Wie Münchner Weihnachten feiern:Geschenkeorgie oder besinnliches Fest

Große Gans, großes Theater - oder doch nur nerviger Konsumzwang? Wie Deutsche-Eiche-Wirt Dietmar Holzapfel, Saxofonist Max Greger und andere Münchner Weihnachten feiern. Und wie viel Geld sie ausgeben.

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Dietmar Holzapfel und Josef Sattler, 2011

Quelle: Alessandra Schellnegger

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Nerviger Konsumzwang

Weihnachten - das ist für Dietmar Holzapfel (im Bild mit Lebensgefährte Josef Sattler, rechts) in erster Linie ein Familienfest. Das Restaurant in seinem Hotel "Deutsche Eiche" schließt am 24. Dezember bereits um 15 Uhr. Danach aber bereiten die Köche für das Personal, das arbeiten muss, und diejenigen, die dazu kommen, weil sie sonst alleine wären, ein Weihnachtsessen zu. Im Hotel bleibt auch das Badehaus geöffnet: "Es ist wie in der Weihnachtsgeschichte. Es gibt immer Leute, die unterwegs sind." Mit seinem Lebensgefährten Josef Sattler wird Holzapfel dann aber den Heiligen Abend bei seiner Schwester, den beiden Neffen und seiner Mutter verbringen. Der Bruder reist aus Dubai an.

"Wir Erwachsenen schenken uns schon seit Jahren nichts. Der Konsumzwang nervt eher", sagt Holzapfel. Auch für den Weihnachtsbaum - in der eigenen Wohnung gibt es kaum Weihnachtsschmuck, nur die ein oder andere Kleinigkeit, die Freunde selbst gemacht haben - muss Holzapfel nicht viel ausgeben. Der stammt aus dem eigenen Wald "und wird wie jedes Jahr nicht gerade gleichmäßig gewachsen sein". Am Weihnachtsabend gibt es in der Familie Holzapfel ein festes Ritual: Zuerst musizieren alle, dann gibt es Bescherung für die Kinder. "Daran beteiligen wir uns natürlich, aber die großen Geschenke wie Schlagzeug oder Trompete werden es heuer nicht", sagt Holzapfel. Gegessen wird Fondue, danach wird bis spät in die Nacht gespielt und viel gelacht.

Kleinere Geschenke hat Holzapfel auch für seine Nachbarn gekauft, "mehr als Geste der Dankbarkeit". Geld spendet er lieber an die Regenbogenstiftung, die es dringender brauche. Weihnachten wird ihn 400 Euro kosten.

Text: Melanie Staudinger

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Quelle: Robert Haas

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"Ein Scheinchen fürs Schweinchen"

Die Routine an Weihnachten ist für Marianne Klaaßen vorbei, seit die drei Kinder aus dem Haus sind. Die 83-jährige Witwe hat längst fünf Enkel, von denen die beiden jüngsten gerade Abitur machen, und die Weihnachten alle irgendwo anders verbringen. Für ihre Großmutter ist eine Sache in all der Zeit gleich geblieben: das Singen. Seit 47 Jahren ist Klaaßen Mitglied im Paul-Gerhardt-Chor in Laim. Mit ihm singt sie an Heiligabend gleich zweimal, nachmittags und um 23 Uhr, und am nächsten Morgen wieder. "Das ist für mich Weihnachten", sagt sie. "Für mich ist es das Schönste, im Gottesdienst zu sein." Üben muss sie nach einem knappen halben Jahrhundert als Sängerin nicht mehr viel.

Zeit braucht sie vor allem für die Weihnachtspost. Die Familie wohnt in Deutschland verstreut, dazu kommt ein fester Freundeskreis, der versorgt werden will. Wenn die Enkel sie nach Weihnachten besuchen, schenkt sie ihnen meistens Geld. "Ein Scheinchen fürs Schweinchen", sagt sie dann und meint natürlich das Sparschwein. "Wenn sie einen Fuffi kriegen, ist das viel. Ein Zwanni ist auch nett, je nach Alter."

Klaaßen erinnert sich an die Zeit, als ihr Jüngster noch zur Schule ging und im Unterricht Weihnachten beschreiben sollte. Die anderen Schüler erzählten vom Gänsebraten, der Junge von der traditionellen Kartoffelsuppe, die die Familie gemeinsam in der Küche aß. "Dann ertönen Klänge, die Mutter singt 'Ihr Kinderlein kommet', alle gehen nach nebenan zu den Geschenken unter dem Baum", erzählt Klaaßen. Ihr Mann wollte immer einen Baum bis zur Decke. Wenn sie sich dieses Jahr überhaupt einen kauft, wird es ein kleiner im Topf.

