Was wird aus dem Olympiastadion?:Mit Wein, Sport und Gesang in die Zukunft

Mit Eventveranstaltungen, Leichtathletik und Open-air-Musik soll das Münchner Wahrzeichens auch ohne Fußball attraktiv bleiben. Wilfrid Spronk über das Olympiastadion ohne Bundesliga.

Interview: Tanja Rest

Von Ostersamstag an sind es noch exakt 50 Tage, dann hat das Olympiastadion in seiner Funktion als Treffpunkt der Fußballfans ausgedient. Wenn der FC Bayern an diesem Tag den Club aus Nürnberg empfängt, geht also eine Ära zu Ende. Wilfrid Spronk ist als Geschäftsführer der Olympiapark GmbH dafür verantwortlich, dass das Leben in und ums Stadion weitergeht. Ein Gespräch über die Zeit danach.

Was wird aus dem Olympiastadion?: Volles Haus erhofft die Olympiapark GmbH für das Stadion, wie hier beim Konzert von Bon Jovi.

Volles Haus erhofft die Olympiapark GmbH für das Stadion, wie hier beim Konzert von Bon Jovi.

(Foto: Foto: ddp)

SZ: 14. Mai 2005, 17.15 Uhr - was fällt Ihnen dazu ein? Spronk: Der Abpfiff des letzten Heimspiels des FC Bayern hier im Olympiastadion. Damit geht eine wichtige Ära im Olympiapark zu Ende. Aber deshalb wird sich hier nicht schlagartig alles ändern.

SZ: Sie verlieren an diesem Tag 1,7 Millionen Zuschauer und vier bis fünf Millionen Euro pro Jahr. Wie wollen Sie das wieder wett machen? Spronk: "Wett machen" ist das falsche Wort. Der Fußball ist für den Olympiapark nicht ersetzbar, darauf haben wir schon immer hingewiesen.

SZ: Dennoch stehen Sie vor einer gewaltigen Aufgabe. Spronk: Richtig. Die Herausforderung ist womöglich noch größer als nach Olympia '72, denn damals waren die Erwartungen nicht so hoch wie heute. Der Olympiapark München - das haben sowohl der ehemalige als auch der jetzige IOC-Präsident gesagt - ist der weltweit am erfolgreichsten genutzte Olympiapark überhaupt. Schauen Sie sich Athen oder Sydney heute an: Da passiert gar nichts mehr. Der Münchner Park lebt, und er wird auch weiter leben. Unser Ziel ist es, einen Teil der Lücke zu füllen, die der Fußball hinterlassen wird.

SZ: Wie wollen Sie das hinkriegen? Spronk: Das laufende Jahr zeigt es doch bereits: Direkt nach dem Auszug des Fußballs beginnen wir erstmals mit einem Open-air-Kino mit Europas größter Leinwand. Es schließt sich mit der Weinwelt München eine Weltpremiere an - schon jetzt fragen andere Stadien bei uns an, ob wir das bei ihnen auch veranstalten können. Ende Juni kommt "Turandot", die größte Opern-Inszenierung aller Zeiten. Es folgt das Open Air von U2, für September stehen wir kurz vor Abschluss einer Europa-Premiere, dem großen chinesischen Mondfest. Das Jahr endet mit dem Snowboard-Kult-Event Air & Style und der Winterwelt für die Münchner Bevölkerung. Für 2006 gibt es bereits Anfragen für drei große Open Airs. Und mit der Fußball-WM wird der komplette Fan-Park über 30 Tage hier gastieren.

SZ: Ein Programm der Superlative: die größte Leinwand, die größte Oper, die größte Weinprobe der Welt. Schön und gut - aber wo ist das überwölbende Konzept? Spronk: Wir sprechen jetzt erstmal nur über Veranstaltungen. Und da müssen Sie unterscheiden: Der Air & Style beispielsweise ist eine reine Vermittlungsgeschichte, da kassieren wir nur Miete. "Turandot" ist ein Koproduktion. Die Weinwelt ist eine eigene Geschichte, und man kann jetzt schon sagen, dass sie etwas abwerfen wird. Und was die Superlative angeht: Der Olympiapark ist ein Superlativ! Schauen Sie sich allein die Dimensionen an! Die Erfahrung hat gezeigt, dass wir hier nicht mit Durchschnittskost aufwarten können.

Mit Wein, Sport und Gesang in die Zukunft

SZ: Trotzdem, wo ist die Kontinuität? Spronk: Die Kontinuität findet sich in den Veranstaltungen wieder. Rund 300 werden es pro Jahr sein. Denken Sie nur an die Konzerte und Shows in der Olympiahalle. Wir haben mit riesigem Erfolg kleine, aber touristisch interessante Neuerungen wie die Zeltdach-Tour etabliert, mit der wir nun einen guten sechsstelligen Gewinn machen. Der Stadtrat hat vergangene Woche "Sealife" beschlossen - am Wochenende vor Ostern 2006 wird das eröffnet. Es laufen derzeit Gespräche mit einem Investor, der in der Stadion-Nordkurve unterm Zeltdach bis spätestens Frühjahr 2006 eine Kletter-Erlebniswelt realisieren will. Im Bereich der Tennisplätze wird wahrscheinlich ein Hochseilgarten entstehen.

SZ: Wie sieht es mit dem Leistungssport aus? Spronk: Ab 2007 wird der Langlauf-Weltcup hier gastieren. Außerdem sind wir gerade wieder in einem Bewerbungsprozess um ein Europacup-Finale in der Leichtathletik - ich könnte mir vorstellen für 2007. Wir sind im Gespräch mit Dieter Baumann, der eine Serie von Laufkursen anbieten will. Und wir verhandeln mit der National Football League, ob hier ab 2007 ein NFL-Team spielen wird.

