Diskussion um Altersvorsorge:Wenn die Zuschussrente nicht zum Leben reicht

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850 Euro sollen Senioren mit der Zuschussrente bekommen, so will es Ursula von der Leyens Konzept. Doch reicht das zum Leben? Nicht überall. In Großstädten mit hohen Mieten könnte die Rechnung der Sozialministerin nicht aufgehen - wie das Beispiel München zeigt.

Sven Loerzer

Armut im Alter? Das war bis vor kurzem kein Thema für die Politik. Als das Münchner Sozialreferat vor einigen Jahren begann, darauf hinzuweisen, dass die Altersarmut erheblich im Steigen begriffen ist, hieß es aus Berlin: Mag schon sein, tatsächlich aber nur auf niedrigem Niveau. Bundesweit brauchen inzwischen 2,5 Prozent der Menschen im Rentenalter staatliche Unterstützung, das ist immer noch verhältnismäßig wenig.

In München würde die Zuschussrente zum Leben nicht reichen. (Foto: dpa)

In Großstädten wie München aber liegt der Anteil schon längst höher und steigt immer weiter: Waren in München 2007 erst 3,9 Prozent der über 65-Jährigen auf Grundsicherung im Alter angewiesen, weil ihre Rente nicht zum Leben reicht, stieg die Quote im vergangenen Jahr auf 4,6 Prozent. In Hamburg liegt sie schon bei 5,2 Prozent, in Köln sind es 5,7 Prozent und in Frankfurt sogar 6,5 Prozent.

Vor allem in Großstädten mit hohen Mieten kommen Menschen mit kleinen Renten nicht mehr ohne staatliche Hilfe über die Runden. In ostdeutschen Großstädten benötigen weniger Menschen Grundsicherung - in Dresden etwa gerade einmal 1,4 Prozent der über 65-Jährigen. Das liegt nicht nur daran, dass dort mehr Frauen länger erwerbstätig gewesen sind, sondern auch an den günstigen Mieten.

Rund 12.000 Münchner sind auf Grundsicherung im Alter vom Sozialamt angewiesen, 4600 davon sind Ausländer. Immer mehr Menschen werden in Zukunft im Alter zusätzlich zur Rente Sozialhilfe beantragen müssen. Das Amt für soziale Sicherung rechnet damit, dass die Zahl der Betroffenen bis Ende 2020 auf 23.000 steigt.

Rund 950 Euro müsste die Rente monatlich betragen, damit sich davon eine maximal 45 Quadratmeter große Wohnung mit durchschnittlicher Münchner Mietspiegelmiete einschließlich Nebenkosten und Lebensunterhalt auf Sozialhilfeniveau finanzieren lässt.

Besonders bei Frauen reicht die Rente häufig nicht, weil sie oft in schlecht bezahlten Jobs arbeiten. Angesichts des tatsächlichen Bedarfs würde auch die von Bundessozialministerin Ursula von der Leyen initiierte Zuschussrente, mit der Niedrigrenten unter nicht gerade leicht zu erfüllenden Bedingungen auf 850 Euro aufgestockt werden würden, in München jedenfalls nicht ausreichen.

Das Amt für soziale Sicherung hat aber schon vor längerer Zeit noch eine andere alarmierende Rechnung aufgemacht: Um sich eine Rentenanwartschaft von 950 Euro zu sichern, müsste ein Alleinstehender 45 Jahre Vollzeit arbeiten und 2025 Euro brutto im Monat verdienen. Mit einem Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro aber ist das nicht zu erreichen - er müsste schon mehr als elf Euro betragen, um vor Altersarmut zu schützen. Kommen dazu auch noch Phasen der Teilzeitarbeit, sieht es für das Alter ganz düster aus, wenn es sich nicht gerade um ein Spitzengehalt handelt.

So wird immer deutlicher: Die frühen Warnrufe aus München zur wachsenden Altersarmut waren keine Panikmache, sondern bittere Realität.

© SZ vom 07.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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