Text: Silke Bigalke

Weihnachten, München

Quelle: Claus Schunk

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Nur Kleinigkeiten unter dem Baum

Ziemlich still und besinnlich wird der Heilige Abend bei den Gregers in Grünwald. Das verwundert zunächst, man würde bei der Musikerfamilie um den bekannten Saxofonisten Max Greger, dessen Sohn und Enkel ebenfalls Max heißen, etwas anderes erwarten. Die drei Generationen feiern bei Max Greger junior. Das gemeinsame Treffen sei das wichtigste, sagt seine Frau Roswitha Greger. Schließlich verabschiedet sich Sohn Max anschließend für drei Monate nach New York, um dort in einer Rechtsanwaltskanzlei zu arbeiten. "Für mich sind es die schönsten Weihnachten seit langem. Ich habe die schriftlichen Prüfungen für das zweite Staatsexamen hinter mir", sagt er.

Das Weihnachtsfest im Hause Greger beginnt um 17 Uhr. Die Familie besucht die feierliche Andacht auf dem Grünwalder Friedhof. "Danach koche ich erst einmal eine schöne, heiße Festtagssuppe", sagt Roswitha Greger. Zum Abendessen gibt es Forelle mit Salat. Erst dann findet die Bescherung statt. Das Wohnzimmer mit dem 2,30 Meter hohen Christbaum ist zuvor verschlossen. Wenn die Glocke läutet, dürfen alle hinein. "Wir singen Stille Nacht", sagt Max Greger. Der Enkel musiziert. Sehr zur Freude des Großvaters: "Ich bin immer wieder gerührt, wie gut er ist."

Für die Geschenke gibt die Musikerfamilie nicht viel Geld aus. Max und Johanna Greger schenken sich schon seit Jahren nichts mehr, ebenso der Sohn und seine Frau. "Bei uns liegen unter dem Baum nur Kleinigkeiten, mal ein Buch oder eine CD. Wir tun lieber im Vorfeld Gutes und spenden", sagt Roswitha Greger. Nur Enkel Max darf sich heuer wohl über ein größeres Geschenk freuen. Für seine Reise nach New York braucht er noch einen Koffer.

Text: Melanie Staudinger

Pfarrerin Stefanie Wist

Quelle: privat

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Das Finanzielle ist zweitrangig

Für Stefanie Wist ist Weihnachten jedes Jahr eine zeitliche Herausforderung: Die Pfarrerin der Michaelskirchengemeinde Ottobrunn, Neubiberg, Hohenbrunn hält vier Gottesdienste in zwei Tagen, dazu gibt es drei Weihnachtsfeiern - mit Kindern und Ehemann, Schwiegereltern und Eltern. Dabei ist ihrer Meinung nach gerade Zeit das schönste Geschenk, das sie ihrer vierjährigen Tochter und ihrem siebenjährigen Sohn machen kann. "Wir wollen den Zauber von Weihnachten erhalten", sagt Wist. Daher ist Heiligabend geprägt von Ritualen und Besinnlichkeit, Konsum steht im Hintergrund. Das Fondue müsse manchmal zwar für die Geschenke unterbrochen werden, dennoch sei deren finanzieller Wert eher zweitrangig, sagt Wist.

Jeweils zwei Geschenke für die Kinder, eine kleine Aufmerksamkeit für den Ehemann, dazu ein gemeinsames Geschenk für die ganze Familie. Bringen wird die herrlich verpackten Spiele oder Bücher selbstverständlich das Christkind. "Unsere Kinder glauben da total dran, und wenn das Glöckchen bimmelt, beginnt die Bescherung", sagt Wist. Dann steht der mit Bienenwachskerzen beleuchtete und mit Olivenholzanhängern behängte Baum im Wohnzimmer, darunter hat die Krippe Zuwachs bekommen: Diesmal knien die Heiligen Drei Könige als Neuankömmlinge vor dem kleinen Jesus aus Holz.

"Wir lesen die Weihnachtsgeschichte und sprechen darüber, warum wir den Geburtstag von Jesus jedes Jahr feiern - weil es nämlich ohne seine Geburt unsere Religion und unseren Glauben nicht gäbe." Der ausufernde Konsum an Weihnachten spielt auch in Wists Predigten eine Rolle: "Die Predigt klagt aber nicht an, sondern zeigt, was es bedeutet, dass Gott Mensch wird."

