Wahlpartys in München:Ein Abend zwischen Euphorie und Enttäuschung

Wahlpartys in München: Zum Feiern war SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter nicht zumute.

Zum Feiern war SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter nicht zumute.

(Foto: Stephan Rumpf)

La-Ola-Wellen bei den Grünen, exakt ein Scherz bei der SPD. Die einen sind tapfer, die anderen haben keinen Bock - der Sonntag in Schlaglichtern.

Von SZ-Autoren

Es ist ein historischer Abend in München: Die CSU verliert ihre absolute Mehrheit, die SPD verliert die Hälfte ihrer Wähler, die Grünen erzielen ein Rekordergebnis. SZ-Reporter berichten:

Im Wahllokal in der Grundschule in der Tumblingerstraße in München stehen die Menschen auf der Treppe vom Erdgeschoss zum ersten Stock in langen Reihen an. "Es sieht aus wie sonst nur bei Wohnungsbesichtigungen", sagt eine Frau. "Aber diesmal macht es Spaß zu warten, es ist ja für etwas Gutes", sagt ein Wähler, der sich langsam die Treppe hocharbeitet.

— In der ganzen Stadt bilden sich vor vielen Wahllokalen lange Schlangen - die Wahlbeteiligung ist hoch. Doch am Abend werden manche Wähler nervös: Um 17.30 Uhr warten immer noch sehr viele Menschen, bis 18 Uhr werden sie bei diesem Tempo nicht in der Wahlkabine sein. "Um 18 Uhr schließen die Wahllokale", stellt KVR-Sprecher Johannes Mayer klar. "Aber wir stellen dann einen Wahlhelfer ans Ende der Schlange. Wer vor ihm steht, darf noch wählen." Das bedeutet aber auch: Die Auszählung beginnt dort später.

— In der Muffathalle ist um halb sechs längst kein Sitzplatz mehr frei. Grünenanhänger und Politiker drängen sich zwischen den Biertischen und an den grün beleuchteten Wänden. 800 Leute sind bei der Wahlparty der Grünen, es werden minütlich mehr.

— Der einstige SPD-Hoffnungsträger und Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2013, Christian Ude, betritt den Raum der SPD im Landtag. Wie sein Gefühl ist? "Flau", sagt Ude. Mehr will er nicht sagen. Kommentare erst nach 18 Uhr. Gut für die Sozialdemokraten klingt das nicht.

— Die erste Partei feiert im KVR, als die Ergebnisse noch gar nicht bekannt gegeben sind. "Auf den Wahlsieg!", rufen sechs junge Männer und eine Frau und stoßen mit Rot- und Weißwein an. Dabei kommt ihre Partei in der ersten Hochrechnung gar nicht vor, bei den in grau gekleideten Zuschauern handelt es sich um eine Abordnung der Partei von Martin Sonneborn. Die wird es zwar nicht in den Landtag schaffen, stellt hier im KVR aber noch die größte Gruppierung.

Wahlpartys in München: Die Vertreter der Satirepartei "Die Partei" feierten im KVR schon vor 18 Uhr.

Die Vertreter der Satirepartei "Die Partei" feierten im KVR schon vor 18 Uhr.

(Foto: Robert Haas)

— 18 Uhr, Jubel brandet auf bei 800 Grünen, 18,5 Prozent als erste Prognose. Hunderte stehen auf, reißen die Arme hoch.

— Gegen 18.45 Uhr, als die Hochrechnungen für die Grünen 18,5 Prozent zeigen, stehen Gülseren Demirel (Giesing) und Hep Monatzeder (Pasing) vor dem Großbildschirm im KVR. "Wir haben mehr dazugewonnen, als wir beim letzten Mal überhaupt an Prozenten hatten", freut sich Monatzeder. Beide verfolgen ihr persönliches Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CSU-Konkurrenz.

