Wiesn-Attentat: Neues Mahnmal:Würdiges Gedenken trotz Bierdunst

Alle Versuche, das Mahnmal für das Wiesn-Attentat im Volksfestgetümmel zu schützen, schlugen fehl. Jetzt wurde es umgestaltet.

Anna Fischhaber

"Der Ort des Geschehens ist in gespenstisches Scheinwerferlicht getaucht, als handle es sich um Nachtaufnahmen für einen Gruselfilm. Zerstörte Verkaufsbuden, Polizei- und Rettungsfahrzeuge. Am Boden Blutlachen, Körperteile: ein Rumpf ohne Kopf; eine offene Brust; abgerissene Arme ..." So erinnert sich Franz Freisleder, einst Lokalchef der Süddeutschen Zeitung an den Ort des Grauens. Inmitten von fröhlichem Volksfesttreiben und Bierseligkeit war am 26. September 1980 am Haupteingang des Oktoberfests eine Rohrbombe explodiert. 13 Festbesucher starben, darunter drei Kinder und der Attentäter. Über 200 Menschen wurden verletzt, 68 davon schwer.

Wiesn-Attentat: Neues Mahnmal: Die Stele wird nun von einem rostroten, fast drei Meter hohen Halbkreis umrahmt, der - wie von Bombensplittern getroffen - durchlöchert ist.

Die Stele wird nun von einem rostroten, fast drei Meter hohen Halbkreis umrahmt, der - wie von Bombensplittern getroffen - durchlöchert ist.

(Foto: Foto: Anna Fischhaber)

Am Ort der Bombenexplosion erinnert seit dem ersten Jahrestag eine bronzene Stele des Bildhauers Friedrich Koller an die Opfer. Doch alle Versuche, das Mahnmal im Wiesngetümmel zu schützen, schlugen fehl. Lieferwagen und Betrunkene beschädigten die Stele immer wieder. Ein Podest, eine Steinwand und ein eingezäuntes Blumenbeet sollten Sicherheitsabstand schaffen - vergeblich. Nach langem Hin und Her hat Koller nun das Mahnmal umgestaltet. Im Beisein von Oberbürgermeister Christian Ude wurde die restaurierte Gedenkstätte am Freitag feierlich eingeweiht.

"Ein solches Ereignis darf und kann nicht verdrängt werden", sagte Ude im Nieselregen vor rund 50 Vertretern aus Stadtrat, Glaubensgemeinschaften und der Presse. "Aber ausgerechnet zur Wiesnzeit, wenn nicht nur einzelne Besuchergruppen, sondern Hunderttausende hier vorbeiströmten, machte die Gedenkstätte keinen angemessenen und würdigen Eindruck." Das Blumenbeet sei als Abwurfstelle für Bierflaschen missbraucht worden, Lieferverkehr und Besuchergruppen hätten das Mahnmal eingeklemmt. "Man konnte daran vorbeigehen, ohne mitzubekommen, welch gravierende Vorgänge hier vor sich gegangen sind", so Ude.

"Warnung vor rechtsextremen Mentalitäten"

Das Umfeld der Gedenkstätte wurde deshalb völlig umgestaltet: Geblieben ist nur die Bronzestele mit den eingravierten Namen der Opfer. Umschlossen wird diese von einer halbkreisförmigen Wand. Der rostrote, fast drei Meter hohe Halbkreis ist - wie von Bombensplittern getroffen - durchlöchert. Auch in den Bodenbelag wurden Metallsplitter, für jedes Todesopfer einer, eingelegt, um die Wucht der Bombe zu versinnbildlichen. "Dieser Mantel aus Stahl ist Metapher für Schutz, ja für Demokratie", hatte Künstler Koller im Vorfeld gesagt. "Er wurde verletzt, er zeigt die Wunden."

Auch Ude betonte in seiner Rede die politischen Hintergründe - bis heute gibt es Zweifel, ob der Neonazi Gundolf Köhler den Anschlag allein begangen hat. "Die Justiz hat ermittelt, dass es ein Einzeltäter war", so Ude. "Aber das nimmt dem Ereignis nicht seine Vorgeschichte und seine Motivation: Der Attentäter gehörte zweifelsfrei rechtsextremen Vereinigungen an und ließ sich dort aufhetzen." Dieser Hintergrund sei jedoch lange Zeit verdrängt worden. Ein sachgerechter Umgang sei das nicht, so Ude. "Das ist hier kein Gedenkort für eine längst abgeschlossene und nie wiederkehrende Gefahr, auch wenn es 28 Jahre her ist. Es ist eine Warnung vor rechtsextremen Mentalitäten, Ideologien und Gewaltbereitschaft." Und die gibt es, wie etwa der vereitelte Anschlag auf die Münchner Synagoge zeigte, in unserer Gesellschaft noch immer.

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