Text: Sarah Ehrmann

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Quelle: SZ

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40 Euro für jedes Kind

Bei Auerhammers steht der Baum schon seit einer Woche. Eine zwei Meter hohe Tanne hat Sabrina Auerhammer, 25, zusammen mit ihrer jüngsten Tochter gekauft. Damit war sie dann schon ein Viertel ihres Weihnachtsbudgets los: 40 Euro hat der Baum gekostet, nachdem die Hausfrau einen Rabatt herausgehandelt hatte.

Das Geld wird bei den Auerhammers am Ende des Monats oft knapp und in diesem Jahr besonders: Auerhammers Lebensgefährte hat im November seinen Job bei einer Umzugsfirma verloren. Das war eigentlich rechtswidrig, denn er war krankgeschrieben. Doch das hilft der Familie jetzt nicht. Der Familienvater ist bereits auf der Suche nach einer neuen Stelle, seine Frau wird nach Abschluss einer Lehre im neuen Jahr auch arbeiten. Alle wichtigen Besorgungen für Weihnachten hat Sabrina Auerhammer schon zu Beginn des Monats gemacht. Den Christbaumschmuck hat sie vom Vater bekommen - es sind dieselben Kugeln, die sie schon als Kind an den Baum gehängt hat.

Für jedes der drei Kinder, einen siebenjährigen Buben und zwei fünf und drei Jahre alte Mädchen, haben die Eltern 40 Euro ausgegeben. Das reichte, um den jeweils größten Wunsch zu erfüllen. "Das Christkind hat viele Kinder, es hat nicht so viel Geld", hat die Mutter ihnen erklärt. Die Omas, Opas und die Uroma legten noch etwas drauf. Nun bekommt der Große seine Computerkonsole, die Jüngste einen Kaufmannsladen und die Fünfjährige ein Puppenhaus - aus Holz, die gehen nämlich nicht so schnell kaputt. Dass es nur für einen Wunsch reicht, hätten die Kinder schnell verstanden. Die Eltern machen sich zu Weihnachten gegenseitig keine Geschenke: "Wenn wir etwas möchten, dann sparen wir gemeinsam darauf".

Text: Viktoria Großmann

Weihnachten in München

Quelle: Stephan Rumpf

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Große Gans und großes Theater

Am 23. Dezember wird Bérénice Geoffray in Ruhe aufstehen. Sie wird ihren Koffer nehmen, in ein Flugzeug steigen, das sie in ihre Heimat fliegt, nach Paris. Und dort kommt die 21-jährige Austauschstudentin mitten in Weihnachten an: Ihre Mutter hat dann bereits einen Baum gekauft und eine große Gans, die es an Heiligabend für zwölf Familienangehörige gibt. "Ein großes Fleisch", sagt Geoffray, das gibt es immer zum großen Weihnachtsessen, weil sie so viele sind, all ihre Cousins und Cousinen. Ins Theater gehen sie am Abend auch alle gemeinsam, etwa 30 oder 40 Euro kostet eine Karte, aber so genau weiß sie das nicht, denn auch das bezahlt ihre Familie.

Alles, was Bérénice Geoffray noch an Materiellem zum Fest beitragen muss, passt tatsächlich in ihr Köfferchen: ein Geschenk für ihre Mutter, eines für ihre Schwester und eines für ihre Großmutter. Denn es schenkt sich nicht jeder etwas, sondern sie, ihr Bruder und ihre Schwester legen jeweils zusammen für Geschenke füreinander, auch für die Eltern kaufen sie gemeinsam etwas: Geschichts-DVDs, einen Käseschneider, einen Schal, eine Mütze. Und der Rest der Familie wichtelt. Die Französin hat so in diesem Jahr nur etwa 130 Euro ausgegeben für Geschenke - genau so viel, wie für ihre Flüge von München nach Paris und zurück. Sie lacht leise, als ihr das auffällt, "aber darum geht es ja auch eigentlich nicht", sagt sie. "An Weihnachten geht es um die Stimmung."

Und eigentlich, sagt sie, war die Stimmung am schönsten, als alle 18 Cousins und Cousinen zusammen feierten und noch sehr klein waren. "Da haben wir Dinge gebastelt und uns geschenkt - und manchmal war es nur ein Gedicht oder einfach ein Lied."

Text: Anja Perkuhn

© SZ vom 22.12.2011/afis
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