Advent:Wie es in einem Kurs fürs Plätzchen backen zugeht

Advent: Teamwork beim Plätzchenbacken demonstrieren Veronika und Jürgen Prusseit: Er hält die Spritztüte auf, sie füllt den Teig ein.

Teamwork beim Plätzchenbacken demonstrieren Veronika und Jürgen Prusseit: Er hält die Spritztüte auf, sie füllt den Teig ein.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Einige Teilnehmer müssen sich plötzlich wieder mit Ratschlägen der eigenen Mutter auseinandersetzen.

Von Christina Hertel

Erst mal nen Döner, hat sich Jürgen Prusseit gedacht. Mit dampfendem Fleisch, triefend vor Fett, mit Zwiebeln und weißer Soße. Eine gute Grundlage. Auch für einen Plätzchen-Backkurs. Und da steht er jetzt, in der Schulküche der Mittelschule in Garching, dort, wo normalerweise Jungen und Mädchen in die Geheimnisse des Kochens eingeführt werden. Über sein hellblaues Hemd hat er eine schwarze Schürze gezogen, Aufschrift "Jürgen P.". Es sind noch neun Frauen und ein anderer Mann da.

Dass Prusseit an diesem Abend nicht auf dem Sofa gemütlich die Tagesschau oder Fußball schauen kann, dafür ist nur eine verantwortlich: Veronika, seit sechs Jahren seine Ehefrau, Mutter seiner beiden Kinder, Physiotherapeutin. "Im Kino kann man sich ja nicht unterhalten", sagt sie und strahlt. In der einen Hand hält sie den Mixer, in der anderen eine Schüssel mit Eischnee. "Du darfst jetzt den Puderzucker reinkippen." Und Prusseit kippt.

Plätzchen-Backkurs heißt noch lange nicht, dass dort Menschen zusammen kommen, die backen lernen wollen. Es gibt auch keine Vorbäckerin, der die anderen ehrfurchtsvoll nachbacken. Es läuft folgendermaßen ab: Paare bilden sich und die bekommen eine Liste mit drei Rezepten. Dafür haben sie drei Stunden Zeit, von 18 bis 21 Uhr.

Damit zumindest theoretisch selbst Menschen, die noch nie einen Mixer in der Hand hatten, etwas zu Stande bringen, gibt es Susanne Materne. Sie ist 54 und gibt Backkurse für die Volkshochschule. Und die sind immer ausgebucht, manchmal schon Monate vorher. Backen ist Maternes Leidenschaft. "Aber an meine Mama kommt keiner ran. Die hat sogar alles immer ohne Abwiegen gemacht." Mütter sind wohl prägend, was das Backen betrifft. Die einen haben ihr Butterplätzchen-Rezept schon an die Töchter weitergegeben, als diese noch nicht einmal über die Tischplatte schauen konnten. Und die anderen verursachten mit ihren gut gemeinten Ratschlägen das ein oder andere kleine Trauma.

Corina möchte ihren vollen Namen nicht in der Zeitung lesen. Sie ist "Geldeintreiberin" bei einem großen Münchner Unternehmen. Das sagt sie von sich selbst, dabei sieht sie für so einen Job viel zu lieb aus. Sie ist ein bisschen rundlich, blond und lacht viel, aber nicht laut. "Wenn du nicht kochen und backen kannst, findest du doch nie einen Mann, hat meine Mama immer gesagt." Seit diese Worte gefallen sind, müssen an die zehn Jahre vergangen sein, trotzdem klingt Corina noch immer beleidigt. Jedenfalls war es mit der Mutter in der Küche offenbar so anstrengend, dass sich erst wieder hineintraute, als sie ihre eigene hatte. "Ich konnte ihr nie was recht machen."

Der Backkurs muss Corina vorkommen wie ein Flug mit einer Zeitmaschine, zurück in Mamas Küche. Nur ist ihre Partnerin nicht die eigene Mutter, sondern Doris, die ebenfalls nicht mehr von ihrem Namen preisgeben will. Sie ist gelernte Hauswirtschaftslehrerin, ein "Profi" hinter dem Herd und nur hier, weil ihre Tochter den Kurs gebucht, dann aber doch keine Zeit hatte. Doris erzählt das, während sie Plätzchen in einer Turbo-Geschwindigkeit mit Marmelade bestreicht. "Die Jugend von heute kann ja nichts, die bräuchte sogar eine App zum Pizza backen", sagt sie. Dann schaut sie zu ihrer Backpartnerin hinüber. Die sticht Plätzchen aus Marzipan aus, aber offenbar nicht richtig. "Lass mich mal her." Doris geht mit ihrem Nudelholz dazwischen und fährt noch einmal über das Marzipan, hektisch und mit viel Kraft. Ab und zu stöhnt sie sogar ein wenig. Corina steht mit großen Augen daneben.

Eine halbe Stunde vor Schluss sind Jürgen Prusseit und seine Frau Veronika mit den drei Rezepten auf ihrer Liste schon längst fertig. "Wir sind die Streberfraktion", sagt er. Also haben die beiden ein viertes Projekt angefangen, Apfelbrot. Die Masse ist schon in kleine Muffin-Förmchen gefüllt. Prusseit legt auf jeden Muffin eine rote Cocktailkirsche. Nach der letzten schnappt er die Form und eilt zum Herd. Dann bastelt er Tüten aus Alufolie.

Ist der Stress beim Backen höher, wenn andere dabei sind? Alle verneinen das. Vielleicht liegt das auch daran, dass alle zwölf Teilnehmer Routine in der Küche haben. Die Italienerin Valentina Petti hat gemeinsam mit ihrer Freundin an diesem Tag schon acht Stunden gebacken und 500 Plätzchen für einen Weihnachtsmarkt produziert. Doch der Kurs ist ihr nicht zu viel. "Das ist so eine gute Occasion Neues zu lernen", sagt sie.

Nur bei einem Back-Paar läuft nicht alles ganz rund. Matthias Schran und Julia Priese wurden zusammengewürfelt, sie kennen sich nicht. Eigentlich hätten sie Nugat-Ingwer-Stangen backen sollen. Aber der Ingwer war schon alle und der Teig zu flüssig. Und deshalb gibt es keine Plätzchen, sondern einen Kuchen. Schlimm? "Ach nein, wir haben improvisiert", sagt Priese. "Ich koche eigentlich nie nach Rezept." Zehn Minuten vor Schluss wird es für die zwei doch hektisch. Auf ihren Kuchen muss eine Glasur, abgespült werden muss auch noch. Und alle anderen sind schon fertig.

Um 21.10 Uhr kommen alle zur Bestandsaufnahme zusammen. Auf dem Tisch liegen 15 verschiedene Plätzchensorten: Vanille-Mürbchen, Pralinen-Zipfel, Lebkuchen-Lollis. Corina macht ein Foto. Prusseit hält seine Tüte bereit. Schran schneidet seinen Plätzchenkuchen. Und Doris sagt: "Also dieses Marzipan-Rollen war ja so was von schweißtreibend."

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