Süddeutsche Zeitung

Weihnachten:Aufreißen und wegwerfen, ganz ohne schlechtes Gewissen

Geschenkpapier ist oft alles andere als umweltfreundlich. Deshalb hat Sarah Kessler beschlossen, ihr eigenes herzustellen und zu verkaufen.

Von Linus Freymark

Plastikfasten, Zero-Waste-Bewegung - in Zeiten eines neu erwachten Umweltbewusstseins muss auch der Weihnachtsmann umdisponieren. Ein Schlitten ist zwar klimaneutral, aber was ist mit der Ladung, genauer gesagt, mit dem Papier, in das die Pakete eingewickelt sind?

Sarah Kessler sagt: Geschenkpapier ist in nicht geringem Maße umweltschädigend. Häufig werde das Papier chemisch gebleicht, und die verwendeten Farben seien giftig, erklärt die 29-Jährige. Vor zwei Jahren haben Kessler und ihr Mann deswegen eine Firma gegründet. Planet Paket stellt umweltfreundliches Geschenkpapier her. Und je länger man Kessler zuhört, desto deutlicher versteht man ihre Motivation. Und den Irrsinn des Verpackungsmülls um Weihnachten.

Kessler lässt ihr Geschenkpapier in einer Druckerei in Österreich herstellen, die mit einem Verfahren arbeitet, bei dem keine Abfälle entstehen, sondern alle Stoffe wiederverwertet werden. Die Farben sind ungiftig, verspricht Kessler, auf besonders umweltschädliche Gold- und Silberbeschichtungen wird verzichtet. 20 verschiedene Motive gibt es im Onlineshop und noch bis zum 29. Dezember am Stand auf dem Weihnachtsmarkt am Leonrodplatz. Manche von ihnen sind weihnachtlich, der Rest für andere Anlässe. Der große Bogen Geschenkpapier kostet bei Kessler sechs Euro, den kleinen gibt es für vier. Andere hochwertige Papiere seien auch nicht viel günstiger, sagt sie, und für umweltfreundliche Produkte zahle man oft etwa mehr. Einen Teil der Einnahmen spendet sie an das Kinderhospiz in München.

Warum aber soll man so viel Geld für etwas bezahlen, das man kurz aufreißt und direkt danach entsorgt? Geschenkpapier sei ein Wegwerfprodukt, gibt Sarah Kessler zu. Aber genau deshalb sei es wichtig, dass es die Umwelt nicht belaste. Zudem falle diese Form des Umweltschutzes leichter als andere, das Geschenkpapier stelle je keine Einschränkungen des Lebensstils dar. Man muss es sich halt leisten können.

Fünf Angestellte auf Minijobbasis haben Kessler und ihr Mann, in der Vorweihnachtszeit brummt das Geschäft. Ihre Firma wird immer bekannter, Anfang Dezember kamen so viele Bestellungen wie in den gesamten zwei Jahren zuvor. Die Logistik von Kesslers Firma ist in ihrem Elternhaus, das gerade umgebaut wird und sich deshalb im Zustand eines Rohbaus befindet. Später zieht Kessler mit ihrem Mann und ihrem Sohn dort ein, doch noch stapeln sich die Kartons mit den Geschenkpapierrollen im Haus, manchmal kleben Kessler und ihre Kollegen bis Mitternacht Adressen auf die mit Zeitungen ausgepolsterten Kartons.

Im Keller lagert derweil das Geschenkpapier. Neulich hat ihr Mann gefragt, was sie dem einjährigen Sohn später mal sagen sollen, wenn er fragt, warum da so viel Geschenkpapier steht, wo die Geschenke doch der Weihnachtsmann bringt. Kessler überlegt noch, was sie darauf antworten soll. Ein bisschen Zeit hat sie ja noch, bis die Frage auftauchen wird.

26 Stunden pro Woche arbeitet Sarah Kessler als Doktorandin an der Universität, die restliche Zeit in ihrer Firma. Ihre Doktorarbeit in Geografie schreibt sie über Umweltschutz. Gleichzeitig habe sie sich aber schon immer selbständig machen wollen. Deshalb suchte sie nach einer Nische für eine Firma, die umweltfreundliche Produkte herstellt. Dabei stieß sie auf das Geschenkpapier, im November 2016 ging ihr Internetshop online.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2018/less/sim
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