Urteil:Münchner schießt sich Wattestäbchen ins Hirn

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Wattestäbchen: sonst schon nicht sehr gesund, gefährlich aber, wenn man sie sich in den Kopf schießt. (Foto: imago/JuNiArt)
  • Ein Münchner spielt mit einem Revolver Russisches Roulette und schießt sich dabei ein Wattestäbchen in den Kopf.
  • Vom Amtsgericht wird er dafür wegen unerlaubten Waffenbesitzes verurteilt.

Aus dem Gericht von Andreas Salch

Normalerweise ist derjenige tot, der beim Russischen Roulette verliert. Nicht so jedoch ein 34-jähriger drogenabhängiger Münchner. Er überlebte schwer verletzt, weil das Projektil, das er sich in den Kopf schoss, nicht von einer scharfen Patrone stammte: Es handelte sich um ein halbes Wattestäbchen.

Der Mann hat inzwischen einen Antrag auf Schwerbehinderung gestellt. Die Aussicht auf Anerkennung ist angeblich nicht schlecht. Das Wattestäbchen durchschlug die Schädeldecke und drang zwei Millimeter tief ins Gehirn ein. Doch damit nicht genug: Der Münchner musste sich in dieser skurrilen Angelegenheit nun auch noch vor dem Amtsgericht München verantworten - und wurde verurteilt. Für den Revolver besaß er nämlich keine Legitimation. Wegen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Führen einer Schusswaffe wurde er zu einer Geldstrafe in Höhe von 1800 Euro verurteilt.

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Von Martin Wittmann, SZ-Magazin

Es hätte noch schlimmer kommen können: Wie das Gericht mitteilte, habe es nur deshalb keine noch härtere Strafe verhängt, weil der Angeklagte durch den Unfall allein schon "schwer getroffen" sei. Bei seiner Vernehmung räumte der 34-Jährige freimütig ein, dass er keine Erlaubnis für den Besitz des Revolvers, Kaliber vier Millimeter, gehabt habe. Die Waffe habe er in einer Mülltonne gefunden, sie sei sogar geladen gewesen. Mit einem Freund habe er die Kammer des Revolvers geleert und anschließend statt eines Projektils ein halbes Wattestäbchen hineingesteckt. Und schon ging es los. Er und sein Freund hätten Russisch Roulette gespielt. Mal habe sein Freund, mal er die Waffe in die Hand genommen, so der 34-Jährige. Beide hätten jeweils an der Trommel gedreht, sich den Revolver an den Kopf gehalten, aber nicht abgedrückt. Stattdessen hätten sie jedes mal nachgesehen, ob das halbe Wattestäbchen abgefeuert worden wäre. So ging das eine Weile. Nach einer Stunde hatte der Freund des Münchners genug und ging. Doch der Angeklagte machte weiter. Er habe nachgesehen, an welcher Stelle sich das scheinbar weiche Geschoss gerade befand. Er sah es in einer Kammer neben dem Lauf. Kann also nichts passieren, habe er sich gedacht, so der 34-Jährige, und diesmal tatsächlich den Abzug betätigt. Denn er sei überzeugt gewesen, der "Schuss" werde sich nicht lösen. Doch das war der Fall. Der Roulette-Spieler hatte irrtümlich geglaubt, die Trommel seines Revolvers würde sich in die andere Richtung drehen. Es habe nur "Pump" gemacht, sagte der Angeklagte - dann durchschlug das Wattestäbchen die Schädeldecke. Wie das passieren konnte, ist unklar. Nähere Angaben zur Art der Waffe machte das Gericht nicht, der bloße Kontakt mit dem Schlagbolzen kann ein Geschoss eigentlich nicht so stark beschleunigen. Der Mann jedenfalls kam ins Krankenhaus, wo ihm eine Titanschiene implantiert wurde. Er leidet bis heute an Schwindelattacken. Die Klinik hatte er auf eigenen Wunsch vorzeitig verlassen und dies damit begründet, dass er zur Drogensubstitution müsse. Der Unfall sei ihm eine Lehre gewesen. Drogen konsumiere er inzwischen nicht mehr.

© SZ vom 25.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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