Werkstatt Demokratie:Höher, enger, regulierter

Betroffene und Experten diskutieren über die Zukunft des Wohnens

Von Jana Anzlinger und Lena Jakat

Eigentlich sollen sie sich in eine Reihe stellen, aber dann bildet sich doch ein Knoten. Etwa drei Dutzend Menschen versuchen sich nach der Höhe ihrer Miete zu sortieren: vorne die mit den niedrigen Quadratmeterpreisen und hinten die mit den hohen. Der Knoten entsteht bei etwa 14 Euro.

Die da stehen, sind Experten und Laien, politisch, geschäftlich und aus persönlicher Not heraus Interessierte. Architekten, Mietrechtsanwälte, Bauherren, Mieter und Vermieter. Sie sind der Einladung der Süddeutschen Zeitung und der Nemetschek-Stiftung gefolgt und diskutieren den ganzen Freitagabend lang in München über die Frage: "Wie wird Wohnen wieder bezahlbar?"

"Soziometrie" nennt sich die Übung, mit der die Veranstaltung der Werkstatt Demokratie beginnt. Etwa zwei Drittel der Teilnehmer gehört in die Mieter-Ecke, ein Drittel wohnt in der eigenen Immobilie. Und: Die Anwesenden verteilen sich geografisch recht gleichmäßig auf München, wobei es um den Herrn, der die Marienkirche darstellt, etwas leerer ist. Einige stellen sich ein paar Meter weit weg, weil sie angereist sind, aus Berlin oder dem Harz.

Werkstatt Demokratie; Werkstatt Demokratie

"Wie wird Wohnen wieder bezahlbar?" Darüber diskutieren Mieter und Eigentümer auf Einladung der SZ.

(Foto: Daniel Hofer)

Dann geht es um Lösungen. Zwischen Holzboxen, an denen sonst Gründer arbeiten, werden Ideen gesammelt, abgewogen und wieder verworfen. Ansätze werden zerlegt, zusammengesetzt und nachgeschärft. "Ich mache mir Sorgen um meine Generation", sagt eine Frau in Jeans und Blazer. Uschi Lauterbach gehört zu den geburtenstarken Jahrgängen Ende der Sechzigerjahre. "Wir werden einmal sehr viele alte Leute sein." Doch wie soll die Rente fürs Wohnen reichen, später? Diese Frage werde in ihrem Bekanntenkreis viel diskutiert, sagt Lauterbach. "Eine konkrete Lösung hat noch keiner gefunden." Uschi Lauterbach wünscht sich im Alter eine kleine Wohnung, die sie bezahlen kann, in einem Mehrgenerationenhaus vielleicht, in dem zusätzliche Flächen gemeinsam genutzt werden.

Unter einem Post-it mit der Aufschrift "Reguliertes Wohnen" sammeln die Teilnehmer einer anderen Runde Ideen. "Wohnraumvergabe je nach Einkommen", "Gemeindewohnungen für benötigtes Fachpersonal, zum Beispiel Erzieher", notiert der Moderator.

Manche können es kaum erwarten, bis ihr Vorschlag auf einem Klebezettel landet. Wohnen im Alter kommt an diesem Abend immer wieder zur Sprache. Die meisten teilen das Gefühl: Wenn verwitwete Omas in zu großen Wohnungen vereinsamen, während Familien sich in zu wenige Zimmer quetschen, dann stimmt etwas nicht. "Umbelegungskündigungsrecht", sagt ein junger Mann. "Man sollte Parteien kündigen dürfen, die nicht mehr so viel Platz brauchen - und ihnen zeitgleich eine adäquate Wohnung anbieten." Das gibt heftigen Widerspruch: "Nein, nein, nein", schießt es von der Seite in die konzentrierte Runde.

Werkstatt Demokratie

Die große Glasfront, vor der die Diskutanten sitzen, geht auf einen Verladehof. Den ehemaligen Viehhof will die Stadt bald bebauen, neben einem neuen Haus für das Volkstheater sollen dort vor allem bis zu 420 Wohnungen entstehen. Das Gelände bleibt im kommunalen Besitz, versichert die Stadt München.

Wo immer Flächen umgenutzt und neu bebaut werden, wo Kommunen Pläne entwickeln und Optionen prüfen, kommt stets die Frage auf: Wem soll das Land gehören? Ist Bauland in öffentlicher Hand am besten aufgehoben? Die Diskussion kehrt immer wieder zu dieser Frage zurück. Zwischen konkreten Ideen zu Vorschriften bei Umnutzung und für die Reform der Grunderwerbssteuer ist Begeisterung für den "grundsozialistischen Ansatz der Diskussion" ebenso zu hören wie ein ziemlich empörtes "Das ist doch Kommunismus!"

Für Mischa Kunz ist die Lage klar: "Wir müssen höher bauen. Und enger." Er kennt die Wohnungsnot von drei Seiten. Als Bauherr weiß er um die Baukosten und rechtlichen Hürden, als Makler kennt er die Nöte der Vermieter. Und er engagiert sich ehrenamtlich in einem Verein, der Wohnungen an- und an Hartz-IV-Empfänger untervermietet.

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