Wahlkampf:Kandidaten für den Bundestag setzen auf Münchner Themen

Das Fahrrad wird 200

Dauerbrennerthema in München: Wie kann die Infrastruktur für Radler verbessert werden.

(Foto: dpa)
  • Im Bundestag werden die Karten neu gemischt - in Johannes Singhammer, Hans-Peter Uhl und Peter Gauweiler (alle CSU) treten gleich drei Platzhirsche nicht mehr an.
  • Die Direktkandidaten in München werden langsam nervös und beginnen, sich in Stellung zu bringen.
  • Doch sie versuchen, die Wähler mit lokalen Themen für sich zu gewinnen: Wohnen und Soziales, Radwege, der Erhalt der Märkte.

Von Dominik Hutter

Wäre im Herbst Kommunalwahl, stünden die wichtigsten Themen bereits fest: Nachverdichtung, Radfahren, Erhalt der Münchner Märkte, Sicherheit und Wohnen. Politiker müssen Positionen vertreten, und so engagiert sich der CSU-Mann Stephan Pilsinger per Online-Petition gegen allzu dicht bebaute Quartiere. Sein Parteifreund Wolfgang Stefinger beackert das Feld der kommunalen Märkte. Und im Club Backstage diskutiert der Grüne Dieter Janecek an diesem Montag darüber, ob in München nach Berliner Vorbild ein Fahrrad-Bürgerbegehren sinnvoll wäre.

Wichtige Themen, zweifellos. Nur kandidiert leider keiner dieser Herren fürs Rathaus am Marienplatz. Sie alle wollen in den Bundestag, wo es doch eigentlich um Afghanistan geht, um die Rentenkasse oder den Brexit. Und weniger um den Elisabethmarkt oder den Radweg an der Rosenheimer Straße.

Eine gewisse Nervosität ist zu spüren im Münchner Bundestagswahlkampf, der nun Fahrt aufnimmt. Denn diesmal, das ist ganz sicher, werden die Karten neu gemischt - in Johannes Singhammer, Hans-Peter Uhl und Peter Gauweiler (alle CSU) treten gleich drei Platzhirsche nicht mehr an. Das verbessert die Chancen für die Bewerber anderer Parteien und erhöht den Druck auf ihre potenziellen Nachfolger aus der CSU. Wer will schon als der Verlierer des Direktmandats vom Platz gehen?

Im Kampf um die Gunst der Münchner müssen da oft lokale Themen herhalten. Sebastian Roloff etwa, der SPD-Kandidat für den Münchner Süden, fordert einen Tunnel-Bürgerentscheid an der Tegernseer Landstraße. Auf der Wiesn solle es mehr Wirtinnen geben, lautete sein Beitrag zum Weltfrauentag, und als kürzlich Beschwerden über quietschende Trambahnen der Linie 17 bekannt wurden, mahnte Roloff eine konstruktive Lösung des Lärmproblems an. Ob diese Themen später auch den Bundestag beschäftigen sollen, ließ er offen.

Sein direkter Konkurrent, Michael Kuffer von der CSU, tut sich etwas leichter mit dem Spagat zwischen den politischen Ebenen: Er verfügt über ein Stadtratsmandat und kann aus dieser Rolle heraus dafür plädieren, die geplanten städtischen Ordnungshüter zu bewaffnen. Zwar wird seine Form des Wahlkampfs im Rathaus kritisch beäugt: Vielen Stadträten gehen der Geltungsdrang und die Alleingänge des Kandidaten gehörig auf die Nerven. Kuffer aber hat ein dickes Fell - kaum jemand hat in den vergangenen Wochen so viele Debatten provoziert wie der CSU-Mann, der schon seit Wochen wacker Wahlkampf macht.

Jetzt, nach den Osterferien, häufen sich in ganz München die Termine. Gleich zwei offizielle Wahlkampfauftakte stehen diese Woche an: der von Roloff, als dessen Unterstützerin die frühere Sozialreferentin Brigitte Meier eingeladen ist. Und der von Bernhard Loos, der für die CSU im Münchner Norden kandidiert und gemeinsam mit seinem Vorgänger Singhammer auftritt. Dazu kommen die Janecek-Veranstaltung zum Radfahren und eine Diskussion des SPD-Manns Bernhard Goodwin (München-West) mit Verdi-Chef Heinrich Birner. Prominente Gäste sind wichtig, um mehr Besucher anzulocken.

Prominente Gäste sind allen Kandidaten wichtig

Kuffer lässt sich daher kommende Woche vom früheren Focus-Herausgeber Helmut Markwort interviewen, Goodwin hat sich den Kreisverwaltungsreferenten Thomas Böhle, Roloff den einstigen Oberbürgermeister Christian Ude gesichert. Ude ist offenbar umkämpft, er will sich auch für Florian Post (SPD) engagieren, der der CSU das Direktmandat im Norden entreißen soll.

CSU-Kandidat Pilsinger lädt zusammen mit Manuel Pretzl, dem Chef der CSU-Stadtratsfraktion, zur Halbzeitbilanz des schwarz-roten Rathausbündnisses, dem er selbst nie angehört hat. Ob Pretzl im Gegenzug einige Worte über die große Koalition in Berlin verliert, gilt es abzuwarten.

Natürlich stehen bei den Münchner Kandidaten auch originäre bundespolitische Themen auf der Agenda. Goodwin etwa diskutiert gerne über die Möglichkeiten des Bundes, die Mieten zu begrenzen und den Wohnungsbau anzukurbeln. Loos will bei seinem Wahlkampfauftakt ("Loos geht's") über Herausforderungen für München und Deutschland sprechen.

Sein Konkurrent Post geht seine Mitbewerber gerne auch einmal direkt an. Über die Nominierung des in München eher unbekannten Loos zeigte er sich demonstrativ erleichtert, den vom Verfassungsschutz überwachten AfD-Kandidaten Petr Bystron sieht er als echten Rechtsradikalen überführt. Auf Post lastet ein enormer Druck: Sein Wahlkreis gilt als der für die SPD aussichtsreichste in ganz Bayern.

Hoch im Kurs stehen bei manchen Wahlkämpfern auch allgemeine Themen, aus denen sich die eigene Weltanschauung ablesen lässt. Goodwin etwa liebt Debatten über Schlagwörter wie werteorientierte Politik, soziale Gerechtigkeit oder gerechte Arbeitswelt. Auch Pilsinger wagte sich bereits an eine Wertedebatte und lud dazu Gloria von Thurn und Taxis sowie einen Prälaten ein - ohnehin betont der Arzt auffallend gerne seine enge Verbundenheit mit dem Christentum.

Pilsinger hat sich bei einer Veranstaltung auch schon mit dem Thema Christenverfolgung befasst. Als Experte war ein Vertreter des evangelikalen Hilfswerks "Open Doors" geladen, dessen Aussagen selbst in den Kirchen umstritten sind; Kritiker halten die Organisation und ihren jährlichen "Weltverfolgungsindex" für unseriös. Wer sich lieber ganz praktisch informieren will: In seinem Wahlkampfportfolio hat Pilsinger auch einen Vortrag über chronische Schmerzen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: