Westend:Da hilft nur zamzwicken

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Mit dem Argument, dass Leute bei einem dringenden Bedürfnis die eigenen Toiletten benutzen können, lehnt die Stadt eine öffentliche Sanitäranlage am Gollierplatz ab. Den Westend-Politikern stinkt das gewaltig

Von Andrea Schlaier, Westend

In einem urbanen, kompakten und kleinen Viertel wie der Schwanthalerhöhe ist das öffentliche Freizeitgrün ein rares und wertvolles Gut. Und eine Kunst, den sich mitunter ausschließenden Bedürfnissen, die für das Fleckchen angemeldet werden, gerecht zu werden. So verhält es sich seit Jahr und Tag mit dem Gollierplatz im Herzen des Westends. Kinder lieben die Spielplätze auf der lang gestreckten Anlage vor ihrer Haustür, Stadt-Spaziergänger die Bänke an den Flanken zum Rasten, gleiches gilt für Menschen mit viel Zeit, Durst und anderen Sehnsüchten. Mehrfach mussten in der Vergangenheit die unterschiedlichen Zielgruppen miteinander versöhnt werden. Das drängendste Bedürfnis, findet man im Bezirksausschuss und weiten Teilen der Nachbarschaft, wurde indes seit langer Zeit nicht befriedigt. Es geht um eine Toilette, genauer "eine Sanitäranlage für Behinderte, Herren und Damen sowie Wickeltisch und Abspritzvorrichtung zum Säubern", die "unentgeltlich" genutzt werden kann.

Viele wünschen sich am Gollierplatz eine Sanitäranlage - mit Wickeltisch. (Foto: Florian Peljak)

Eine entsprechende Empfehlung der Bürgerversammlung hat das Baureferat gerade zum wiederholten Male abgelehnt. Unter anderem mit Verweis auf einen Stadtratsbeschluss, der den Gollierplatz hinsichtlich seiner Größe mit 6000 Quadratmetern in die "Kategorie I" für Grünanlagen einordnet. Den Nutzern dieser unmittelbar ans Wohnumfeld angeschlossenen Klein-Areale könne zugemutet werden, "im Bedarfsfall die häusliche Toilette aufzusuchen". Zudem befinde sich am nordwestlichen Ende der Trappentreustraße bereits ein "werbefinanziertes Automatic-WC". Der Antrag auf Toiletten am Gollierplatz gilt damit als abgelehnt.

Eine öffentliche Sanitäranlage wird von der Stadt abgelehnt. (Foto: Florian Peljak)

Entnervt reagiert man im Bezirksausschuss auf die neuerliche Absage: "Ich habe das Gefühl, das wird vom grünen Tisch aus gemacht, hier besteht großer Bedarf und der Wunsch vieler nach einer Toilettenanlage", kritisiert Vorsitzende Sibylle Stöhr (Grüne). Kinder, die auf dem Spielplatz dringend mal müssten, um ein paar Ecken nach Hause zu schicken, so die Meinung der Versammelten, sei realitätsfern. "Wir sollten das Baureferat einladen, damit die sich die Situation mal anschauen", so Stöhr. Die Kategorie I, mit der argumentiert werde, entspreche vielleicht der reinen Grundstücksgröße, aber nicht den Verhältnismäßigkeiten im dicht besiedelten Viertel. "Deshalb lehnen wir die Vorlage ab."

Der Gollierplatz ist Treffpunkt im Westend. (Foto: Florian Peljak)

Gnädiger verfährt man im Ausschuss mit der Reaktion der Verwaltung auf eine Anfrage aus der jüngsten Bürgerversammlung. Ein Anwohner hatte "Heroinkonsum am Gollierplatz" moniert. Die geschilderten Beobachtungen seien der zuständigen Polizeiinspektion bekannt, schreibt das Kreisverwaltungsreferat (KVR). Deshalb werde der Bereich "vermehrt durch Zivil- und Jugendbeamte bestreift", kontrolliert und wenn rechtlich möglich, würden auch Platzverweise erteilt. Zweimal wöchentlich seien außerdem Streetworker der Suchtberatung des Referats für Gesundheit und Umwelt am Gollierplatz. "Unangebrachte Verhaltensweisen - wie öffentlicher Drogenkonsum" werde von ihnen angesprochen und "auf eine Veränderung hingewirkt". Von diesen Mitarbeitern seien allerdings auf dem Platz kein Drogenkonsum beobachtet und keine weggeworfenen Injektionsutensilien aufgefunden worden. Im Bezirksausschuss nimmt man die Stellungnahme zur Kenntnis. Gleichwohl macht Holger Henkel (SPD) darauf aufmerksam, "dass der Drogenkonsum stärker geworden ist, man muss das schon ernst nehmen und dem noch mal nachgehen". Das gelte auch für den Bavariapark am östlichen Rand des Viertels. "Eine Krippe hat dort vor Kurzem einen Ausflug hingemacht und die Kinder sind mit einer Tasche voller Spritzbesteck aus dem Gebüsch gekommen."

© SZ vom 17.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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