Werner-Herzog-Preis:Von Helden, Träumen und Albträumen

Werner-Herzog-Preis: Der iranische Regisseur und zweifache Oscar-Gewinner Asghar Farhadi.

Der iranische Regisseur und zweifache Oscar-Gewinner Asghar Farhadi.

(Foto: Duchili/Filmmuseum München)

Werner Herzog verleiht den nach ihm benannten Filmpreis seinem iranischen Kollegen Asghar Farhadi für den Film "A Hero". Das Filmmuseum zeigt jetzt seine Retrospektive.

Von Susanne Hermanski, München

Asghar Farhadi ist auf der Leinwand via Zoom zu sehen. Die jüngsten Entwicklungen in seinem Heimatland Iran hielten den zweifachen Oscar-Gewinner (für "Bester nicht-englischsprachiger Film") davon ab, den Werner-Herzog-Preis persönlich in München entgegenzunehmen. Also sitzt er in Los Angeles und zitiert Bertolt Brecht: "Unglücklich das Land, das Helden nötig hat." Dieses Zitat sei eine der Initialzündungen gewesen für ihn, den Film "A Hero" zu machen, für den ihn sein Kollege Werner Herzog an diesem Abend auszeichnet. Das sei schon lange vor den aktuellen Protesten beschlossen gewesen, sagt Herzog mit seinem unverkennbaren Raunen. Er, der jüngst 80 Jahre alt geworden ist und aussieht wie eh und je, hat den Weg aus den USA in seine Geburtsstadt München gemacht.

"Es gibt Filme, an die man sich am nächsten Tag schon nicht mehr erinnert, aber wenige setzen sich auf Dauer in einem fest", erklärt Herzog. "A Hero - Die verlorene Ehre des Herrn Soltani (im Original: Ghahreman)" gehöre zu letzteren. Der Film habe ihn regelrecht befallen, sei ein Teil von ihm geworden. Er sehe Farhadi als einen einzigartig empathischen Filmemacher, seinen Film "Hero" in einer jahrtausendealten Tradition der Wahrheitssuche wie in antiken Tragödien oder Gedichten des großen persischen Poeten Hafez.

Werner-Herzog-Preis: Amir Jadidi in der Rolle des Amir, der im Film "A Hero" verzweifelt versucht, seine Schulden zurückzuzahlen.

Amir Jadidi in der Rolle des Amir, der im Film "A Hero" verzweifelt versucht, seine Schulden zurückzuzahlen.

(Foto: Filmmuseum München)

Die Geschichte dieses fallenden Helden ist einfach: ein Mann, der wegen hoher Schulden im Gefängnis sitzt - im Iran gibt es eine entsprechende Gesetzgebung - wird für kurze Zeit freigelassen, um eine Chance zu erhalten, seine Schulden irgendwie zu begleichen. Er findet eine Handtasche mit Goldmünzen, nützt sie aber nicht um sich freizukaufen. Er sucht die Besitzerin und gibt die Tasche zurück. In der Öffentlichkeit wird er dafür als Held gefeiert, bis kleinere Ungereimtheiten in seinen Schilderungen dazu führen, dass alles sich gegen ihn wendet. Regimekritik übt Farhadi darin für westliche Augen verschlüsselt, wenn es um einen Selbstmord im Gefängnis des Protagonisten geht, geschieht das beiläufig. Seine Freundin trägt nur dann den Ganzkörperschleier, wenn sie darunter etwas zu verbergen hat.

Werner-Herzog-Preis: Werner Herzog beim Bayerischen Filmpreis im Münchner Prinzregententheater.

Werner Herzog beim Bayerischen Filmpreis im Münchner Prinzregententheater.

(Foto: Johannes Simon)

Herzog vergibt den mit 5000 Euro dotierten Preis in Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum München einmal jährlich. In den Statuten heißt es: "Der Preis kann an Spielfilme, Dokumentarfilme, "an einen Filmemacher, Schauspieler oder an Personen jeder Nationalität vergeben werden, die mit Mut, Entschlossenheit und Visionen im und um den Film herum arbeiten."

Der Mut und die Entschlossenheit, mit denen derzeit Frauen in Iran gegen das Regime protestieren und dabei ihr Leben riskieren, beschäftigen freilich auch die beiden Filmemacher. "Die Gewalt der Bilder bricht einem das Herz", sagt Werner Herzog, "diese Frauen wollen ihr Schicksal selbst bestimmen". Asghar Farhadi, der erzählt, wie er unentwegt die Nachrichten verfolgt, hat "alle Künstler in einem Video aufgerufen zu reagieren". Seinen Preis widmet er allen, die in Iran für Freiheit und Bürgerrechte kämpfen. "Ich bin hoffnungsvoll, dass sie Erfolg haben werden."

Die Retrospektive Asghar Farhadi läuft im Filmmuseum mit zahlreichen seiner Filme noch bis 19. November.

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