Endlich wieder längerfristig planen. Oder einfach spontan sein. Die Wiederöffnung der Clubs bedeutet mehr als den geretteten Samstagabend. Ein bisschen fühlt es sich durch diese neue, alte Freiheit auch so an, als könne man schon bald noch viel mehr unternehmen. So richtig. Und bis dahin zumindest ernsthaft darauf hoffen, dass Konzerte nicht noch einmal verschoben werden. Oder sich auf Festivals freuen, die nicht mehr als Streaming-Event stattfinden. Die Bandbreite an Veranstaltungen und Möglichkeiten kann aber auch überfordernd wirken. "Fear of missing out" sagt man im Englischen zu der Angst, soziale Ereignisse zu verpassen. Wer durch die Pandemie aber tatsächlich etwas verpasst hat und ernsthaft einstecken musste, sind die Kulturschaffenden: Künstler und Veranstalter, die einen Berufsalltag, ein geregeltes Einkommen und Chancen, ihre Leidenschaft auszuüben, missen mussten.
Einer von ihnen - sowohl Künstler als auch Veranstalter - ist Achim Seger alias Waseem. Gerade stehen bei ihm wieder mehrere Projekte auf dem Plan, was für den Tausendsassa mit ägyptischen Wurzeln aber eigentlich gang und gäbe ist: Der 36-jährige Münchner ist Rapper, Poetry-Slammer, DJ, Aktivist, im Bundesvorstand der Hip-Hop-Partei "Die Urbanen" und Veranstalter diverser sozialer und kultureller Projekte. Unter anderem vom Ausarten-Festival, das seit vergangenem Freitag zum sechsten Mal stattfindet. Initiiert vom Münchner Forum für Islam möchte man während der drei Festivalwochenenden durch Kunst einen Dialog schaffen. Dabei reichen die Themen von Spiritualität über Feminismus bis hin zu Rassismus und Antisemitismus. In "Safe(r) Spaces" etwa, wo sich von Diskriminierung betroffene Menschen über ihre Erfahrungen austauschen und gegenseitig ermutigen können. Organisatoren wie Waseem geht es darum, einen Perspektivwechsel und Akzeptanz zu schaffen, für ein solidarisches Miteinander. Bis zum 17. Oktober kann das interkulturelle Festival, das sich selbst als Forum einer postmigrantischen Stadt sieht, noch besucht werden.
Nur wenig später wird Waseem dann wieder selbst auf der Bühne stehen: als Rapper beim "Sound Of Munich Now 2021" von Süddeutscher Zeitung und Feierwerk. Wie im vergangenen Jahr findet das Festival für und mit Münchner Newcomern aber noch nicht live statt, sondern unter dem Konzept "20 Tage, 20 Bands": Jeder Tag wird einem der Acts gewidmet, und deren Auftritt gefilmt und auf die Website hochgeladen. Waseem, der bereits mit Hip-Hop-Größen wie dem US-amerikanischen Rapper R.A. The Rugged Man performte, tritt beim "Sound Of Munich Now" mit Dr. Love an der Trompete und CCJ am Schlagzeug auf. Dabei behandelt er Probleme wie strukturellen Rassismus auf kritisch-poetische Art. Musikalisch klingt das nach groovigem Oldschool-Rap, textlich nach Zukunft. Einer optimistischen, solidarischen und bunten Zukunft.
Ausarten-Festival: noch bis 17. Oktober jedes Wochenende, Infos unter ausarten.org ; Sound Of Munich Now: ab 1. November, Infos unter soundofmunichnow.de