Süddeutsche Zeitung

Westkreuz:Neubau mit allem Pipapo

Doch bevor der große Campus an der Grundschule am Ravensburger Ring gebaut ist, müssen Schüler und Lehrer das machen, wozu sie seit Jahren gezwungen sind: Mangel-Management

Von Ellen Draxel, Westkreuz

Mit der neuen Lösung ist Claudia Hirschnagl "grundsätzlich ganz glücklich". Nach Jahren des Disputs mit dem Bildungsreferat soll die Grundschule am Ravensburger Ring nun endlich einen Neubau bekommen - vier Stockwerke hoch, mit Mensa, ausreichend Fachräumen, einer großen Außenfläche und konzipiert für 24 Klassen. "Das sieht super aus, wenn es mal fertig ist", lobt die Rektorin. "Nur die Zeit bis dahin - die wird hart."

Hirschnagl und ihr Team sind Jonglieren gewöhnt. Seit Jahren ist die Raumnot an der Schule am Westkreuz eklatant: Weil immer mehr Klassen untergebracht werden müssen, gibt es inzwischen keinen Musik- und keinen Mehrzweckraum mehr, auch kein Lehrmittel- und kein Elternsprechzimmer. Statt drei Fachräumen stehen nur zwei zur Verfügung, eine Klasse muss sich jeden Tag mit Kindern aus dem Tagesheim einen Raum teilen. Dafür werden morgens und mittags die Rolltische hin- und hergeschoben, Spielzeug, Lern- und Bastelutensilien auf- und abgebaut. Die Schüler aus dem Ganztageszug verbringen ihren Nachmittag bei schlechtem Wetter sogar zu 48 in einem Zimmer: "Eine CD zu hören oder zu lesen ist dann nicht möglich, der Kicker kann nicht genutzt werden, am Ende sind alle genervt", klagt die Schulleiterin. Auch die Inklusionsklasse, bis vor zwei Jahren ein erfolgreiches Projekt an der Schule, bei dem behinderte und nichtbehinderte Kinder acht Jahre lang gemeinsam lernten und voneinander profitierten, musste aus Platzmangel aufgegeben werden.

430 Schüler besuchen derzeit die Schule, in 20 Klassen. Tendenz steigend. "Unter den 20 Klassen sind vier Deutsch-Förderklassen und zwei Übergangsklassen mit Kindern, die noch keine oder nur wenige Deutschkenntnisse besitzen", erläutert Hirschnagl. "Dass wir diese Mädchen und Jungen bei uns haben, freut mich sehr, weil wir die Kinder durch unseren Unterricht voranbringen können. Auf der anderen Seite muss ich permanent zusätzliche Zimmer freischaufeln." Momentan ist die Grundschule noch vier- und fünfzügig. In einigen Jahren aber, prognostiziert die Rektorin, müsse sie sechszügig sein, um den Bedarf zu decken. Fünf oder sechs Räume fehlen derzeit. "Wir kriegen das zwar hin - aber nur mit Lückenbüßen." Jedes Kämmerchen hat seinen Belegungsplan, "anders funktioniert das nicht". Dem Bildungsreferat ist das Problem seit langem bekannt. Behelfspavillons als Ausweichräume jedoch hat die Behörde mit Verweis auf eine baldige Umstrukturierung stets abgelehnt. Die jetzige Variante in Form eines Neubaus ist bereits die dritte Lösung, die der Grundschule vorgelegt wurde. "Die erste war, in den bestehenden Räumen ein Lernhauskonzept umzusetzen." Damit sei die Schulfamilie "sehr unglücklich" gewesen, sagt Hirschnagl. Vorschlag zwei sah einen Anbau vor, doch auch diese Version hätte nur einen beschränkten Raumgewinn gebracht. Im Übrigen stellte sich im Nachhinein heraus, dass der Altbau von 1973 sich nicht zum Verändern eignete.

Der nun vorgelegte Plan regt einen kompletten Neubau in Winkelform an, situiert neben dem jetzigen Schulgebäude auf dem Areal des Verkehrsübungsplatzes, des Rasenspielfeldes und des Spielplatzes. Der Charme dieses Konzepts liegt einerseits in der Größe des neuen Schulhauses: In dem Komplex wird alles an Räumlichkeiten unterzubringen sein, woran es der Schule derzeit noch mangelt. Er liegt aber auch in der Tatsache begründet, dass die Schule während der Bauphase nicht umziehen muss. Denn das Bestandsgebäude bleibt, mit Ausnahme des Verbindungsgangs zur Sporthalle, vorerst erhalten.

Was den Schülern während der Bauzeit allerdings fehlen wird, ist ihr Freigelände. 250 Erst- bis Viertklässler sind ganztätig an der Schule, zum Austoben draußen bliebe ihnen nur noch die Fläche südlich der Turnhalle, in Nachbarschaft des Kindergartens. Ein Areal aus Kopfsteinpflaster, Treppen und ohne Wiese. "Diesen Bereich müsste man umgestalten, bevor mit dem Neubau begonnen wird", fordert die Schulleiterin. Idealerweise mit Rasen und Spielgeräten. Auch der Verkehrsübungsplatz - Trainingsareal für die Viertklässler, um ihren Fahrradführerschein zu machen - wäre in der Bauzeit nicht nutzbar.

Kommende Woche will sich die Rektorin noch mit dem Elternbeirat abstimmen, bevor sie dem Bildungsreferat ein positives Votum signalisiert. Vorausgesetzt, die Regierung von Oberbayern stimmt dem Entwurf zu und die Planungs- und Bauphasen verlaufen optimal, könnte die Schulfamilie 2018 in ihr neues Gebäude umziehen.

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Quelle:
SZ vom 04.05.2015
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