Ein Eichhörnchen sitzt auf einer Bank, drumherum tummeln sich spielende Kinder und überaus fröhlich dreinblickende Erwachsene auf einer hübschen sonnigen Grünfläche. Wer auf der Dienerstraße in der Altstadt unterwegs ist, bekommt für die nächsten Jahre dieses Heile-Welt-Motiv zu sehen. Es ziert den neuen Lärmschutzwall, der seit Montag am Marienhof aufgestellt wird.
Bis 2026 soll der Wall die Anwohner und Geschäftsleute vor Lärm und Schmutz schützen, während dort der Tiefbahnhof für die zweite S-Bahn-Stammstrecke entsteht. Wie die Läden nun mit dem Schallschutz zurechtkommen, werde man sehen, sagte Wolfgang Fischer vom Verein City-Partner, der die Interessen der Innenstadt-Geschäftsleute vertritt. Fest stehe auf jeden Fall, dass es während der vorbereitenden Bauarbeiten, bei denen direkt vor den Eingängen und Schaufenstern Leitungen verlegt werden mussten, Umsatzeinbußen für die Händler gegeben habe.
Der Wall bekommt riesige Ausmaße: Er wird auf einer Länge von 445 Metern die gesamte frühere Grünfläche des Marienhofs umspannen und durchgehend 4,50 Meter hoch sein. Den Anfang macht der Abschnitt an der Dienerstraße am östlichen Rand des Baufelds, danach folgen die Aufbauten an der Wein- und Schrammerstraße. Anfang kommenden Jahres soll der Aufbau der Wand abgeschlossen sein.
Kosten wird der Wall eine knappe Million Euro, dafür soll er durch hochabsorbierendes Material den zu erwartenden Baulärm auf ein erträgliches Maß dämmen. Denn vom Frühjahr an werden die Schlitzwände für die Deckelbauweise des Bahnhofs erstellt. Die dazu nötigen Arbeiten sind die lärmintensivsten. Wenn der Schutzwall fertig ist, wird sich eine sogenannte Schlitzwandfräse 60 Meter in die Tiefe arbeiten. Nach und nach entsteht um die Baugrube herum eine massive Betonwand in der Erde. Gleichzeitig werden innerhalb der Grube sogenannte Primärpfähle erstellt, die später den Betondeckel über der Baustelle tragen sollen. Hier wird bis zu 65 Meter tief gebohrt. Diese sehr lauten Maßnahmen dauern etwa ein Jahr.
Weil die Wand vor allem auf Bodenhöhe Wirkung zeigt, bekommen höher gelegene Wohnungen, Büros und Läden am Marienhof Schallschutzfenster. Um diesen sogenannten passiven Lärmschutz und dessen Finanzierung ging es auch in zahlreichen Klagen gegen das Stammstrecken-Projekt. Die Mauer, die natürlich auch die Baustelle vor unbefugtem Betreten schützen soll, besteht aus einem Aluminiumgestell, in das Platten eingebaut werden. Die darin enthaltene Mineralwolle schluckt den Schall von beiden Seiten, sodass der Schall, den anfahrende Lieferfahrzeuge erzeugen, schwächer reflektiert wird. Dennoch wird es auf der Baustelle "laut und dreckig" werden, wie Robert Listl, der Leiter für diesen Bauabschnitt, einräumt.
Die Gestaltung des Walls ist in Zusammenarbeit mit der Stadt München, dem Freistaat und den Geschäftsleuten in der Altstadt entstanden. Auf drei Seiten - der Wein-, Schrammer- und Dienerstraße - zeigen Fotomontagen den Marienhof, wie er nach Abschluss der Bauarbeiten 2026 aussehen soll. Der Abschnitt an der Landschaftstraße ist dagegen für wechselnde Kunstausstellungen vorgesehen. Hier sollen sich auch Kindergärten und Schulen an der Gestaltung beteiligen.
Damit die Kunstwerke wetterfest bleiben, werden sie auf ein Polyestergewebe gedruckt. Weil eine viereinhalb Meter hohe Mauer, sei sie noch so aufwendig verziert, das Stadtbild dennoch beeinträchtigt und viel Schatten wirft, ist sie so konstruiert, dass ihre Höhe auf drei Meter verringert werden kann, sobald die lautesten Arbeiten abgeschlossen sind. Ob es dazu kommt, ist allerdings offen. Für die Baugenehmigung war die Höhe der Mauer auf 4,50 Meter festgelegt. Den Rückbau müsste die Deutsche Bahn genehmigen lassen. Und auch das Einverständnis der Anwohner und Geschäftsleute müsste sie vorher abfragen.
Wolfgang Fischer findet die Option, den Wall kleiner zu machen, positiv. Er gibt sich optimistisch angesichts der Gestaltung, die er als innovativ bezeichnet. Für die Gewerbetreibenden am Marienhof sei es besonders wichtig, dass dieser zentrale Platz auch während der Baumaßnahmen seine Attraktivität behalte. Jetzt müsse man den Ingenieuren vertrauen, dass der Schallschutz tatsächlich effektiv ist.
Münchens Stadtbaurätin Elisabeth Merk erklärte, es sei auch im Interesse der Stadt, die Bauzeit so erträglich wie möglich zu machen. Wie am Marienhof wünsche man sich noch weitere Schallschutzwände im Stadtgebiet entlang der Bahnlinien.
Derzeit verhandelt die Bahn noch mit den möglichen Partnerfirmen für die Haupt-Baumaßnahmen. Stammstrecken-Projektleiter Markus Kretschmer verwies am Montag darauf, dass die Marktlage auf dem Bausektor sehr angespannt sei. Man sei schon mit ein paar Angeboten zufrieden, sagte Kretschmer.