Wiederverheiratete Geschiedene:Kardinal Marx will nichts überstürzen

Marx

Hält sich bedeckt: Kardinal Reinhard Marx.

(Foto: Johannes Simon)

Eine Handreichung aus dem Erzbistum Freiburg hat die katholische Kirche aufrüttelt: Wiederverheiratete Geschiedene sollten nicht mehr von den Sakramenten ausgeschlossen werden. Doch der Münchner Kardinal Marx weicht konkreten Fragen von Gläubigen aus.

Von Friederike Zoe Grasshoff

Endlich fällt das Wort, auf das die Menschen seit anderthalb Stunden warten. Freiburg. Ein Mann im Publikum steht auf, er klingt ungeduldig: "Herr Kardinal, es kommt selten vor, dass man am Morgen eine frohe Nachricht erfährt.

Heute Morgen war so ein Tag." Was er meint, das ist eine Handreichung aus dem Erzbistum Freiburg, die seit Montag die katholische Kirche aufrüttelt: Wiederverheiratete Geschiedene sollten unter bestimmten Bedingungen nicht mehr von den Sakramenten ausgeschlossen werden. Der Mann will es nun wissen: "Wieso sind Sie nicht auf diese Nachricht eingegangen? Muss ich als Wiederverheirateter nach Freiburg fahren, um die Kommunion zu erfahren?"

Kardinal Reinhard Marx steht in der Tenne, einem etwa 100 Meter langen Saal im Veranstaltungsforum Fürstenfeld, die Katechese ist abgeschlossen. Gedämpftes Licht, die Stimme des Erzbischofs von München und Freising ist kräftig wie immer: "Ich habe das nicht erwähnt, weil es hier auch nicht erwähnt wurde." Raunen im Publikum. Ja, die Lage der Betroffenen sei "drängend" - und ja: "Sie gehören zur Kirche", sagt Marx.

Letztlich müsse diese Frage aber in der Bischofskonferenz und in Rom geklärt werden. Viele Überlegungen seien "richtig und gut", doch bedeute dieser "Diskussionsbeitrag" noch keine Änderung des kirchliches Gesetzes. "Also keine Hoffnung?", hakt der Mann nach. "Vielleicht im nächsten Leben", murmelt eine Dame am Nebentisch. Langsam wirkt Marx angestrengt: "Hoffnung sehr, aber Geduld!"

260 Menschen sind am Dienstag Abend gekommen, das Glaubensgespräch mit dem Thema "Ich glaube an die Versöhnung" ist die fünfte Veranstaltung einer sechsteiligen Reihe zum Jahr des Glaubens. Beherrscht wird der Abend von einer Frage: Wie geht die katholische Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen um? Nach Auffassung der Kirche leben sie in Sünde; weder dürfen sie kirchlich heiraten noch zur Kommunion gehen.

Welche Reaktionen eine verzweigte Biografie auslösen kann, erzählt Juliane Schramm, eine der ausgewählten Personen, die ihr Statement hier vortragen. Gleich zu Beginn der Veranstaltung tritt die 65-Jährige vor die Gläubigen, die wie sie auf Antworten warten. 1970 heiratete sie das erste Mal, 1984 dann die Scheidung. Nun blickt sie von ihrem Zettel auf und blickt zum Kardinal: "Immerhin 15 Jahre habe ich es alleine geschafft."

Als sie dann wieder heiratete, sei es zum "Tiefpunkt" ihrer Beziehung zur Kirche gekommen, wegen ihres "Lebenswandels" habe man sie keinen Religionsunterricht erteilen lassen. Sie habe sich mittlerweile mit der Kirche versöhnt, aber sie hat auch ein Anliegen: "Für mich wäre es eine ganz großherzige Geste, wenn sich auch die Kirche mit mir versöhnen würde." Zwei Stunden später steht sie in der Eingangshalle, die Antworten des Kardinals zum "Zeichen aus Freiburg" findet sie "zu vage".

Einige Meter entfernt steht Marx, umringt von Gratulanten, in der Hand ein Bier. Geduld sei angebracht. Denn: "Freiburg ist nur eine Stellungnahme."

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