Nachruf:Romantiker an den Tasten

Nachruf: Jazz-Pianist walter Lang.

Jazz-Pianist walter Lang.

(Foto: Act/Ulli Zrenner-Wolkenstein)

Der Jazzpianist Walter Lang ist tot.

Von Oliver Hochkeppel, München

Er war immer einer der präsentesten, vielbeschäftigten unter den hiesigen Jazzern. So standen auch während der Corona-Atempause in diesem Sommer etliche Konzerte im Terminplan des Pianisten Walter Lang. Das eine oder andere mit dem Saxofonisten Jason Seizer, einem seiner ältesten Freunde und Begleiter, seit sich die beiden Ende der Achtzigerjahre kennengelernt hatten, nachdem Lang vom Studium in Amsterdam zurückgekehrt war. Vor allem aber die Release-Tour des Duo-Albums "Cathedral" mit dem jungen Gitarristen und Shooting-Star Philipp Schiepek, das für beide das Debüt beim renommierten Act-Label war. Doch bereits das erste Stream-Konzert Ende April wurde wie die folgenden ohne Angabe von Gründen abgesagt.

Das Projekt war aus einer typischen Initiative des immer suchenden Walter Lang hervorgegangen: "Die Kombination von Klavier mit der üblichen Jazzgitarre ist oft problematisch, deshalb habe ich seit drei Jahren über ein Duo mit akustischer Gitarre mit Nylonsaiten nachgedacht. Und während der Corona-Zeit auch dafür ungeheuer viel komponiert. Philipp ist mir schon länger aufgefallen, und so hat es sich perfekt ergeben," berichtete er vor der Veröffentlichung. Die Kraft einfacher Melodien war es wieder einmal, die Lang zusammen mit Schiepek groß in Szene setzte. Das war vielleicht die größte Stärke des Pianisten, Komponisten wie Arrangeurs Walter Lang, eine, die sich vielleicht aus seinem Karriereweg erklärt. Geboren 1961 in Schwäbisch-Gmünd (der schwäbische Akzent betonte seine ausgeprägte Höflichkeit und Bescheidenheit fast über Gebühr), wuchs Lang mit Klassik, vor allem aber mit Volksmusik auf dem Akkordeon auf. Die Beatles wurden für ihn - wie für so viele - ein Initiationserlebnis, und so wollte er Rockmusiker werden. Bis er dann eher zufällig am berühmten Berklee College of Music in Boston und damit in der Kaderschmiede des Jazz landete, von dem er bis dahin völlig unbeleckt war. Umso vehementer entflammte die Liebe zur Improvisation und musikalischen Freiheit. Die bei ihm freilich nie die emotionsgeladene Melodie und die sparsame Verwendung von dafür umso stärker betonten Noten (das markante Single-Note-Spiel in der Rechten war eines seiner Markenzeichen) vergaß.

So wurde Walter Lang im Kleinen, was Brad Mehldau auf der großen Bühne darstellte: ein großer (Neo-)Romantiker des Jazz. Kein Zufall, dass Lang viele Jahre auf Gesangsbegleitung abonniert schien, kaum einer konnte das so dezent, elegant und feinfühlig wie er: Bei zahllosen Sängerinnen wie Melanie Bong, Lisa Wahlandt, Aya Murodate, Jenny Evans, Stefanie Schlesinger, Tuija Komi, Nina Plotzki oder Fernanda Santanna, aber auch bei den Sängern Milton Nascimento und - auf zwei Duo-Alben dokumentiert - Philipp Weiss. Aus einigen der Namen kann man auch weitere Leidenschaften Langs herauslesen: Einmal die Liebe zur lateinamerikanischen Musik; neben Sängerinnen brachte er auch den herausragenden brasilianischen Perkussionisten Marco Lobo immer wieder nach Deutschland. Vor allem aber seine Liebe zu Japan, das er früh und regelmäßig bereiste, und wo er ein richtiger Star war: Seine frühen Alben, etwa mit einem swingenden Beatles-Projekt oder Charlie-Chaplin-Adaptionen, erscheinen teilweise nur in Japan, seine Trio-Einspielungen auf dem dortigen internationalen Label Atelier Sawano. Schließlich spielte Lang auch im Trio des bei ECM veröffentlichenden japanischen Schlagzeugers Shinya Fukumori.

Kein Widerspruch zu all dem bedeutet Langs Gründungsmitgliedschaft im Trio Elf, seinem hierzulande wohl bekanntesten Projekt, das als eine der ersten Bands elektronischen Dancefloor-Sound und Drum&Bass für den Jazz adaptierte. Auch hier war Lang für die melodische Seite zuständig. Am besten kam seine lyrische Ader aber natürlich im eigenen Trio zum Ausdruck, wo fast ausschließlich seine eigenen Kompositionen gespielt wurden. 1999 ging es mit dem Belgier Nick Thys am Bass und Langs langjährigem Weggefährten Rick Hollander am Schlagzeug an den Start. 2008 formierte Lang es mit dem Göteborger Bassisten Thomas Markusson und dem Berliner Schlagzeuger Sebastian Merk neu. Wieder zehn Jahre später (weshalb das Trio nun auch den Namen Tens bekam) wurde Merk durch den Schweden Magnus Öström abgelöst, den weltberühmten ehemaligen e.s.t.-Drummer. Selbst Corona konnte den Erfolg des 2020 vorgelegten Doppelalbums wie der kleinen Tour kaum ausbremsen.

Das schaffte nun ein Jahr später direkt vor der "Cathedral"-Tour eine erst kurz zuvor diagnostizierte Krebserkrankung. Wie es die Art des mit seiner Familie zurückgezogen auf dem oberbayerischen Land lebenden Walter Lang war, hielt er sein Leiden geheim. Am Donnerstag hat er, erst 60-jährig und in der Blüte seines Schaffens, den Kampf gegen den Krebs verloren.

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