SZ: Für das Radstadion wiederum gibt es andere Pläne... Spronk: Da betreiben wir im Moment mit großem Erfolg die Event-Arena. Aber es stimmt, dort sind für die Zukunft auch parallele Nutzungen im Gespräch. Mit den Investoren ist momentan aber noch Stillschweigen vereinbart. Das Projekt ist auf einem guten Weg, und wenn das 2007 zum Tragen kommt, wird ein völlig neues Element hinzu kommen. SZ: Sie meinen ein mögliches Musical-Theater, betrieben von der Hamburger Stage Holding. Spronk: Das ist nicht ausgeschlossen. Aber dazu kann ich nichts sagen.

SZ: Wie viele der erstmal fehlenden 1,7 Millionen Zuschauer hoffen Sie mit Ihrem erweiterten Angebot in den Park zurück zu holen? Spronk: Zunächst mal: Wir haben in den letzten Jahren immer mehr als fünf Millionen registrierte Besucher im Park gehabt - das sind allein die Käufer von Eintrittskarten. Da sehen Sie, dass der Park eben nicht nur Fußball ist. Es werden sicher einige hunderttausend Menschen durch die jetzt zusätzlich geplanten Veranstaltungen in den Park gelockt. Wenn Sie Sealife dazu nehmen, sind wir insgesamt bei etwa 900000 Menschen. Ich gehe davon aus, dass wir diese 1,7 Millionen Zuschauer in einem überschaubaren Zeitraum mal egalisieren werden.

SZ: Die vier bis fünf Millionen Euro, die der Fußball bisher eingebracht hat... Spronk: Die werden wir nie wieder reinkriegen! Wer das verlangt oder behauptet, der kennt sich in der Szene überhaupt nicht aus. Wir haben hier ein Stadion mit 60.000 Plätzen. Großveranstaltungen, die diesen Rahmen füllen können, gibt es nicht sehr viele - und die müssen Sie erstmal kriegen! Zwei bis drei Open Airs pro Jahr sind das Optimum. Mehr gibt der Markt nicht her. Deshalb sind wir doch selbst kreativ geworden, und darauf sind wir stolz.

Mit Wein, Sport und Gesang in die Zukunft

SZ: Wie viel werden Sie in den nächsten Jahren in die Anlage investieren müssen? Spronk: Rund 50Millionen Euro, voraussichtlich - für Umbau und Sanierung bis circa 2010.

SZ: Die Stadt wird in allein diesem Jahr rund neun Millionen zuschießen. Spronk: Im reinen Veranstaltungs-Geschäft schreiben wir schwarze Zahlen. Aber durch Unterhaltsmaßnahmen und die Parkpflege ergibt sich ein Defizit.

SZ: Hat die Stadt ein Limit festgelegt, wie viel zu zahlen sie maximal bereit ist? Spronk: Nein. Als hundertprozentige Tochter der Stadt haben wir einen Vertrag, der vorsieht, dass das jährliche Defizit ausgeglichen wird. Und man kann uns als Gesellschaft ja nicht den Fußball wegnehmen und gleichzeitig verlangen, dass wir genau so viel erwirtschaften wie bisher. Wenn man nicht bereit ist, mehr als eine bestimmte Summe auszugeben, muss man eben einen Teil des Parks schließen. Davon abgesehen bin ich zuversichtlich, dass es uns innerhalb von drei Jahren gelingen wird, gut 50 Prozent von dem wieder einzuspielen, was uns durch den Fußball verloren geht.

SZ: Im Olympiapark arbeiten rund 200 Menschen. Werden Sie die alle halten können? Spronk: Der Weggang des Fußballs wirkt sich auf unser Personal überhaupt nicht aus. Die größte Personal-Crew, die für den Fußball nötig ist, sind die so genannten Rasenpäpste. Die werden wir verstärkt im Park einsetzen. Wenn jemand aus Altersgründen ausscheidet, wird die Stelle nicht wieder besetzt; das ist seit vielen Jahren so. Aber Entlassungen wird es keine geben.

SZ: Auch wenn Sie das nicht so verstanden wissen wollen: Der 14. Mai markiert ein neue Ära. Man erwartet viel von Ihnen. Fühlen Sie sich unter Druck? Spronk: Nein. Meine Aufgabe ist es, deutlich zu machen, dass hier nicht die Rollläden runtergehen oder - was eine viel größere Sorge bestimmter Bevölkerungskreise ist - dass wir hier plötzlich Disneyland hochziehen. Können wir nicht. Wollen wir auch gar nicht! Es tut nur manchmal weh, dass wirtschaftlich attraktive Ideen wie etwa die Seebühne am Urheberrecht der Architekten scheitern. Aber deshalb stecken wir den Kopf nicht in den Sand.

SZ: Wie gefällt Ihnen übrigens das neue Zuhause des Münchner Fußballs? Spronk: Das ist ein Eyecatcher, der seine Außenwirkung nicht verfehlen wird. Wie es sich dann in der Praxis bewährt, muss man sehen.

SZ: Das klingt aber nicht sehr enthusiastisch. Ärgern Sie sich noch über den Auszug des Fußballs? Spronk: Wir haben uns maßlos geärgert über die Behnische Blockadepolitik. Das hat richtig weh getan. Aber das ist abgeschlossen. Was jetzt von uns verlangt wird, ist so etwas die Quadratur des Kreises. Wir haben das Urheberrecht der Architekten, das besagt: Möglichst nichts verändern. Wir haben Leute, die sagen: Endlich ist der Fußball weg, wir wollen nur den Park und unsere Ruhe, unser "Olympiapark-Museum". Und wir haben wieder andere Leute, die sagen: Nun macht, macht, macht! Und in diesem Spannungsfeld bewegen wir uns.

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