Welt verändern:Doppelte Mission

Monsignore Wolfgang Huber, Präsident des katholischen Hilfswerks Missio in München, scheut keine klaren Worte an die Mächtigen: "Wir müssen verstehen, dass in unserer globalisierten Welt die einen nicht auf Kosten der anderen leben können"

Von Martina Scherf

Monsignore Wolfgang Huber ist viel unterwegs, in München, Deutschland und der Welt. Gerade kommt er aus Berlin, wo er mit Entwicklungsminister Gerd Müller einen Flüchtlingstruck auf den Weg geschickt hat. Mit dem Minister versteht er sich gut, "wir kommen beide aus Bayern", sagt Huber und lächelt. Aber es ist nicht nur die Herkunft, die die beiden Männer verbindet. Müller, so stellt Huber fest, "ist ein Kämpfer und ein Realist", der Allgäuer nehme sein Amt so ernst wie noch keiner seiner Vorgänger. Er wolle Fluchtursachen bekämpfen, indem er die Lebensqualität in den Ländern, aus denen die Menschen fliehen, verbessert. "Und das ist es ja, was wir schon seit fast 180 Jahren tun", sagt der Missio-Präsident.

Es war König Ludwig I., der das katholische Missionswerk in Bayern gründete. Die Urkunde hängt neben dem Jesu-Kreuz und einer Marienstatue über dem Schreibtisch von Wolfgang Huber, 54. Sein Büro in der Münchner Missio-Zentrale in der Ludwigsvorstadt ist ansonsten sehr schlicht eingerichtet. Ein Besprechungstisch, dahinter an der Wand eine große Weltkarte.

Vorrangiges Ziel des Missionswerks, das dem Papst untersteht, ist heute wie damals die Verbreitung des christlichen Glaubens. Zugleich unterhält Missio weltweit Hilfsprojekte für benachteiligte Menschen. Weil immer mehr dieser Menschen vor Krieg, Hunger und Dürre fliehen, rückt das Thema Flucht auch für Missio immer stärker in den Vordergrund. "Eines darf man dabei nicht vergessen", sagt Huber: "Neun von zehn Menschen, die ihr Heimatland verlassen müssen, fliehen in ein Nachbarland." Ihnen ein bisschen Lebensqualität zu ermöglichen, sei Ziel von Missio. Die Mitarbeiter verteilen Essen und Medikamente, halten Schulen am Laufen, bieten Traumatherapien für Flüchtlinge an, bilden Lehrer und Sozialarbeiter aus.

Wichtig ist Huber aber auch die Aufklärung der Menschen hierzulande. Deshalb der Flüchtlingstruck, der in diesem Sommer durch Deutschland fährt. Schulen können das Aufklärungsmobil samt Workshop buchen. Wer will, kann darin in einem Computerspiel die Rolle eines jungen Menschen einnehmen, der Hals über Kopf vor dem Krieg fliehen muss. Was würde man einpacken? Das Handy? Das Zeugnis?

"Wir schicken diesen Truck schon seit ein paar Jahren durchs Land", sagt Wolfgang Huber, "und es ist interessant, wie persönlich ergriffen die jungen Leute nach dem Besuch sind." Darauf kommt es dem Missio-Präsidenten an: ins Gespräch zu kommen. Und Menschen ins Gespräch zu bringen, über Alters-, Kultur- oder Bildungsgrenzen hinweg.

Welt verändern: Eine junge Massaifrau legt Wolfgang Huber in Tansania einen Umhang an. Von den Menschen in Afrika können wir viel lernen, sagt der Priester.

Eine junge Massaifrau legt Wolfgang Huber in Tansania einen Umhang an. Von den Menschen in Afrika können wir viel lernen, sagt der Priester.

(Foto: Privat)

Zum Ende des Ramadans, der muslimischen Fastenzeit, am vergangenen Samstag rief Huber zum interreligiösen Dialog auf. "Gerade in einer Welt, die von Terroranschlägen und sozialer Unsicherheit geprägt ist, ist es wichtig, aufeinander zuzugehen, einander besser kennenzulernen und gemeinsam für das einzutreten, das unsere Religionen verbindet: Frieden."

Vor einiger Zeit war er in Burkina Faso, dem "Land des aufrichtigen Menschen", wie der Name übersetzt lautet. Rund ein Viertel der Bevölkerung des westafrikanischen Landes ist christlich, rund 60 Prozent sind Muslime. "Christen und Muslime leben dort wie selbstverständlich zusammen und feiern gemeinsam ihre bedeutenden Feste wie Fastenbrechen oder Weihnachten", sagt Huber. Solche Beispiele machten Mut, sie wolle er stärken. "Und wir können von diesen Menschen auch etwas lernen: dass wir vielleicht a bisserl weniger depressiv und ängstlich unterwegs sind".

