Klassik:Die schönsten Advents- und Weihnachtskonzerte in München 2024

Lesezeit: 5 Min.

Alle Jahre wieder? Keineswegs. Kein Ton gleicht dem anderen, wenn er bei den Advents- und Weihnachtskonzerten in München gesungen, geblasen oder gestrichen wird. (Foto: Imago)

Gesungen, geblasen, gestrichen: Auch jenseits von Bachs Weihnachtsoratorium ist das Münchner Angebot an klassischer Weihnachtsmusik groß. Eine Auswahl der Konzerte im Überblick.

Von Harald Eggebrecht

Wer glaubt, es sei ja mit den vier Adventssonntagen und dem Weihnachtsfest sowieso die unvermeidliche Wiederkehr des letztlich Immergleichen garantiert, der hat vielleicht noch immer nicht eingesehen, dass es im Leben und in der Musik keine Wiederholung geben kann: Kein Tag ist wie der andere, jeder Sonnenuntergang ist einmalig, jede Kerze brennt anders ab. Das gilt erst recht für die Musik, denn – abgesehen von Tonkonserven, wie sie CDs, Vinyl-Platten und sonstige Abspielvorrichtungen bereithalten – kein Ton gleicht dem anderen, wenn er im Hier und Jetzt angeschlagen, gesungen, geblasen oder gestrichen wird. Jedes Mal, wenn der Ton, jetzt hervorgebracht, erklingt, ist er neu und so noch nie da gewesen. Das lässt sich leicht aufs Große und Ganze übertragen: Heute ist heute und weder gestern noch morgen.

Aber selbstverständlich gibt es bei der weihnachtlichen Musik gewissermaßen unverzichtbare Evergreens: etwa das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach oder die Oper „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck oder das Ballett „Der Nussknacker“ von Peter Tschaikowsky.

Fixstern Bach

Mark Mast dirigiert in der Allerheiligen-Hofkirche Gesangssolisten, den Kammerchor und das Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie. (Foto: Bayerische Philharmonie )

Bachs Oratorium, eigentlich ein Zyklus aus sechs Kantaten, die einst auch in sechs Gottesdiensten nacheinander zwischen dem ersten Weihnachtsfeiertag 1734 und dem Epiphaniasfest 1735 uraufgeführt wurden, muss daher nicht unbedingt in seiner integralen Gestalt dargeboten werden. Dass der freudenvolle Jubelton, den Bach hier anschlägt, in allem mitschwingt und unmittelbar ansteckend wirkt, selbst wenn die Kirche oder das Podium nicht mit Stars gefüllt ist, gehört zum Mysterium von Bachs gleichsam unverletzbarer musikalischer Präsenz.

Diverse Ensembles spielen daher nicht das ganze Oratorium, sondern nur die ersten drei Kantaten, denen die sechste folgt. So etwa in der Allerheiligen-Hofkirche Gesangssolisten, der Kammerchor und das Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie unter Mark Mast (5. Dezember). Im Herkulessaal treten am 21. Dezember dann der Windsbacher Knabenchor und das Kammerorchester Basel unter Ludwig Böhme an, um Bachs Weihnachtsjubel in dieser Weise zu verkünden.

Im Herkulessaal treten der Windsbacher Knabenchor und das Kammerorchester Basel unter Ludwig Böhme an, um Bachs Weihnachtsjubel zu verkünden. (Foto: Matthias Merz/dpa)

Einen Tag später, am 22. Dezember versammelt sich in der Isarphilharmonie quasi die Heimmannschaft, nämlich der Münchner Bach-Chor und das Bach-Orchester unter Leitung von Johanna Soller, um mit Bach Weihnachten zu feiern. Am 22. Dezember gibt es in der Isarphilharmonie auch eine Aufführung der Kantaten I–III und VI als Weihnachtsaktion für bedürftige Seniorinnen und Senioren mit Solisten und dem Chor und Orchester des Bach Collegium München unter der Leitung von Christian Kabitz. Wer aber das ganze Oratorium, also alle sechs Kantaten hören will, der geht am 23. Dezember in die Isarphilharmonie, um die Solisten Christina Landshammer, Sopran; Patricia Nolz, Mezzosopran; Benjamin Bruns, Tenor; und Markus Eiche, Bass, zu hören zusammen mit der Audi-Jugendchorakademie und dem Orchester der Klangverwaltung unter Patrick Hahn.

