Arbeitsagentur München:Das Geschäft mit der Weiterbildung

Agentur für Arbeit

Die Weiterbildung von Arbeitslosen kostet die Arbeitsagentur eine Menge Geld.

(Foto: dpa)
  • Mira steht für ein Projekt der Münchner Arbeitsagentur, in das diese nur die größten 13 Weiterbildungsträger in der Stadt eingebunden hat.
  • Der Inhaber einer Akademie für IT-Weiterbildung, der nicht auf der Liste steht, will klagen - er sieht in der Zusammenarbeit eine "Wettbewerbsverzerrung".
  • Ein Prozess dürfte langwierig und teuer werden.

Von Katja Riedel

Ein gutes halbes Jahr ist es her, da hat der Computer-Fachmann Wolfgang Franz zum ersten Mal von Mira gehört. Mira? Das klang für ihn fremd. Dabei ist Franz, der in Sendling eine Akademie für IT-Weiterbildung betreibt, die Abkürzungswelt der Arbeitsagentur durchaus vertraut. Seit mehr als 20 Jahren lenkt er seine Firma durch den Behördendschungel.

Mira - die vier Buchstaben stehen für den Slogan "Maßnahmen und Integration rasch anstoßen" und für ein Projekt der Münchner Arbeitsagentur, in das diese nur die größten 13 Weiterbildungsträger in der Stadt eingebunden hat. Wolfgang Franz ist einer von mehr als 100 anderen Trägern. Er sieht in dieser Zusammenarbeit eine "Wettbewerbsverzerrung", wie er sagt; kartellrechtlich bedenklich sei das, so ist es auch in der Strafanzeige zu lesen, die Franz an die Münchner Staatsanwaltschaft geschickt hat.

Keine Bedenken der Hausjuristen

Diese hat sie an die Kartellaufsicht weitergeleitet, an das bayerische Wirtschafts- und an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Dort, so teilen es die Ministerien der Süddeutschen Zeitung mit, prüfe man "derzeit noch, ob das Handeln der Bundesagentur für Arbeit rechtsaufsichtlich zu beanstanden ist". Es geht um juristisch überaus heikle Fragen. Wolfgang Franz hat seinerseits eine renommierte Münchner Wirtschaftskanzlei mit der Sache betraut. Denn er will jetzt gegen Mira klagen.

Seit Januar 2014 verbirgt sich hinter Mira ein Team von sieben Mitarbeitern der Arbeitsagentur. Es berät bei den großen Anbietern von Weiterbildungskursen deren Teilnehmer vor Ort. Vor allem gehe es darum, den Absolventen bereits drei Monate vor Ende ihrer Weiterbildung bei der Jobsuche zu helfen, so die Arbeitsagentur. Die Mitarbeiter der Behörde rücken mit Laptops aus und sitzen dann in den Büros der privatwirtschaftlichen Weiterbildungsanbieter. Ressourcen solle das sparen, wertvolle Arbeitszeit, argumentiert die Münchner Arbeitsagentur, die an Mira nichts zu beanstanden findet. Man habe das Projekt, das bis Ende dieses Jahres läuft, kartellrechtlich prüfen lassen. Die Hausjuristen hätten keinerlei Bedenken geäußert.

Kläger Wolfgang Franz sieht die Angelegenheit kritisch, so ist es auch im Gutachten eines spezialisierten Anwalts zu lesen, den er beauftragt hat und der kartellrechtliche Probleme sieht. Franz glaubt, dass es eine zu große Nähe gebe, die für die großen Konkurrenten gut sei und für ihn und die anderen kleinen Akademien, die außen vor bleiben, schlecht. Vor einem guten halben Jahr hat er zufällig von dem Projekt erfahren, bei einer Veranstaltung in der Arbeitsagentur, bei der diese den Münchner Trägern das Mira-Projekt am Rande vorstellte. Eine Ausschreibung hatte es zuvor nicht gegeben, auch auf den Internetseiten der Arbeitsagentur ist nichts darüber zu finden.

Gutscheine für Weiterbildung

Franz wurde hellhörig, als der Teamleiter das Projekt vorstellte: als eine "Win-win-Situation, einerseits für den Träger und natürlich für die Kunden, die schon rechtzeitig einen Ansprechpartner hier im Haus bekommen". So ist es einem wörtlichen Protokoll zu entnehmen, das Franz geschrieben hat. Mira beziehe sich "nicht nur auf das Absolventenmanagement", sagte der Teamleiter demzufolge. Es gehe um "eine Verzahnung". Die Mitarbeiter vor Ort seien auch "Ansprechpartner für die Ausgabe von Bildungsgutscheinen" und für Wechsel in verschiedene Weiterbildungen.

Bildungsgutscheine bedeuten für die Akademien bares Geld. Und Weiterbildungen sind ein Markt, auf dem es viel zu verdienen gibt. Die einjährige Ausbildung zum Webmanager, die Franz' Firma "ICA InterCom Akademie" anbietet, kostet die Arbeitsagentur pro Teilnehmer etwa 30 000 Euro. Die Münchner Arbeitsagentur hat im vergangenen Jahr 5700 Menschen bei beruflicher Bildung gefördert, für die Weiterbildung gab sie 21,3 Millionen Euro aus. Bis zu den Hartz-Reformen entschieden die früheren Arbeitsämter selbst, welche Träger für Weiterbildungskurse zugelassen waren.

Keine exklusiven Vorteile

Seit den Reformen bewilligen sie nur noch Gutscheine. Die Träger müssen sich durch unabhängige Institute regelmäßig zertifizieren lassen. Und wer als Kunde von der Arbeitsagentur einen Gutschein für einen bestimmten Bereich bekommen hat, der kann ihn dort einlösen, wo er selbst die am besten geeignete Weiterbildung sieht. Doch die Agenturen wiesen sehr wohl auf die Angebote verschiedener Träger hin, sagt Wolfgang Franz. Er fühlt sich deshalb klar benachteiligt, weil in seiner Akademie keine Mitarbeiter der Agentur ein und aus gehen - und damit auch keine Ansprechpartner für die Gutscheine.

Die Münchner Arbeitsagentur bestreitet die Aussagen ihres Teamleiters nicht. Sie besteht aber darauf, dass die Teilnehmer der Mira-Akademien dadurch keinesfalls leichter an frei einlösbare Bildungsgutscheine kämen. Die an Mira beteiligten Träger bekämen also keine exklusiven Vorteile. Es gehe nur um ganz bestimmte Maßnahmen, die Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit bringen sollen. Diese Maßnahmen müssten ohnehin ausgeschrieben werden, und der Bildungsgutschein sei dann an einen Träger gebunden und keiner, mit dem ein Teilnehmer frei wählen könnte. Nicht jedes Münchner Weiterbildungsinstitut biete diese Maßnahmen überhaupt an; auch Wolfgang Franz nicht.

Der spricht jetzt viel mit seinen Anwälten, denn er will klagen. Drei Anwälte einer Wirtschaftskanzlei arbeiten sich gerade in den Fall ein. Ein Prozess dürfte langwierig und teuer werden; für die Finanzierung sei jedoch eine Lösung gefunden, sagt Franz, über einen Prozesskostenfinanzierer, der das Geld vorstreckt. Nicht gesichert sei aber die Zukunft seiner Akademie. Inzwischen stehe ihm das Wasser bis zum Hals - auch, weil gerade aus München, der größten deutschen Arbeitsagentur, seit Jahren viel weniger Teilnehmer in seine IT-Schulungen kämen als aus dem Rest der Republik. Und das finde er zumindest seltsam.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: