Süddeutsche Zeitung

Weihnachten:Ein Muslim als Nikolaus

Raeid Meri verteilt in München kleine Schoko-Nikoläuse und spielt eine christliche Symbolfigur. Warum?

Von Gerhard Fischer

Raeid Meri ist Muslim. Und er ist ein Nikolaus. Bis zum 24. Dezember verteilt er in der Hofstatt in München kleine Schoko-Nikoläuse. Der 44-Jährige ist Marketingexperte, Erlebnispädagoge und interkultureller Coach. Meri ist in Bonn geboren und aufgewachsen - als Kind eines palästinensischen Paares, das aus dem Westjordanland nach Deutschland eingewandert ist.

SZ: Warum machen Sie das - als Muslim eine christliche Symbolfigur darzustellen?

Raeid Meri: Es geht um die Einladung zu wechselseitiger Toleranz. Ein Muslim als Nikolaus - das ist nicht nur für Christen gewöhnungsbedürftig. Wenn ich als Nikolaus Muslime mit Salam u Aleikum begrüße, ist das auch für sie eigenartig. Aber sie müssen sehen, dass Toleranz nicht nur in eine Richtung geht. Außerdem will ich zeigen, dass Verschiedenartigkeit eine Einladung zu persönlichem Wachstum und zur Wertschätzung ist. Es ist ein Geschenk.

Ihre Idee hat sicher etwas damit zu tun, dass viele Flüchtlinge und damit viele Muslime nach Deutschland gekommen sind.

Klar. Ich will die Menschen auffordern, mit offenen Armen aufeinander zuzugehen und zu kommunizieren. Ich habe schon viel in der Flüchtlingshilfe getan. 2015 war ich an der syrisch-jordanischen Grenze und habe Flüchtlingen, die lange in Camps waren, dabei geholfen, sich in die Gesellschaft einzugliedern.

Wie sind denn die Reaktionen darauf, dass ein Muslim als Nikolaus verkleidet ist?

Fast alle sind positiv. Am besten ist das Leuchten in den Augen der Mädchen und Jungen. Kinder machen ja keine Unterschiede, sie sehen nur den weißen Bart und die Augen und spüren, dass es etwas Gutes ist. Neulich sind drei Kinder eine halbe Stunde bei mir geblieben, während die Eltern im Café saßen.

Und die Erwachsenen?

Ich habe jeden Tag Dutzende von Erlebnissen mit Menschen aus der ganzen Welt. Australier und Amerikaner kommen vorbei, aber auch Japaner und Europäer sowieso. Viele machen ein Foto. Fast alle finden gut, was ich da mache.

Und jene, die es nicht gut finden?

Zu einem älteren Mann habe ich mal "Guten Morgen" gesagt, und er antwortete: "Hier sagt man Grüß Gott". Und eine ältere Dame fragte mich, was ich hier täte. Als ich antwortete, ich würde Schokolade an Kinder verteilen, sagte sie, ich hätte hier nichts zu suchen.

Sind Sie mit den beiden ins Gespräch gekommen?

Nein, keine Chance, die gingen gleich weiter.

Und wie reagieren die Muslime, die Sie da als Nikolaus sehen?

Hier ums Eck ist eine kleine Moschee, wo die Muslime zum Beten reingehen. Sie kommen dann bei mir vorbei. Die meisten sind erst irritiert, aber dann ist alles gut.

Sie arbeiten hier für die Hofstatt?

Ja, ein Kumpel von mir hatte das schon zweimal gemacht und den Kontakt hergestellt. Ich war früher unter anderem Manager bei der Telekom und habe große Projekte verantwortet. Aber dann bin ich ausgestiegen und habe fünf Jahre lang eine Weltreise gemacht. Ich will heute Dinge tun, die mich erfüllen. Gandhi sagte: Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt.

Sie leben in Bonn, warum sind Sie als Nikolaus ausgerechnet nach München gekommen?

München ist eine traditionsbewusste Stadt, auch was Nikolaus und Weihnachten angeht. Und ich finde, Bayern ist etwas steifer als Nordrhein-Westfalen, dort wäre ich als dunkler Nikolaus vielleicht gar nicht aufgefallen.

Was machen Sie am 24. Dezember? Muslime feiern ja kein Weihnachten.

Ich fahre nach Bonn zurück und feiere mit einer christlichen Familie Weihnachten. Ich versuche, diese Feste zu leben - das gehört für mich zur Integration dazu.

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Quelle:
SZ vom 20.12.2016/jey
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