Händels Auferstehung

Der Münchner Madrigalchor und seine Vokalsolisten präsentieren den Weihnachtsteil aus Händels „Messias“. (Foto: privat)

Wer nicht nur Bach erleben will, kann sich im Cuvilliés-Theater am 15. Dezember an Georg Friedrich Händel erfreuen, wenn der Münchner Madrigalchor mit Vokalsolisten unter der Leitung von Franz Brandl den Weihnachtsteil aus Händels „Messias“ präsentiert und dazu Gerhard Salz aus Stefan Zweigs Erzählung „Händels Auferstehung“ liest. Das ganze Händel-Oratorium „Der Messias“ bieten am 20. Dezember im Bürgerhaus Unterföhring Gesangssolisten, der Bach Kantaten Chor und das Barockorchester L’arpa festante unter Thomas Gropper.

Exotische Weihnacht

Wer es etwas außereuropäischer und exotischer haben will, der sollte am 15. Dezember ins Prinzregententheater ziehen und an der lateinamerikanischen Weihnacht der „Misa Criolla“ teilnehmen, jener ungemein erfolgreichen, mit folkloristischen Elementen angereicherten Sakralmusik, die der Argentinier Ariel Ramirez 1963/64 komponierte und die schon bald nach ihrer Uraufführung 1965 einen Siegeszug um die Welt antrat. Am selben Tag führt der Monteverdichor München unter Konrad von Abel, der einst Assistent von Sergiu Celibidache war, weihnachtliche Chorwerke europäischer Komponisten wie Benjamin Britten, Hugo Distler Francis Poulenc und anderen auf in der Kirche St. Jakob am Anger.

Knuspern mit Hänsel und Gretel

Die Knusperhexe beim Anschnitt einer Schwarzwälder-Kirschtorte? Wolfgang Albinger-Sperrhacke und Elbenita Kajtazi (Gretel) in Humperdincks Märchenoper an der Bayerischen Staatsoper. Im Hintergrund Emily Sierra als Hänsel. (Foto: Wilfried Hösl)

Der zweite Evergreen ist Humperdincks „Märchenspiel in drei Bildern“ „Hänsel und Gretel“, das er selbst ironisch unter Anspielung auf Richard Wagners „Parsifal“ ein „Kinderstubenweihfestspiel“ genannt hat. Es ist die vielleicht erfolgreichste Kinderoper überhaupt, die auch zu radikalen Inszenierungen und Deutungen Anlass geboten hat, die allerdings nun gar nichts märchenhaft Gemütliches mehr an sich hatten. Die Bayerische Staatsoper bringt „Hänsel und Gretel“ am 7. Dezember gleich zweimal um 11 Uhr und um 18 Uhr im Nationaltheater. Am 8. Dezember gibt’s dann noch eine Matinee-Vorstellung um 11 Uhr. Die Inszenierung von Richard Jones dirigiert Robert Jindra.

Ballettklassiker

Ein absoluter Weihnachtsklassiker ist das Ballett „Der Nussknacker“ im Prinzregententheater. (Foto: Münchenmusik)

Dem „Nussknacker“, unserem dritten Evergreen, kann man vom 20. Dezember bis zum 6. Januar 2025 im Prinzregententheater begegnen in einer Version des International Festival Ballet und Special Guests, bei der die Choreografie auch noch mit artistischen Einlagen angereichert wird. Die Musik zum Ballett läuft allerdings nicht live, sondern nur in einer Aufnahme. Allein der Entstehungsweg von E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Nussknacker und Mäusekönig“ über Alexandre Dumas’ französische Fassung dieser Feengeschichte hin zum Ballettlibretto von Marius Petipa zu Tschaikowskys Musik ist eine eigene Story.

Goldene Kehlen

Der Münchner Bach-Chor unter Johanna Soller veranstaltet einen Weihnachtsliederabend in der Jesuitenkirche St. Michael (hier ein Auftritt vor der Isarphilharmonie). (Foto: Sabine Finger)

Jenseits der Evergreens gibt es zahlreiche Weihnachtschorauftritte in verschiedenen Kirchen. Am 12. Dezember veranstaltet der Münchner Bach-Chor unter Johanna Soller einen Weihnachtsliederabend in der Jesuitenkirche St. Michael. Auch finden in diversen Kirchen etliche Orgelmusikkonzerte statt.

Und es gibt natürlich reine Instrumentalmusik, die auf Weihnachten zielt wie etwa Arcangelo Corellis Concerto grosso op. 6 Nr. 8 oder wie Antonio Vivaldis „Winter“ aus den „Vier Jahreszeiten“ längst zum Standardrepertoire weihnachtlicher Musik gehört. Natürlich existieren daneben eine Menge Mischungen aus beidem, Chor- und Instrumentalkonzert wie etwa am 8. Dezember, wenn das Barockorchester Capella München und der Lassus Chor München mit Solisten Bachs „Magnifikat“ aufführen, aber auch Vivaldis Konzert für zwei Trompeten spielen in der Allerheiligen-Hofkirche.

