Süddeutsche Zeitung

Werneckhof:Klein und fein

Die drei Brüder der Hotelierdynastie Geisel haben den Werneckhof in einer der schönsten Straßen Altschwabings übernommen - und einen Küchenchef mit Stern eingestellt. Das Lokal ist klein, das Essen großartig.

Alois Gudmund

Dieser Artikel ist leider nicht mehr aktuell, da das Restaurant mittlerweile dauerhaft geschlossen ist.

Im Werneckhof, gelegen an einer der schönsten Straßen Altschwabings, wird lange schon gekocht, meist auch ziemlich gut, in den vergangenen Jahren offensichtlich aber nicht immer erfolgreich.

Hier nährten sich einst, wie ein Kostproben-Kollege beobachtete, Münchens "gebildete Stände", dann aber war das ehrwürdige Restaurant mit seinen wunderschön ornamentierten Rauglasfenstern lange geschlossen, zuletzt wechselten die Wirte alle paar Jahre.

Seit ein paar Monaten haben die drei Brüder der Hotelierdynastie Geisel den Werneckhof übernommen. Und sie haben offenbar etwas vor damit. Die Brüder, die im Königshof am Stachus bereits ein Stern- und Mützen-Lokal betreiben, holten sich als Küchenchef Michael Hüsken, der sich auf Schloss Elmau einen Michelin-Stern erkochte, dazu schickten sie den Chefsommelier ihrer renommierten Vinothek in der Schützenstraße, Ireneo Tucci, ins neu eröffnete Haus - klingt also alles nach einiger Ambition.

Aber deswegen bitte nicht gleich erschrecken! Als Gudmund zum ersten Mal das Restaurant betrat, tobte eine Horde Kinder fröhlich um die alte Schinkenschneidemaschine in der Mitte des kleinen, zweigeteilten Gastraums. Die immer geduldigen Bedienungen waren emsig damit beschäftigt, kindliche Spezialwünsche nach Nudeln mit oder ohne Tomatensoße zu erfüllen. Es geht natürlich nicht immer so lebendig zu, aber steif war es bei Gudmunds Besuchen auch Dank des herzlichen Services nie.

Die Karte ist, den bescheidenen Maßen des Restaurants angemessen, übersichtlich: drei Vorspeisen, drei Zwischen- und vier Hauptgerichte, dazu ein "Überraschungsmenü" mit wahlweise vier oder fünf Gängen. Gudmund ließ sich überraschen - und es lohnte sich. Zunächst leuchtete ihm eine im Innern noch tiefrote, außen goldbraun angebratene, wunderbar zarte Entenbrust entgegen, umgeben von einer tieffruchtig nach Johannisbeeren schmeckenden Cumberland-Soße und überraschend leichtem Farmersalat.

Es folgte ein auf der Haut gebratenes Stück Loup de Mer, das, getoppt von einer intensiven Oliven-Mousse, in einer Paprikacreme von raffinierter Schärfe lag. Anschließend gab es noch dieses millimeterdünne, mit Spinat gefüllte und auf einem Nest aus Krautfäden thronende Kalbsroulädchen, bewacht von zwei auf der Zunge zergehenden Briesnüsschen.

Kalb scheint sowieso das Material zu sein, mit dem der Koch am liebsten umgeht. Fast mit dem Messerrücken zu schneiden war auch das Schnitzel, das, so zart es sich gab, sich doch mühelos neben dem kräftigen Graupenrisotto behaupten konnte.

Es war zu erkennen: Diese Küche, konservativ im positiven Sinne, verzichtet zwar auf manche der buchstäblich überschäumenden Ideen moderner Hochkochkunst, damit womöglich auf manches Abenteuer, aber auch auf allzu verspielte Albernheit. Ganz traditionell gab sich etwa die Grießnockerlsuppe, doch die Nocken waren derart locker, die Rinderbrühe derart fein konzentriert, dass sie eben doch ein ganz eigenes Erlebnis bescherte. Die Fenchel-Orangen-Suppe erwies sich als Fall von würzig-süßer Harmonie.

Die kleinen Scampi in der Suppe waren im übrigen ebenso auf den Punkt gegart wir ihre großen Garnelengeschwister vom Grill. Und nur ganz kurz der Hitze ausgesetzt sah sich das dicke, saftige Thunfischsteak, was seinem roten Inneren eine sushiartige Geschmacksintensität verlieh.

Etwas auszusetzen? Die Karotten-Safran-Suppe, mit zitronig-süßer Note, war nur lauwarm, als sie auf den Tisch kam. Der lockere Grießflammeri zeigte sich etwas unscheinbar neben dem wuchtig-fruchtigen Passionsfrucht-Sorbet. Aber das waren Kleinigkeiten, über die der klassische, mit eingelegten Feigen auffrisierte Schokoladenkuchen rasch trösten konnte - und erst recht das tiefgrüne, duftige Basilikum-Sorbet, dem ein Schuss Zitronen-Oliven-Öl vom elterlichen Hof des maître d'hôtel Tucci aus den Abruzzen den letzten Pfiff gab.

Mit 59 Euro für das viergängige Menü (85 Euro inklusive Weine) liegt das Preisniveau noch deutlich unter dem des Geisel-Flaggschiffs Königshof.

Bei den Weinen kann auch der Werneckhof auf den gut sortierten Keller der Geiselschen Vinothek zurückgreifen. Gudmund wurde ein Riesling vom eigenen Weingut im württembergisch-fränkischen Taubertal, ein Burgunder aus Macon-Lugny und ein Ripasso, also ein auf dem Trester des Amarone gelagerter Valpolicella aus dem Valpantena serviert, alles gut ausgesuchte Weine und glasweise für 5 bis 6,50 Euro zu haben.

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Quelle:
SZ vom 29.03.2012/sonn
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