KritikAnkunft des Herrn

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Alle sechs Kantaten von Bachs Weihnachtsoratorium in der Isarphilharmonie.

Von Klaus Kalchschmid

Alle sechs Kantaten des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach an einem Abend aufzuführen, hat seinen besonderen Reiz, wölbt sich da doch ein Bogen vom Heiligen Abend bis zu Heilig Dreikönig. Und mit der Brücke vom ersten Choral ("Wie soll ich dich empfangen?") auf die Melodie von "Oh Haupt voll Blut und Wunden" bis zum Auftritt von Herodes am Ende wird auch schon die Passion Christi angedeutet. In der (fast) ausverkauften Isarphilharmonie boten Münchener Bach-Chor und Münchener Bach-Orchester unter Hansjörg Albrecht eine bestechend vitalen Aufführung, die barocke Theatralik mit ruhiger Kontemplation verband und sich immer schöner rundete, auch wenn am Ende die Tempi vor allem in den Chören fast zu flott waren.

Als erstes seien die Gesangs- und Instrumentalsolisten gewürdigt, die ihren vielfältigen Aufgaben so sicher und inspiriert gewachsen waren. Daniel Johannsen könnte man als lyrischen Charaktertenor bezeichnen, derart deutlich, manchmal fast aggressiv, prägte er jedes Wort als Evangelist, sang in den Arien aber auch bestechend klare Koloraturen. Chen Reiss war sein weibliches, gleichwohl etwas sanfteres, aber nicht minder klares Sopran-Pendant.

Ganz anders modulierte Catriona Morison ihre Alt-Arien mit schlanker, schöner Mezzo-Stimme; in der Wiederholung des ersten Teils der Da-capo-Arien setzte sie stilsicher und organisch feinste Verzierungen. Noch natürlicher, mit müheloser Höhe und ebenfalls sprechender Diktion: der noble junge Bariton Matthias Winckhler, eingesprungen für Konstantin Wolff.

Seinen Geigensoli gab Michael Friedrich eine wunderbar sanft-herbe Anmutung, Henrik Wiese (Flöte), Marie-Luise Modersohn (Oboe), Kaspar Reh (Fagott) und Hannes Läubin (Trompete) waren nicht minder exzellente Solisten. Und die beiden Chitarrone-Spieler Christoph Eglhuber und Axel Wolf verliehen dem Continuo von Cello und Kontrabass mal bukolische Wärme, mal fast scharfe Würze. Auch die übrigen Musiker, Mitglieder vieler Münchner Orchester, zielten jenseits des Originalklangs mit Erfolg auf ein historisch informiertes, schlankes Musizieren. Der Bach-Chor wurde im Lauf des Abends immer homogener, verband Klangschönheit immer selbstverständlicher mit überaus klarer Deklamation.

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