Warnstreiks in den Kindergärten:"Wir sind sozial, aber nicht blöd!"

Jetzt sind die Kindergärten dran: Etwa 3000 Erzieherinnen haben bei einem Warnstreik mehr Geld gefordert - und viele Eltern sind auf ihrer Seite.

Christa Eder

Der Tarifkonflikt im Öffentlichen Dienst verschärft sich. Nachdem bereits die Mitarbeiter der städtischen Kliniken und etwa 1100 Verwaltungsangestellte und Straßenreiniger ihre Arbeit niedergelegt haben, sind am gestrigen Donnerstag die Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen in den Warnstreik getreten. Ihre Forderungen: acht Prozent, mindestens aber 200 Euro mehr Lohn, sowie die Beibehaltung der 38,5-Stunden-Woche.

Mehr als die Hälfte der 500 städtischen Kindertagesstätten, Kinderkrippen, Horte und Tagesheime blieben am Donnerstag geschlossen. Von den insgesamt 4000 Erziehern des Öffentlichen Dienstes protestierten mehr als 3000 bei der Kundgebung an den Riem-Arcaden.

Weit mehr, als Verdi-Geschäftsführer Heinrich Birner erwartet hatte: "Dass sich das jetzt selbst bei einer traditionell toleranten Berufsgruppe wie den Erzieherinnen entlädt, zeigt, wie stark der Druck ist." Immer längere Ausbildungszeiten, immer höhere Anforderungen für immer weniger Geld - das gäre schon seit langem. Eine Streikende drückte es auf ihrem Transparent so aus: "Wir sind zwar sozial, aber nicht blöd."

Derzeit verdient eine Erzieherin, nach fünf Jahren Ausbildung, 1960 Euro brutto, das sind etwa 1400 netto. "Viele von uns müssen noch nebenbei arbeiten", erklärt Francesca Marrama, 27, die als Erzieherin in einem Neuhausener Hort arbeitet. "Das darf nicht sein." Weil ihr Gehalt nicht reicht, arbeitet sie vier Stunden pro Woche zusätzlich als Telefoninterviewerin: "Wenn die 40-Stunden-Woche kommt, kann ich den Job schmeißen."

Ihrer Kollegin Iris R., 33, geht es ähnlich: "1400 Euro sind bei Fixkosten von 800 Euro zu wenig. Ich stelle mir 1700 bis 1800 Euro pro Monat vor. Das wäre bei den Lebenshaltungskosten in München angemessen." Margarete B., 55, stellvertretende Leiterin im Kindergarten, kann über die Forderung ihrer jungen Kollegin nur schmunzeln: "1700?", fragt sie kopfschüttelnd, "das bekommen doch höchstens mal Leiterinnen von großen Häusern."

Das Angebot der Arbeitgeber ist von den Vorstellungen der Erzieherinnen weit entfernt. In den kommenden zwei Jahren wollen sie das Gehalt um fünf Prozent erhöhen, aber dafür die 40-Stunden-Woche einführen, also eineinhalb Stunden mehr. "Unterm Strich bedeutet das lediglich 1,5 Prozent mehr", rechnet Verdi-Chef Birner vor.

"Wir sind sozial, aber nicht blöd!"

"Bei Preissteigerungen von zwei Prozent ist das nicht nur ein absolutes Nullsummenspiel, sondern sogar eine Lohnkürzung um vier Prozent." Das Argument der Stadt, der öffentliche Dienst sei mit acht Prozent mehr Lohn nicht mehr konkurrenzfähig, lässt Birner nicht gelten. "Die Stadtwerke machen enorme Überschüsse, bei der Müllabfuhr ist der Abstand zu den privaten Unternehmen sehr gering, und bei den Kitas gibt es keine Konkurrenz."

Dabei werden Erzieher gesucht. Der Bedarf ist da, denn die Stadt eröffnet immer mehr Kinderbetreuungseinrichtungen. "Aber der Job ist nervenaufreibend und schlecht bezahlt", sagt Margarete B. "Oft betreuen nur eine Erzieherin und eine Praktikantin 25 Kinder."

Gründe, warum es kaum Männer in diesem Beruf gibt, glaubt B. Tatsächlich ist die Kundgebung zu 90 Prozent eine Frauenveranstaltung. Unterstützung kam auch von vielen Müttern. Gesine Hirsch ist extra gekommen, um ihre Solidarität mit den Erzieherinnen zu bekunden. "Die Forderungen sind nicht nur absolut legitim, sondern überfällig", sagt sie. "Ständig wird nach besserer Bildung gerufen, aber das wird durch die schlechte Bezahlung konterkariert."

Die Aufgaben und Anforderungen stiegen stetig. Ständig müssten sich Erzieherinnen fortbilden, ergänzt eine andere Mutter: "Da geht es auch um die Wertschätzung. Die Erzieherinnen leisten sehr Wichtiges. Sie erziehen Kinder, vermitteln ihnen soziale Kompetenzen und Qualifikationen."

Am 25.und 26. Februar geht Verdi in die vierte Verhandlungsrunde, eine mögliche fünfte Runde ist für den 6. und 7. März geplant. Sollte es auch dann zu keiner Einigung kommen, wird es wohl ein Schlichterverfahren geben. Scheitert dies ebenfalls, wird es Anfang April eine Urabstimmung zu einem unbefristeten Streik geben. Francesca Marrama ist jedenfalls schon jetzt fest entschlossen: "Wir streiken weiter! Solange, bis unsere Forderungen durchgesetzt sind."

Auch am heutigen Freitag wird wieder gestreikt: Etwa 500 Beschäftigte von Stadtentwässerung, Stadtwerken und Müllabfuhr wollen die Arbeit niederlegen. Mülltonnen von Privathaushalten werden allerdings weiter geleert.

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