— Brigitte Wolf (Linke) ist die Enttäuschung anzumerken, dass das Landtagsrennen für ihre Partei bereits nach der ersten Prognose offenbar vorbei ist. Tapfer verweist sie darauf, dass man stark zugelegt habe und dass das eine gute Basis sei für die nächsten Kommunalwahlen. Dass die Linke sich stark in den überparteilichen Münchner Bündnissen wie "Ausgehetzt" engagiert habe, sei absolut richtig gewesen. "Politik ist mehr als wählen gehen", sagt sie. Politisch habe sich viel bewegt. Und der Kampf gegen den Rechtsruck müsse weitergehen.

Wahlpartys in München: Brigitte Wolf von den Linken konnte sich keine Hoffnungen mehr machen.

Brigitte Wolf von den Linken konnte sich keine Hoffnungen mehr machen.

(Foto: Robert Haas)

— Im Schlachthof, wo sich die SPD trifft, ist die Stimmung gedämpft. Ungläubig starren die Genossen auf das desaströse Ergebnis, Florian Ritter hält seine Frau fest im Arm, als stütze er sich auf sie. Draußen vor der Tür steht ein halbes Dutzend Leute und raucht, auch die SPD-Stadtvorsitzende Claudia Tausend, als ein älterer Mann nach draußen kommt und in die Runde ruft: "Die Sozialdemokratie löst sich in Rauch auf." Er ist der einzige, der über seinen eigenen Witz lacht, die anderen sind eher nicht zum Scherzen aufgelegt. Wenig später, um 18.45 Uhr, verlässt Alexander Reissl mit sehr traurigem Blick das Wirtshaus. "Ich geh heim", sagt er. "Ich muss für nächste Woche noch was lesen."

— Als in der Muffathalle die Nachricht bekannt wird, dass die Grünen in München stärkste Partei sind, reißen Hunderte Anhänger ihre Krüge in die Höhe. Es ist zwar nur ein Umfrageergebnis, aber spontan kommt es zu La-Ola-Wellen. "Wahnsinn", kreischt eine Frau in grünem T-Shirt. Erste Gerüchte, ab sofort gebe es Freibier für alle, bewahrheiten sich nicht. Gefeiert wird trotzdem wie auf einer Studentenparty. — Es geht um jedes Zehntel. Zwischen 5,0 und 5,1 Prozent schwankt das Ergebnis für die FDP in den Hochrechnungen. Entsprechend zittrig ist auch die Stimmung auf der FDP-Wahlparty im Theaterzelt "Das Schloss" am Olympiapark. Eine junge Liberale bringt es um halb acht auf der Damentoilette auf den Punkt: "Das wird ein langer Abend, da hab' ich überhaupt keinen Bock drauf. Wenn es doch nur fünfeinhalb gewesen wären." Wolfgang Heubisch ist überzeugt, dass es noch "den einen oder anderen Sprung nach oben" für die FDP geben werde. Und wenn es andersrum läuft? Da mache er sich keine Sorgen, sagt Heubisch, "weil wir in keiner Umfrage in letzter Zeit unter fünf Prozent lagen".

— Josef Schmid, Münchens Zweiter Bürgermeister, der für die CSU im vermeintlich sicheren Stimmkreis Pasing für den Landtag kandidiert, hält sich mit ersten Einschätzungen zurück. Nur so viel will er sagen, bevor ein Münchner Ergebnis vorliegt: "Die CSU und die Grünen nähern sich an. Wir nehmen ab, die zu."

— Als Christian Ude mit seiner Analyse der Niederlage auf der Leinwand erscheint, die im Schlachthof aufgebaut ist, fangen viele an zu buhen und zu pfeifen. Sich nachträglich belehren zu lassen, darauf haben sie hier keine Lust.

Landtagswahl FDP, Das Schloss

Martin Hagen, Wolfgang Heubisch und Gabriele Neff von der FDP mussten bangen.

(Foto: Florian Peljak)
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