Vielleicht kommt ja sowieso alles ganz anders. Könnte ja am Ende sein, dass die "Transatlantic Trade and Investment Partnership", sprich: das Freihandelsabkommen TTIP, tatsächlich in einer ganz besonders marktradikalen Form doch noch abgeschlossen wird. Dann müsste alles, was mit Kultur zu tun hat, privatisiert werden, es dürfte keine öffentlichen Subventionen mehr geben, und eine Kunstausstellung wäre auch nichts anderes mehr als ein Supermarkt: ein Ort, an dem Waren angeboten werden, in diesem Fall sozusagen die Ware Kunstgenuss, zum Beispiel.
Das ist einerseits natürlich eine Horrorvorstellung für alle, die noch mit der Vorstellung aufgewachsen sind, Kultur und Kunst stünden für das Gute, Wahre und Schöne - fern dem schnöden Mammon, irgendwie zweckfrei und der ökonomischen Verwertbarkeit entzogen. Nun gut, das waren sie noch nie so richtig; Kreativität hatte immer schon einen wirtschaftlichen Aspekt, und das zunehmende ökonomisierte Denken hat ja auch längst in der öffentlichen Verwaltung Einzug gehalten, also dort, wo die Verfechter des marktradikalen Denkens den größten Feind sehen.
Auch in der Kulturverwaltung redet inzwischen ganz offiziell von "Produkten", wer seine Arbeit beschreibt. Gerade so, als ob man Konservendosen herstellte und nicht etwa Lyriklesungen, Jazzkonzerte, Aquarellausstellungen und Theateraufführungen. Nur mal so als Beispiele.
Münchens Kulturreferent Hans-Georg Küppers (SPD) wird dennoch nicht müde, bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass Kultur ökonomisch zweckfrei sein müsse und der wirtschaftlichen Verwertbarkeit grundsätzlich entzogen sei. Das, sagt er, sei auch dringend nötig, wenn sie ihre Aufgabe als "vorausschauende Sozialpolitik" erfüllen solle. Kulturpolitik habe eben auch die Aufgabe, die Menschen in einer Stadt zusammenzuführen, gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
Das ist auch dringend nötig in einer Stadt, die sich rapide wandelt, in der jedes Jahr bis zu 30 000 neue Einwohner hinzukommen, und nicht eben wenige davon aus eher fremden Kulturen. Die alte und die neue Stadtgesellschaft zu verbinden, dafür braucht es eben auch Angebote an Kultur. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn da gibt es ja auch noch die etablierte Hochkultur in der Stadt. Und gerade in München mit seinem eher konservativen Geschmack und seiner Freude am schönen Schein ist die enorm wichtig.
Hochkultur ist ein wichtiger Standortfaktor
Man kann auch deshalb schon einigermaßen sicher sein, dass es 2050 noch immer so etwas wie ein Subventionstheater geben wird, große Ausstellungshäuser, die bezuschusst werden, und natürlich auch Konzertsäle. Der Gasteig dürfte bis dahin ja wohl doch generalsaniert sein, und der Freistaat wird seinen Konzertsaal für die Symphoniker des Bayerischen Rundfunks im Werksviertel errichtet haben.
Das hat auch alles seinen Sinn. Denn (Hoch-)Kultur ist längst für große Unternehmen ein wichtiger Standortfaktor geworden, und auch die mittlere Führungsebene eines durchschnittlichen Konzerns gibt sich nicht zufrieden mit ein paar gut verkäuflichen Musicals und durchreisenden Orchestern, die will schon Qualität am Platze haben.
Trotzdem werden Kunst und Kultur im München der Zukunft zunehmend wirtschaftlich denken. Schon allein deshalb, weil München prosperiert "und weil das eine der Stärken der Stadt ist, die die Kulturszene für sich nutzen kann", wie Swantje Rößner meint. Rößner ist als Designerin selbst schon sehr nah an der Wirtschaft dran und Mitinhaberin der Agentur Poetic Design, die sich unter anderem auch mit Strategieberatung beschäftigt. Offenbar ganz erfolgreich, zu ihren Kunden zählen BMW, Siemens und Lufthansa.