Welt-Aids-Tag:Schwierige Diagnose

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Die Münchner Aidshilfe lehnt generelle HIV-Tests für Flüchtlinge ab

Von Elisa harlan

Das Verfahren, Flüchtlinge generell auf HIV zu testen, ist umstritten. Bayern ist das einzige Bundesland, das den Gesundheits-Test in dieser Form praktiziert. Nun wird die Kritik daran lauter, auch die Münchner Aidshilfe schaltet sich in die Diskussion ein: "Wir lehnen diese Zwangsmaßnahme ab", sagt Michael Tappe von der Aidshilfe. Man zweifele an der rechtlichen Grundlage und sei besorgt, ob für die Aufklärung vor der Untersuchung genügend Zeit bleibe.

Die Münchner Aids-Hilfe kritisiert die Tests auf HIV und Hepatitis bei der Registrierung von Flüchtlingen als Zwangsmaßnahmen. (Foto: Simon Maina/AFP)

Durch die Tests auf HIV und Hepatitis bei der Registrierung der Flüchtlinge kommt es hin und wieder zu diagnostizierten Fällen. Circa 120 HIV-positive Asylbewerber pro Jahr erwartet die Münchner Aidshilfe. Mathilda Légitimus-Schleicher weiß, wie solche Untersuchungen in den Aufnahmeeinrichtungen ablaufen, sie ist als Dolmetscherin Bindeglied zwischen Arzt und Flüchtling. Seit mehr als 20 Jahren ist sie in der interkulturellen Arbeit tätig und dolmetscht für die Münchner Aidshilfe bei schwierigen Diagnose-Gesprächen oder Beratungen zum Thema HIV. Die Sozialpädagogin stellt klar: "Entgegen dem Vorurteil stecken sich viele Flüchtlinge nicht in ihren Heimatländern mit HIV an, sondern auf dem gefährlichen Fluchtweg." Die Reise der Flüchtlinge dauere oftmals Jahre. In dieser Zeit seien sie vielfältigen Gefahren ausgesetzt: Hunger, Gewalt, Krankheit. "Viele Flüchtlinge durchqueren afrikanische Länder, in denen besonders unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, junge Frauen und Kinder einem hohen Risiko ausgesetzt sind, sich mit HIV anzustecken", sagt Légitimus-Schleicher. Das Problem auf den Fluchtrouten sei immer das gleiche: "Schwache werden überdurchschnittlich oft Opfer von sexueller Gewalt oder von Zwangsprostitution."

Da Légitimus-Schleicher neben Englisch auch fließend Französisch spricht, übersetzt sie oft für Menschen aus dem frankophonen Sprachbereich. Sie selbst ist in Paris geboren und hat Wurzeln in Hawaii. Durch ihre dunkle Hautfarbe kann sie, wie sie sagt, eine gute Verbindung zu den Migranten aufbauen. Für die Münchner Aidshilfe engagiert sich Légitimus-Schleicher deshalb vor allem in der gesundheitlichen Prävention, sie kümmert sich darum, Flüchtlinge über Krankheiten und Untersuchungen aufzuklären und zu informieren. "Oft wissen die Flüchtlinge gar nicht, dass sie auf HIV getestet werden", sagt Légitimus-Schleicher. Wenn man ihnen dann die Diagnose eröffne, würden viele denken, sie müssten gleich sterben. Andere wiederum hätten überhaupt kein Vorwissen über die Krankheit. Zudem gäbe es auch viel Aberglaube über die Infektionskrankheit - zum Beispiel, dass man ihr mit einem Voodoo-Zauber beikommen könne, erzählt sie. Ihr Ziel sei, so empathisch und einfühlsam wie möglich die medizinische Fachsprache zu übersetzen. "Meist ist für ein Diagnosegespräch nur eine halbe Stunde eingeplant, danach wird der verängstigte und schockierte Flüchtling entlassen", sagt sie. Auch werde eine gute Beratung immer schwieriger. "Besonders fehlen uns zum Beispiel freie Gemeinschaftsräume in den Asylunterkünften", sagt Légitimus-Schleicher.

Die Münchner Aidshilfe will sich nun für mehr Personal und Betreuung stark machen. Sich bei der Prävention nur auf Ehrenamtliche zu verlassen, sei nicht hinnehmbar. Die Lage der Flüchtlinge in Aufnahmeeinrichtungen sei schwierig, dort würden die Betroffenen mit der Diagnose HIV oft allein gelassen, hinzu komme die drohende Stigmatisierung. "Wir brauchen hier unbedingt mehr Unterstützung", sagt Tappe.

© SZ vom 01.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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