Süddeutsche Zeitung

Web-Site bewertet Arztleistungen:Noten für Herrn Doktor

Münchner Kreative haben 300.000 Adressen von Heilberuflern ins Netz gesetzt, damit Patienten sie bewerten. Die Ärztekammer warnt vor Rufmord.

Karl Forster

Eine Münchner Internet-Unternehmen hat eine Website gestartet, auf der bundesweit fast 300.000 Ärzte und Heilberufler mit Adressen und nach Disziplinen gelistet sind. Hier können Patienten gezielt nach Fachärzten in der Nähe suchen ihren Arzt auch bewerten. Dieser wiederum kann sich mit einer eigenen Seite präsentieren.

Sie heißen "checkthedoc.de", "helpster.de" oder "arzt-preisvergleich.de" und seit vergangenen Mittwoch nun also auch "www.jameda.de": Das sind Webauftritte, in denen Patienten sich nicht nur über die nächstgelegenen jeweiligen Fachärzte informieren, sondern nach der jeweiligen Behandlung auch ein Urteil über selbige abliefern können. "Jameda.de" ist das jüngste Gewächs dieser Art im Internetdschungel. Es wurde in einem Kreativen-Büro in der Münchner Klenzestraße 57 b, einem ansprechenden Rückgebäude, entworfen und gelauncht. Und die Gesellschafter der GmbH sagen natürlich, dass ihre Seite die beste sei in diesem Genre.

Gelistet sind hier, getrennt nach medizinischen Disziplinen, bundesweit 172.000 Ärzte und 125.000 Vertreter diverser Heilberufe, von der Hebamme bis zum Tierheilpraktiker; darüber wurde eine Google-Karte mit Pfeilchen für die entsprechenden Adressen gelegt, der Auftritt ist insgesamt recht userfreundlich. Und dass man sich erst - kostenfrei - mit E-Mail-Adresse und Password registrieren lassen muss, wenn man eine Bewertung abgeben will, wird als Alleinstellungsmerkmal der Seite gepriesen.

Ist dann der Patient für die Bewertung freigeschaltet, kann er in fünf Bereichen und jeweils vier Stufen von sehr positiv bis negativ Noten anklicken. Dass allerdings die vierte Frage, "wie lange mussten Sie warten", nur die Kategorien "15, 30, 45 Minuten oder länger" anbietet, zeugt von mangelhafter Kenntnis der Zustände in den meisten Münchner Praxen.

Natürlich rührt solch Patientengehabe am Selbstverständnis manchen Arztes. So leidet auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayern offensichtlich ein wenig an Bauchweh angesichts Jameda & Co. "Wir haben selbst eine Website mit all unseren Ärzten", sagt KVB-Sprecher Martin Eulitz, doch auf ein Bewertungssystem durch Patienten verzichtet die Organisation, die unter anderem für die Abrechnung der niedergelassenen Ärzte verantwortlich ist.

"Emotional und wenig kenntnisreich"

Zum einen sei, so Eulitz, die Bewertung durch Patienten doch sehr emotional und oft wenig kenntnisreich, was das Medizinische angeht, zum anderen sei, wie überall, die Möglichkeit des Missbrauchs nicht auszuschließen, indem zum Beispiel ein Kollege dem anderen durch entsprechende Animation seiner Klientel eins auswischen könnte.

"Ja, ganz gefeit ist man vor sowas nie", sagt auch Markus Reich, einer der Geschäftsführer bei "Jameda" und fürs Marketing verantwortlich. Aber man habe hier jede Menge Sicherheitsstufen eingebaut. So könne ein Patient denselben Arzt nur einmal innerhalb eines bestimmten Zeitlimits bewerten und auch insgesamt nur eine begrenzte Zahl Bewertungen abgeben. Auch würden Bewertungsverläufe und -häufigkeiten beobachtet, um etwaige Anomalien zu erkennen.

Hier setzt auch die einzige Kritik der bayerischen Landesärztekammer an, die das Thema Ärztebewertung sonst "ziemlich relaxed" sieht. "Im Falle einer Negativ-Bewertung sollte der Arzt darüber informiert werden und die Chance zur Stellungnahme haben", fordert Sprecherin Dagmar Nedbal. "Sonst ist die Gefahr des Rufmords zu groß." Noch hat man bei "Jameda" diese Möglichkeit nicht installiert, denke aber "positiv darüber nach". Schließlich wolle man ja, so Marketing-Chef Reif, "mit der Ärzteschaft kooperieren". Diese Seite diene nicht dazu, dass Patienten Ärzten schaden, sondern vor allem der Transparenz.

Um das eigentliche Ziel zu erreichen, mit der Seite auch Geld zu verdienen, bauen die Jamedaner auf zwei Säulen: So bietet der Web-Auftritt den Ärzten einen Premium-Eintrag für 99,60 Euro pro Jahr, also unter anderem eine eigene Website, auf der sich der Arzt präsentieren und die er selbst aktualisieren kann.

Zum anderen hätten, sagt Markus Reif, schon nach knapp einer Woche im Netz Arzneimittelhersteller angerufen, um die Möglichkeit der Werbung auf der Jameda-Seite abzufragen. Das "Ja" von Jameda übrigens solle, so die Erfinder der Netzseite, "das Positive im Leben darstellen". Wenn man zum Arzt geht, kann positives Denken meist nicht schaden.

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