Musikalische Schlittenfahrt

Die grandiose Geigerin Julia Fischer hat die Kindersinfoniker gegründet, die in der Himmelfahrtskirche zu hören sein werden. (Foto: Uwe Arens)

Am 10. Dezember wird in der Isarphilharmonie zur „musikalischen Schlittenfahrt“ geladen. Die Münchner Symphoniker dirigiert Oliver Tardy bei Werken von Tschaikowsky, Emil Waldteufel, Engelbert Humperdinck und anderen. Am selben Abend gastiert im Prinzregententheater das grandiose Blechbläserensemble „German Brass“ auf seiner 50-Jahre-Jubiläumstour mit „It’s Christmas Time“. Nicht versäumen sollte man den Auftritt der Kindersinfoniker, die von der grandiosen Geigerin Julia Fischer gegründet wurden, in der Himmelfahrtskirche in Sendling am 13. Dezember. „Christmas for Strings“ heißt dieser Abend, an dem Musik von Haydn erklingen wird nebst der „Christmas Suite for Strings“ von Alec Rowley und anderes mehr. Die Leitung hat Johannes X. Schachtner. Gespannt sollte man sein, wenn ausgerechnet die Schlagzeugklasse der Münchner Musikhochschule in der Reaktorhalle ein Weihnachtskonzert ankündigt!

Buon natale aus Italien

Die Musici di Roma feiern die großen italienischen Barockmeister Vivaldi, Corelli und Francesco Geminiani im Cuvilliéstheater. (Foto: Corine Veysselier)

Wieder in St. Michael holen am 14. Dezember die Blechbläser des Staatsorchesters als „OpernBrass“ tief Luft für „Festliche und besinnliche Musik zum Advent und Weihnachten“. Vom 19. bis 21. Dezember gastiert ein seit Jahrzehnten hoch angesehenes Ensemble im Cuvilliéstheater: I Musici di Roma. Da werden sie gefeiert, die großen italienischen Barockmeister Antonio Vivaldi eben mit dem „Winter“, Arcangelo Corelli mit dem berühmten „Weihnachtskonzert“ oder Francesco Geminiani mit dem Concerto grosso op. 5 Nr. 12 „La Follia“.

Klänge der Familie Mozart

Manchmal hat man den Eindruck, dass sich die Ensembles gegenseitig aus den Sälen drängen, denn kaum sind die römischen Musiker aus dem Cuvilliéstheater ausgezogen, strömt die Hofkapelle München unter Leitung des Geigers Rüdiger Lotter ein und bietet am 22. und 23. Dezember ein „Weihnachten mit Familie Mozart“ an. Neben Wolfgang Amadés Ouvertüre zur Oper „La finta Giardina“ erklingt Leopold Mozarts G-Dur-Sinfonie „Neue Lambacher“ und, wieder von Wolfgang Amadé, das Andante cantabile aus Violinkonzert D-Dur KV 218 und anderes mehr.

Neue Weihnachtssounds

Im modernen, vielseitig einsetzbaren Konzertsaal im Bergson in Aubing gibt es einen besonderen Christmas-Abend mit Geschichten und Musik. (Foto: Bergson / Sebastian Reiter)

Manchen mag ein Übersättigungsgefühl überkommen bei all dem Barockgesinge, -geblase und -gestreiche, bei all der musikalischen Gemütlichkeit, der auch Bach, Haydn, Händel, Mozart und so fort ausgesetzt werden, von Tschaikowsky und Humperdinck gar nicht zu reden. Sucht man nach anderem, dann kann man sich ja ins neue Kulturzentrum Bergson flüchten, wo am 5. Dezember eine „Bergson’s Christmas“ angeboten wird mit Geschichten und Musik mit den Bergson Artists. Oder man macht sich am Nikolaustag auf in die Isarphilharmonie, um „The Sound of Christmas“ zu genießen, wie er aus Filmmusiken wie „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ oder „Der kleine Lord“ tönt. Es singen und spielen das Orchester Prague Royal Philharmonic und der Münchner Motettenchor unter der Leistung von Heiko Mathias Förster. Oder kann sich am 11. Dezember freuen, wenn Wayne Marshall das Münchner Rundfunkorchester dirigiert bei der „Swing Edition“ von Christmas Classics. Joan Faulkner wird dabei singen.

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