Süddeutsche Zeitung

Westkreuz:Mehr Platz

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Der Bürgersaal am S-Bahnhof Westkreuz stößt längst an seine Kapazitätsgrenzen. Vereinsvertreter fordern neue und größere Räume als Treffpunkt fürs Viertel. Ein geeignetes Grundstück ist noch nicht in Sicht

Von Ellen Draxel, Westkreuz

Über mangelndes Interesse können sich Johann Slezak und Herbert Hochmuth nicht beklagen. Der Vorsitzende und der Geschäftsführer der Interessenvereinigung Westkreuz (IVW) bekommen permanent Raumanfragen von Gruppen und Vereinen, Privatleuten und Eigentümergemeinschaften. Und oft müssen sie ihnen sagen: "Es tut uns leid, aber wir haben keinen Platz."

Der Bürgersaal am Westkreuz, ursprünglich als Wirtshaussaal konzipiert, seit 1985 aber vom Trägerverein IVW als "Zentrum für Brauchtum und Kultur im Forum am Westkreuz" genutzt, ist zu klein. "Ich habe da 18 oder 20 Vereine drin, die ich unterbringen muss", erklärt Hochmuth. Um Kapazitäten für kulturelle Veranstaltungen zu bekommen, hat der Geschäftsführer schon jeweils drei Vereine auf einen Tag gebucht.

Der 180 Quadratmeter große Bürgersaal an der Friedrichshafener Straße 17 war von Anfang an ein Provisorium. Als das Westkreuz in den Sechziger Jahren entstand, hätte eigentlich ein Bürgerzentrum mit Kindergarten, Freizeitheim, Bürgerhaus und Stadtbibliothek auf einem städtischen Grundstück neben der Gemeinde St. Lukas mit entstehen sollen. Doch dessen Ausführung wurde immer wieder verschoben. Daraufhin errichteten die Bürger in Eigenleistung ein Bürgerheim an der Aubinger Straße. Dieses jedoch galt als Schwarzbau, die Erbauer wurden zwangsenteignet. Als Ersatz bekamen sie den jetzigen Bürgersaal am S-Bahnhof Westkreuz für ihre Angebote zur Verfügung gestellt.

"Was wir aber dringend brauchen, ist ein echtes Bürgerzentrum", sagt Slezak. Eines, das "Raum für eine Vielzahl von Aktionen bietet". Für Jung und Alt, für Frauen wie Männer. Ortsnah, möglichst zu Fuß erreichbar, mit Räumen für Jubiläen und Familienfeste. Seit 50 Jahren fordert der Verein bereits eine solche Einrichtung, der Ruf danach zieht sich wie ein roter Faden durch die Bürgerversammlungen der vergangenen Jahre. "Es wäre ein Widerspruch in sich, das Westkreuz mit hohem Aufwand sanieren und attraktiver gestalten zu wollen, dabei aber ein Grundbedürfnis der Menschen auf Räume zur Kommunikation außer Acht zu lassen", argumentiert Slezak. Intelligente Lichtmasten mit Wlan-Anschluss, wie sie für Neuaubing und das Westkreuz geplant seien, genügten diesem Bedürfnis nicht, kritisiert er.

Bei der Stadt ist die Bitte des Vereins inzwischen angekommen. "Wir sind immer aufgeschlossen, wenn es darum geht, Räume zur Ausübung von Stadtteilkultur zu fördern", sagt Martin Kunschak vom Kulturreferat. Voraussetzung für eine sinnvolle Planung sei jedoch eine "Bedarfsbeschreibung": eine Auflistung, welche Anfragen von Nutzergruppen aufgrund des fehlenden Raumangebots in der Vergangenheit abgelehnt werden mussten. Am besten anhand eines Belegungsplans. "Sobald wir eine solche vorliegen haben, können wir die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten prüfen", meint Kunschak.

Das Grundstück neben der Kirche St. Lukas an der Aubinger Straße 63 allerdings, von der Interessenvereinigung favorisiert, kommt für ein neues Bürgerzentrum wohl eher nicht in Frage. Denn auf dem Gelände steht das erst vor einigen Jahren gebaute und von den Kindern und Jugendlichen sehr gut angenommene Spielhaus am Westkreuz. Außerdem, so das Stadtteilmanagement vor Ort, eröffne voraussichtlich 2021 im dann neu errichteten Paul-Ottmann-Zentrum die Stadtteilbibliothek auf wesentlich größerer Fläche als bisher. Auch ziehe das bisher an der Limesstraße situierte Bildungslokal dorthin um. Es könnte die Bandbreite an stadtteilbezogenen Angeboten sinnvoll ergänzen. Hinzu kommt, dass das Sozialreferat derzeit als Standort für ein Alten- und Service-Zentrum die zur Bebauung anstehende Brachfläche an der Friedrichshafener Straße im Blick hat. Vor allem aber, sagt Stadtteilmanager Daniel Genée, "schadet ein Abzug des Bürgersaals am Westkreuz dem Nahbereichszentrum ,Forum am Westkreuz'".

Im Kulturreferat hat man daher eher ein Interesse daran, am jetzigen Gebäude festzuhalten. "Weil es eine super Lage hat", wie Kunschak betont. Im August erst sind die Decke und die Türen neu gemacht worden, im Jahr zuvor der Boden. Wie es nun weitergeht? Zunächst steht ein Wechsel an der Spitze des Interessenvereinigung an. Slezak und seine Vorstandskollegen haben schon länger angekündigt, ihren Platz für Jüngere frei machen zu wollen. Für den Vereinsvorsitz gäbe es möglicherweise eine Nachfolgerin: Vera-Maria Nink, bislang vor allem in der Arbeitsgemeinschaft am Westkreuz (AGW) aktiv, hat sich bereit erklärt, für die Wahlen im kommenden Jahr zu kandidieren. Und Hochmuth würde als Geschäftsführer weitermachen.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2018
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