird nach Rangelei im Wiesn-Bierzelt freigesprochen

Abgestandenes Bier mag niemand

"Kindisches Techtelmechtel": Beide zogen am Krug: Der eine am Henkel, der andere von oben in die Mass greifend.

(Foto: dpa)

Ein Mann ringt mit einem Ordner auf dem Oktoberfest um einen Masskrug. Anschließend wird ihm vorgeworfen, den Security-Mann mit dem Krug geschlagen zu haben. Physikalisch unmöglich, urteilt das Gericht.

Aus dem Gericht von Susi Wimmer

Dass auf dem Oktoberfest physikalische Gesetze außer Kraft gesetzt werden, mag so manchem nach der dritten Mass als sicher erscheinen. Aber kann ein 75-Kilo-Mann nach einem Masskrug-Hakeln mit einem 83 Kilo schweren Ordner im Rückwärtsfallen noch ausholen und mit der Mass nach dem Security-Mann schlagen? Es war eine nüchterne Entscheidung, zu der Amtsrichter Vincent Mayr gelangte: Nein. So konnte Markus B. am Ende eine Träne der Erleichterung aus dem Auge wischen, er wurde der versuchten gefährlichen Körperverletzung frei gesprochen.

"Was haben Sie da für einen Schmarrn gemacht?", entfährt es Richter Mayr trotzdem im Urteil. Der 47-jährige Filmdisponent hatte in der Nacht auf 5. Oktober 2018 mit seinen Kollegen auf der Oiden Wiesn gefeiert und traditionell noch einen Absacker im Käfer-Zelt genommen. So gegen 0.30 Uhr hätte ihn ein Ordner rüde angepackt und in Richtung Ausgang verwiesen. "Der Mensch ist wie ein Herdentier, du musst ihn antreiben", meinte dazu einer der Ordner später im Zeugenstand philosophisch. Also trollte sich Markus B. Richtung Ausgang, hockte sich dort an einen Biertisch, als die beiden Ordner wieder auftauchten. "Und in ihren Augen hab ich es schon aufblitzen sehen: 'Jetzt g'hörst der Katz'", glaubte der Gast. "Er hat nur noch ein Noagerl im Krug gehabt", sagte Security-Mann Andreas P. aus. Und er griff nach dem Krug. Den aber wollte Markus B. nicht hergeben, "der war ja noch zu einem Drittel voll". Und außerdem war es noch nicht ganz ein Uhr, also Zapfenstreich. Was folgte, war quasi ein Masskrug-Hakeln, ein "kindisches Techtelmechtel", so der Angeklagte. Beide zogen am Krug: Der eine am Henkel, der andere von oben in die Mass greifend. "So vier bis fünf Sekunden", schätzt der zweite Ordner, Bernhard N.

Mit der Wiesn-Seligkeit - und den übereinstimmenden Aussagen - war es dann aber vorbei. Filmdisponent B. sagt, er habe gewonnen und sei nach hinten gekippt, als der andere losgelassen habe. Dann sei er bäuchlings zu Boden gebracht worden, mehrere Ordner seien auf ihm drauf gewesen, "ich hab vor Schmerzen um Hilfe geschrien". Und er habe die Ordner reden hören, was man der Polizei sagen sollte, vielleicht was von einem Masskrugschlag. Nach seiner Vernehmung habe er am nächsten Tag überlegt, seinerseits Anzeige zu erstatten, erzählt Markus B. Aber ein Anwalt hätte ihm abgeraten, "da steht Aussage gegen Aussage". Als ihm ein Strafbefehl ins Haus flatterte mit dem Vorwurf, er habe mit einer Mass nach einem Ordner geschlagen, "das war der Hammer!"

Verbal fast eine Spur zu unisono schildern die beiden Ordner in der Verhandlung den Vorfall so, dass Markus B. nach gewonnenem Masskrug-Hakeln nach hinten gekippt und in einer Bewegung von oben nach unten sofort wieder nach vorne gekommen sei, um den Krug auf den Kopf von Ordner Andreas P. zu schlagen.

Ein Rechtsmediziner allerdings erklärte vor Gericht, dass, wenn zwei Männer mit aller Kraft an dem 1,3 Kilo schweren "Corpus Delicti" ziehen, und einer loslässt, der Gewinner nach hinten fallen und erst den Gleichgewichtsverlust ausgleichen müsse. "Ein sofortiger gezielter Schlag nach vorne ist schwer vorstellbar." Verteidiger Christopher Knerr entdeckte noch weitere Ungereimtheiten in den Aussagen der Ordner, und am Ende folgte Richter Mayr dem Freispruch-Plädoyer.

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