Werksviertel:Glas-Scheune mit Klangspeicher

Konzerthaus München Erster Preis Entwürfe von Curkowicz Neubaur

Seitenansicht des siegreichen Architektenentwurfs für einen neuen Konzertsaal in München.

(Foto: Curkowicz Neubaur Architekten)

Politiker und Musiker zeigen sich begeistert vom siegreichen Entwurf für einen Konzertsaal in München. Für die Finanzierung hat auch Bastian Schweinsteiger Unterstützung angekündigt.

Von Christian Krügel

Ein "Schneewittchen-Sarg", eine "Glas-Scheune", "Seehofers Gewächshaus" oder ein "transparenter Klangspeicher" - erst seit Freitagabend ist der siegreiche Entwurf für Münchens neues Konzerthaus bekannt, und schon wird in der Stadt und in den sozialen Medien heftig diskutiert. Die Idee der Vorarlberger Architekten Cukrowicz Nachbaur, die Konzertsäle und Musikräume aufeinander zu stapeln und eine Glashülle drum herumzulegen, ist einfach ungewöhnlich.

Bei einer Pressekonferenz zur Jury-Entscheidung wurde aber klar, dass trotz aller Diskussionen die Hauptbetroffenen hochzufrieden sind. Management und Musiker des BR-Symphonieorchesters zeigten sich begeistert von dem Entwurf, der originell, spannend und zugleich hoch funktional sei - hinter der Bühne für die Orchester, vor der Bühne für das Publikum. "Ein Konzerthaus ist eben nicht nur Musik, sondern ein hochkomplexes Projekt", so Orchestermanager Nikolaus Pont. Und das hätten die Bregenzer Architekten bestens gelöst.

Die Jury sah das genauso, so dass am Ende nur ein Juror gegen den Glasbau votierte. Damit es dazu kommen konnte, waren im Preisgericht nach Informationen der SZ politische und wirtschaftliche Verhandlungen nötig. Etwa wegen der Höhe des Gebäudes: Der Bebauungsplan der Stadt sieht eigentlich eine maximale Höhe von 26 Metern vor - das Grundstück liegt auf dem früheren Pfanni-Industriegelände, das gerade zum schicken Werksviertel umgestaltet wird. Der Glasbau wird aber nun 45 Meter hoch. Nur so sei die markante städtebauliche Wirkung und zugleich eine gewisse Leichtigkeit des Baus zu gewährleisten, so Architekt Anton Nachbaur.

Aber der Hochbau muss nun vom Stadtrat genehmigt werden, was dank einer Öffnungsklausel des Bebauungsplans möglich ist. Das signalisierten zumindest in der Jury Stadtbaurätin Elisabeth Merk und nicht zuletzt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), der eineinhalb Tage im Preisgericht dabei war und am Ende auch für den Entwurf stimmte. "Das werden wir hinbekommen", sagte Reiter am Samstag der SZ. Er selbst habe zwar die meisten Sympathien für die Idee des britischen Stararchitekten David Chipperfield gehabt, der eine Art Schichtpyramide geplant hatte. Die Vertreter des Orchesters hätten da aber arge Bedenken wegen der Enge des Konzertsaals geäußert. "Und gegen die Musiker kann man das nicht entscheiden", so Reiter.

Fast wortgleich sagte dies kurz zuvor Bauminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Pressekonferenz. "Ein Entwurf, der nicht die Anforderungen des Orchesters erfüllt, kann architektonisch noch so hervorragend sein - er kommt trotzdem nicht infrage", so Herrmann. Erklärtes Ziel der Staatsregierung sei es, ein Konzerthaus auf "Spitzeniveau für ein Spitzenorchester" zu schaffen. Und dafür nahmen deren Vertreter in der Jury (außer Herrmann noch Staatskanzleichef Marcel Huber und Kunstminister Ludwig Spaenle) auch ein vertragliches Problem in Kauf.

Denn im Erbpachtvertrag mit Grundstücksbesitzer Werner Eckart ist die Höhe der Nutzungsfläche festgeschrieben. Wenn die Quadratmeterzahl steigt, erhöht sich auch die Pacht, die der Freistaat an den Pfanni-Erben zahlen muss und die sich schon jetzt auf rund 500 000 Euro jährlich beläuft. Eckart hätte also der große Profiteur der Architektur sein können, machte in der Jury dann aber selbst den Weg frei: Er stimmte zu, die Erbpachtsumme zu deckeln - "ein wichtiges Entgegenkommen", so Herrmann. OB Dieter Reiter zeigt sich positiv überrascht: "Ich hätte nicht gedacht, dass der staatsministerielle Wagemut so weit geht."

Die siegreichen Architekten bauen bisher eher Bibliotheken und Museen

Werksviertel: Anton Nachbaur-Sturm, der mit seinem Architekturbüro den Wettbewerb für den neuen Konzertsaal in München gewonnen hat

Anton Nachbaur-Sturm, der mit seinem Architekturbüro den Wettbewerb für den neuen Konzertsaal in München gewonnen hat

(Foto: Catherina Hess)

Mindestens so überrascht waren die siegreichen Architekten. Anton Nachbaur, 52, der mit seinem Studienfreund Andreas Cukrowicz, 48, das Büro vor einigen Jahren gründete und heute rund 15 Mitarbeiter im Team beschäftigt, postete am Freitag unmittelbar nach dem Anruf des Preisgerichts einfach nur "Ich bin sprachlos" auf Facebook - "und ich bin es Stunden später immer noch", sagte er am Samstag in München. Das Büro baute bereits Hallenbäder, Wohnungen, Bibliotheken, Sozialeinrichtungen und Museen, es zeichnet derzeit verantwortlich für den Bau der Philologicum-Bibliothek der Münchner LMU und für das Physik-Institut der TU in Garching. Einen Konzertsaal aber habe man noch nie gebaut. Umso größer sei die Begeisterung, umso mehr werde man sich in das Projekt reinknien, so Nachbaur.