Sein bayerischer Zungenschlag dringt immer wieder durch, er pflegt ihn ganz bewusst. Das mag ihm im Umgang mit bayerischen Politikern zugute kommen. Und der Monsignore findet deutliche Worte, wenn es darum geht, zu erklären, wie sehr der Lebensstil im Norden mit der Armut im Süden zusammenhängt. "Es kann doch nicht sein, dass ein Land wie Burkina Faso der größte Baumwollproduzent Afrikas ist, aber sehr viele Menschen von ihrer Arbeit nicht leben können", kritisiert er. "Fairer Handel muss zur Norm werden. Wir müssen verstehen, dass in unserer globalisierten Welt die einen nicht auf Kosten der anderen leben können."

Vier bis fünf größere Reisen unternimmt der Missio-Chef pro Jahr, dazu kommen drei Fahrten nach Rom. Bei aller Weltläufigkeit ist ihm aber der Kontakt zur Heimat wichtig. Noch immer fährt er gerne nach Reit im Winkl, wo er 1962 geboren wurde. Nicht nur zum Skifahren, auch, um die alten Freundschaften zu pflegen. "Mittlerweile traue ich die Kinder meiner Jugendfreunde und taufe deren Kinder", sagt er und lacht. Sein 25. Priesterjubiläum vor drei Jahren wurde zu Hause gefeiert wie ein Staatsakt: Musikkapelle, Bruderschaft, Fahnenabordnungen von sechs Ortsvereinen, Gemeinderäte und viele Priester kamen in die Kirche St. Pankratius, wo er selbst einst ministriert hatte. Dass er nicht Banker, sondern Priester wurde, erzählt er, lag am damaligen Ortspfarrer, der ein Vorbild für ihn war. Übrigens auch für seinen Bruder, der ebenfalls Priester wurde.

Welt verändern: Die Kapelle in der Münchner Missio-Zentrale hat ein Bildhauer aus Malawi gestaltet. Mit einem afrikanischen Jesus, bösen Geistern, guten Hirten und einer überbordenden.

Die Kapelle in der Münchner Missio-Zentrale hat ein Bildhauer aus Malawi gestaltet. Mit einem afrikanischen Jesus, bösen Geistern, guten Hirten und einer überbordenden.

(Foto: Catherina Hess)

Huber hat in München und Paris Theologie studiert. Sein perfektes Französisch kommt ihm heute in Afrika zugute. Nach einigen Jahren als Religionslehrer wurde er 2002 Münchner Dom-Pfarrer. Seine Predigten waren beliebt, nur dass er auf dem Gipfel des Missbrauchsskandals nicht öffentlich Stellung bezog, verstanden manche Gemeindemitglieder damals nicht. Huber war dann auch noch Weltkirchen-Referent der Erzdiözese München und Freising und wurde 2014 zum Missio-Chef gewählt.

Bayer und Kosmopolit, diese beiden Aspekte seines Wesens scheint der Pfarrer gleichermaßen zu lieben. Deshalb kann er sie auch so gut verbinden. Das Bayerische "Mia san mia" gefällt ihm durchaus, sagt er, "aber wenn es bedeutet, dass man andere ausgrenzt, bleibt man am Ende allein". Da ist er wieder bei der Flüchtlingsfrage.

Wenn er, wie in diesen Tagen, hunderte junger Christen firmt, dann sucht er das Gespräch mit ihnen. "Sie hören immer besonders aufmerksam zu, wenn ich Geschichten aus Afrika oder Asien erzähle", sagt er. Von den Massai-Mädchen, die ein Handy in einem Beutelchen um den Hals tragen, damit sie beim Vieh-Hüten Englisch lernen können. Oder von den Kindersoldaten in Kongo, die von gewalttätigen Banden im Kampf um die Edelmetalle missbraucht werden. Metalle, die auch in den Handys stecken, die seine Firmlinge in der Hosentasche haben.

"Unsere Jugendlichen sollen ihr Leben genießen", sagt er, "aber sie sollen auch wissen, dass wir vielfach auf Kosten der Menschen in armen Ländern leben." Huber freut sich, wenn junge Christen ein Praktikum in einem der Missio-Projekte in Afrika oder Asien machen. "Jeder, der schon mal einem Menschen begegnet ist, der hungert oder durstet, verändert sein Leben", sagt er. "Wir jammern, dass es im Sommer a bisserl heiß ist, aber in vielen Ländern ist der Klimawandel eine Frage des Überlebens." Und noch etwas könne man "von den afrikanischen Freunden" lernen: "Dass wir das, was wir in der Kirche feiern, auch im Alltag leben."

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