In wenigen Wochen jährt sich ein Ereignis zum ersten Mal, von dem die ganze Republik Notiz nahm: Bei einem schweren Unwetter stürzte im mittelfränkischen Weißenburg ein Teil der 700 Jahre alten Stadtmauer ein. Seither klafft eine Lücke und man weiß noch nicht, wie und wann sie geschlossen wird, was das kostet und wer am Ende bezahlt. Für viele Einheimische ist das schmerzhaft, denn Geschichte treibt das auf die Römer zurückgehende und im Mittelalter als Freie Reichsstadt direkt dem Kaiser unterstellte Weißenburg in vielfältiger Weise um. Auch was die Bühnenkultur angeht.
Auf diesem Nährboden gedeiht an diesem Wochenende ein sehr spezielles Opernprojekt, mitten in der Altstadt und unter freiem Himmel. Auf dem von der gotischen Andreaskirche, der alten Lateinschule und anderen historischen Gemäuern eingerahmten Martin-Luther Platz gelangt zweimal „Die Feenkönigin“ zur Aufführung. Eine an Shakespeares Sommernachtstraum angelehnte Barockoper des englischen Komponisten Henry Purcell. Jenseits des Opern-Mainstreams wird sie relativ selten aufgeführt. Die Weißenburger Produktion ist eine besondere, weil sie von einheimischen Sängern, Musikern und Tänzern beiderlei Geschlechts gemeinsam mit Profis aufgeführt wird.
Solche Formen haben sich eingebürgert in Weißenburg. Dort leistet man sich regelmäßig Stadtschreiber, die eigens Stücke für eine hoch über der 20000 Einwohner zählenden Stadt gelegene Naturbühne schreiben, dem Bergwaldtheater. Inszeniert werden sie federführend von Regie-Altmeister Georg Schmiedleitner und gefühlt macht die halbe Stadt mit – auf und hinter der Bühne. Plus Schauspielprofis in den Hauptrollen, wie zuletzt 2022 Sigi Zimmerschied. In den Jahren dazwischen lebt dieses Prinzip des Bürgertheaters in abgespeckter Form bei Inszenierungen wie jener der Feenkönigin weiter, einem Spektakel aus Musik, Gesang, Schauspiel und Tanz mit einer eigens erstellten Instrumentierung und deutschem Text.
Träger der Aufführungen an diesem Samstag und Sonntag ist die Ortsgruppe der Kulturvereinigung Frankenbund. „Wirklich bemerkenswert ist, dass man in Weißenburg aktuell überall offene Türen einrennt, wenn man solch ein großes Projekt stemmen will“, sagt deren Vorsitzender Martin Weichmann. Obgleich die Feenkönigin keinen unmittelbaren Bezug zu Weißenburg hat, so gibt es doch einen ideellen, der wiederum mit dem Bergwaldtheater zu tun hat. Weichmann und seine Leute wollen an die Zeit der Weißenburger Opernfestspiele anknüpfen, die Ende der Zwanzigerjahre begann und in die unrühmliche NS-Zeit mündete.
Purcells Feenkönigin kommt dabei in einer eigens inszenierten Fassung mit der Neuen Nürnberger Ratsmusik, den Weißenburger Vokalisten und dem örtlichen Tanz-Raum, sowie den Gesangssolisten Corinna Schreiter, Christine Mittermair und Manuel Krauß als Mitwirkenden. „Wir knüpfen damit an die Zeit an, als man dabei war, Weißenburg und das Bergwaldtheater mit hochkarätigen Musikdarbietungen und der Kombination lokaler Kräfte mit professionellen Künstlern überregional zu verorten“, sagt Martin Weichmann.
„Die Feenkönigin“, 6. und 7. Juli, jeweils um 19,30 Uhr am Martin-Luther-Platz, bei schlechtem Wetter in der angrenzenden Andreaskirche. www.weissenburg.de; 09141/907326