Sein Ziel sei gewesen, "den Fußabdruck des Gebäudes im Gelände so klein wie möglich" zu halten, sprich möglichst viel Raum und Licht zu lassen. Ein Klangspeicher solle es sein, inspiriert von den Speicherbauten der Umgebung. Und tatsächlich habe man anfangs auch überlegt, mit massiven Ziegeln zu bauen - was aber die Besucher erschlagen hätte. So entstand die Idee einer transparenten Fassade, die nur im Sockelbereich durch ein anderes Material, womöglich Metall, aufgefangen werde. "Damit wollen wir dem Bau ein menschliches Maß geben und nicht die Wucht von etwas übermenschlich Großem", erklärt Nachbaur.

Wie es im Inneren aussehen soll

Betritt man das Gebäude, gelangt man gleich in ein Foyer, von dem aus auch der kleine Konzertsaal mit rund 600 Plätzen zugänglich ist. Über Rolltreppen, Aufzüge und ein Treppenhaus geht es von dort aus nach oben zu einem zweiten großen Foyer für die eigentliche Philharmonie. Die Erschließung in der Höhe sei nicht einfach, gibt Nachbaur zu. Aber spätestens seit Eröffnung der Elbphilharmonie seien Rolltreppen nicht mehr automatisch nur mit Einkaufs- und Bürobauten verbunden.

Der große Konzertsaal hat eine fast klassische "Schuhschachtel"-Form, also rechteckig vor dem Podium angeordnete Zuhörerreihen, die sich ein bisschen wie ein Hufeisen öffnen und wieder schließen. Bemerkenswert ist, dass die allermeisten Plätze in einem ansteigenden Parkett untergebracht werden sollen - "die meisten Zuhörer wollen in einem Parkett sitzen", sagt Nachbaur. Und trotzdem wird es auch Ränge geben, die um den ganzen Konzertsaal herum laufen. Zudem wird es fast 20 Prozent der Plätze hinter dem Orchester geben - eines der Merkmale von "Weinberg"-Sälen wie der Elbphilharmonie oder der Berliner Philharmonie. Viele Orchestermusiker und Dirigenten lieben dies, Sänger sind damit weniger glücklich. Cukrowicz Nachbaur planen also eine Mischform, die nun von einem Akustiker weiterentwickelt werden soll. Wer dies sein wird, soll in einem eigenen Wettbewerb geklärt werden.

Die Pläne zeigten eine hervorragende Umsetzung der räumlichen Anforderungen, sagt Jury-Präsident Arno Lederer. Ein Blick darauf beantwortet, was er meint: Es gibt hinter der Bühne viel Platz für Stimmzimmer, Umkleiden, Aufenthaltsräume; außer den Foyers gibt es reichlich Raum für Garderoben und Toiletten, zudem einen großen "Werkstatt"-Raum für die Studenten der Musikhochschule. Und es gibt einen vielversprechenden Platz für die Gastronomie: Diese soll ebenerdig in der Südostecke des Konzerthauses untergebracht werden mit einer großen Terrasse, die direkt auf den geplanten Piusanger-Park geht.

Offen sind die Kosten des Projekts, die jetzt in noch keiner Weise kalkuliert werden könnten, so Bauminister Joachim Herrmann. Jury-Präsident Arno Lederer warnte davor, eine Zahl in den Raum zu stellen - "jede genannte Summe muss jetzt falsch sein". Denn zunächst brauche es eine exakte Planung aller Bauteile. Minister Herrmann sprach davon, dass die Wirtschaftlichkeit des Gebäudes aber natürlich eine Rolle spiele. Der geplante Kostenrahmen liegt bei 150 bis 300 Millionen Euro. "Für uns steht im Vordergrund, den ersten Preis des Wettbewerbs auch zu verwirklichen. Aber es gibt keinen Blankoscheck", sagte Herrmann. Letztlich müsse der Landtag die Mittel bewilligen.

Etliche Millionen sollen auch Münchens Bürger als Spenden beitragen. Das hat sich die Stiftung Konzerthaus zur Aufgabe gemacht, die es seit bereits einem Jahr gibt, die sich aber nun erst offiziell vorgestellt hat. Der frühere Dallmayr-Chef Georg Randlkofer und der Münchner Rechtsanwalt Hans-Robert Röthel leiten mit einem zwölfköpfigen Vorstand die Organisation und haben sich dafür prominente Unterstützer geholt. Die Schirmherrschaft hat Franz Herzog von Bayern, Kuratoriumsmitglieder sind neben Musikern wie Anne-Sophie Mutter und Martin Grubinger viele Wirtschaftsbosse und prominente Münchner. Und auch ein Weltmeister ist dabei: Bastian Schweinsteiger habe zugesagt, sich für das Projekt zu engagieren und zu helfen, dass dieses Ziel erreicht wird, so Röthel: "Das neue Konzerthaus soll eine Begegnungsstätte für Menschen unterschiedlichen Alters, aus unterschiedlichen sozialen Schichten und Kulturen werden."

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