Weinlokal "Vintage Selection":Bis ich Dich finde, edler Tropfen

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Besucherinnen in der Vinothek "Vintage Selection" in der Westermühlstraße. (Foto: N/A)

Cosmopolitan, White Russian und Sex On The Beach? Lieber Franken, Pfalz und Baden. Die Vinothek "Vintage Selection" im Glockenbachviertel hat sich auf deutsche Weine spezialisiert.

Von Astrid Becker

Der Artikel ist leider veraltet, das Weinlokal "Vintage Selection" gibt es mittlerweile nicht mehr.

Die Szene kennt Marian Kreuzer in- und auswendig. Es kommt ein Herr mittleren Alters in seinen Laden und fragt nach dem Chef. Er wolle umfassend beraten werden. Wenn Kreuzer dann sagt, er selbst sei der Chef, ist der Kunde oder Gast, wie man es nimmt, erst einmal sprachlos.

Kein Wunder: Kreuzer ist ein junger Typ, den man sich gut hinter dem Tresen eines der In-Clubs der Stadt vorstellen könnte, nicht aber in einer ganz speziellen Bar, in der keine Cocktails, sondern Wein ausgeschenkt und sogar zum Mitnehmen verkauft wird. Genauer gesagt: deutscher Wein.

Das mag für manch einen Uneingeweihten auf den ersten Blick seltsam klingen. Ist es aber nicht. Denn deutscher Wein erfreut sich steigender Beliebtheit, vor allem auch in München, in der Stadt, in der bundesweit am meisten Wein getrunken wird. Sicherlich ist das ein Grund gewesen, warum der 34-Jährige Hamburger seiner Heimatstadt den Rücken gekehrt hat, um sich hier, im Glockenbachviertel, mit seiner "Vintage Selection" niederzulassen.

Der wichtigste Grund ist aber, dass es hier in der Stadt zwar viele Weinlokale und -geschäfte gibt, keines aber, dass sich auf deutschen Wein spezialisiert hat. Und dieses Thema ist eine Art Herzensangelegenheit für den Mann, der als Model und Barchef gearbeitet hat, im wirklichen Leben aber ganz ernsthaft ausgebildeter Weinfachberater ist. "Wir haben mittlerweile eine so ausgezeichnete Weinqualität im Land, das muss man einfach zeigen."

Sein Wissen darüber spiegelt sich auch in der Weinkarte wider, die Kreuzer dem Herrn mittleren Alters vorlegt: Es sind sehr ausgesuchte Tropfen aus insgesamt sieben Weinbaugebieten des Landes. Franken ist dabei, Pfalz, Nahe, Baden oder auch Rheinhessen. Der Herr entscheidet sich für einen Grauburgunder des Weinguts Stallmann-Hiestand, 3,20 Euro für ein kleines Glas. "Erstmal probieren", sagt er. Eine kluge Wahl, denn auf ihn warten an diesem Abend noch ganz andere Genüsse. Der Winzer selbst, Christoph Hiestand, hat sich angekündigt. Er will den Gästen von Kreuzer seine Weine selbst vorstellen.

Das ist typisch für diese Bar, in der immer wieder spezielle Weinverkostungen stattfinden oder auch Lesungen. Denn Kreuzer verkauft hier keineswegs nur Wein, den er, je nach Wunsch, auch mit Käse, Wurst oder auch Flammkuchen kredenzt, sondern auch Bücher. Man muss sich das so vorstellen: Zwischen den Holzregalen, in denen Kreuzer seine persönlichen Lieblinge aus der Welt des deutschen Weines präsentiert, liegen beispielsweise Shakespeares "Romeo und Julia" oder auch das Buch "Nicht schon wieder Essen!" - eine Sammlung "hinterhältiger kulinarischer Geschichten", wie das Cover verheißt.

Der Herr hat sich mittlerweile sein zweites Glas aus dem Hause Stallmann-Hiestand bestellt: diesmal einen Weißburgunder. Er ist begeistert, glaubt den Winzer seines Lebens gefunden zu haben - und blättert dabei passenderweise in John Irvings "Bis ich Dich finde." Seine anfangs skeptische Miene ist einem glückseligen Lächeln gewichen. Er ruft seine Frau an: "Schatz, ich komme später, weißt Du, da kommt noch dieser Winzer . . ." Am Ende des Abends, mittlerweile ist es 22 Uhr geworden, trägt der Herr eine Kiste diverser Weine von Stallmann-Hiestand unter dem Arm und klopft Kreuzer auf die Schulter: "Zu Ihnen komme ich wieder - Sie sind zwar jung, aber großartig." Da könnte er glatt Recht haben.

© SZ vom 31.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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