Wahlkampf:"Ich bin halt so, wie ich bin"

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Im Münchner Osten muss Herbert Frankenhauser (CSU) sein Direktmandat gegen die SPD-Herausforderin Claudia Tausend verteidigen.

Jan Bielicki

Nein, das Wasser kann Herbert Frankenhauser dem neuen Star der CSU nicht reichen. Also reicht er ihm ein Bier. 2000 Menschen trampeln und klatschen, als Karl-Theodor zu Guttenberg, von seinen Fans in der CSU mit "KT"-Sprechchören gefeiert, die Halbe ergreift. Für ihn haben sie sich in den großen Saal des Löwenbräukellers gedrängt. Dass der kleine, rundliche Mann, der gerade den Mundschenk des jugendlichen Wirtschaftsministers macht, später auch ein paar Worte sagen darf, geht unter im allgemeinen Gemurmel des Publikums.

Herbert Frankenhauser überzeugt durch Blumen im Wahlkampf. (Foto: Foto: Rumpf)

Seit 19 Jahren vertritt Frankenhauser den Münchner Osten im Bundestag. Damit ist er der dienstälteste der Münchner Abgeordneten im Berliner Parlament - aber gleichzeitig der wohl Unauffälligste. Er stellt sich selten in den Vordergrund, und auch als sich die Münchner Mandatsträger zum Gruppenfoto neben den Wirtschaftsminister drängen, steht noch der Abgeordneten-Kollege Hans-Peter Uhl zwischen Guttenberg und Frankenhauser. Etwas arg fotomontiert schauen denn auch die Plakate aus, die ein paar Tage darauf überall in Frankenhausers Wahlkreis auftauchen und den Abgeordneten Schulter an Schulter mit dem CSU-Wählerliebling zeigen.

Sogar Claudia Tausend, Frankenhausers SPD-Widersacherin im Münchner Osten, bekommt Komplimente aus unerwarteter Quelle zu hören, als sie gerade an einem Straßenrand in Berg am Laim Wahlprospekte und Kugelschreiber unter die Leute bringt. Ein junger Mann, der ein paar Schritte weiter Faltblätter Frankenhausers verteilt, kommt auf sie zu: "Ihre Plakate sind deutlich besser", sagt der Wahlkämpfer von der Jungen Union, "das muss man einfach sagen."

Das hat gar nicht so viel damit zu tun, dass es für Werbefotografen womöglich einfacher ist, eine elegante 45-jährige Frau ins wählerwirksame Licht zu setzen als einen 64-jährigen Mann mit angegrautem Schnauzbart im Gesicht. Die altbacken wirkenden Plakate des CSU-Mannes vermitteln vielmehr den Eindruck, dass es dem Porträtierten einfach wurscht ist, welches Image seine Kampagne ausstrahlt. "Ich bin halt so wie ich bin", sagt Frankenhauser, "was soll ich mich verstellen?"

Ein Anhänger der großen Koalition Das hat er tatsächlich kaum nötig. Seit 1990 hat seinen Wahlkreis immer direkt gewonnen, zuletzt 2005 mit äußerst komfortablem Vorsprung vor seiner Konkurrentin. Wenn sein Mandat vor ein paar Jahren doch in Gefahr geriet, dann nur, weil junge Ehrgeizlinge aus der eigenen Partei nach Macht und Pfründen trachteten.

Diese Seilschaften aus der Jungen Union verstrickten sich in Machenschaften, die den größten Skandal der München-CSU auslösten. Womöglich hatten sie damals auch den so harmlos wirkenden Frankenhauser und andere alte Parteikämpen schlicht unterschätzt.

Das kommt öfter vor und liegt wohl daran, dass der gelernte Industriekaufmann das Talent hat, in kleiner Runde schnell eine Atmosphäre gemütlicher Wärme zu schaffen. Ältere Wählerinnen lächeln, wenn er ihnen auf dem Rosenkavalierplatz mit formvollendeter Verbeugung eine Rose überreicht - und gleich eine zweite "für die Zweitstimme". Überhaupt setzt Frankenhauser gerne auf Harmonie. Den Kollegen im Haushaltsausschuss des Bundestags hat er für den abendlichen Sitzungsausklang eine kleine Bier-Zapfanlage spendiert - allerdings ist das Deutsche Institut für Reines Bier, dem er vorsteht, nicht bloße Folklore, sondern eine Lobbyorganisation der Brauerbranche.

Dazu passt, dass Frankenhauser sich als Anhänger der Großen Koalition von Union und SPD zu erkennen gibt. "Ich kann mit einer Fortsetzung der Koalition gut leben", erklärt er und begründet seine Präferenz damit, dass "wir in den schwierigen Zeiten, die uns bevorstehen, klare Mehrheiten brauchen". Frankenhauser entstammt ohnehin eher dem sozialpolitischen Flügel der Union. "Wenn die CSU Mieterschutz oder Kündigungsschutz aufgeben würde, wäre ich am nächsten Tag ausgetreten", versichert er einem Wähler. Das sind nicht nur Worte: Frankenhauser hat im Bundestag auch gegen die eigene Fraktion rot-grünen Mieterschutzgesetzen zugestimmt.

Der gebürtige Münchner und ehemalige Wiesn-Stadtrat wirbt gerne damit, in Berlin "das Münchnerische verteidigen" zu wollen. Allerdings vermochte im Rathaus niemand so recht nachzuvollziehen, warum er im Haushaltsausschuss lange den Verkauf von Kasernengeländen des Bundes an die Stadt blockierte, bloß um mehr Baurecht für den Bund in einem anderen Stadtteil durchzusetzen. "Er ist halt immer ein Kommunalpolitiker geblieben", hat sein einstiger SPD-Gegenkandidat Fritz Schösser einmal gesagt.

Claudia Tausend versucht die Wähler mit Postkarten zu überzeugen. (Foto: Foto: Haas)

Kommunalpolitikerin ist auch Claudia Tausend - sogar eine, die mit am meisten Einfluss auf die Rathauspolitik hat. Sie ist stellvertretende Chefin der München-SPD und der sozialdemokratischen Ratsfraktion, zuständig für Stadtplanung. Regelmäßig räumt sie bei Abstimmungen auf SPD-Parteitagen die höchsten Stimmenzahlen ab. Längst, so heißt es in der Partei, könnte sie ganz vorne stehen, wenn sie denn den Drang hätte, sich in die erste Reihe zu stellen. Den hat sie nicht.

Sie ist keine, die unbedingt sich selbst gerne reden hört, keine Menschenfängerin, sondern eher zurückhaltend, oft distanziert, eine Freundin nüchterner Analyse (obwohl sie gerne Weißbier trinkt) und trockener Ironie. Polemik schätzt sie weniger, auch wenn die aus der eigenen Partei kommt und schwarz-gelbe Konkurrenten als Heuschrecken zeichnet: "Das ist nicht mein Stil."

In den Bundestag will Tausend schon lange. 2001 probierte sie es zum ersten Mal, doch der Versuch, bei der parteiinternen Aufstellung der Kandidaten den eigenen Abgeordneten Axel Berg zu stürzen, scheiterte knapp. Die vorgezogene Bundestagswahl 2005 kam für sie zu schnell, um sich als neue Kandidatin den Wählern im Münchner Osten bekannt zu machen.

Auch diesmal sehen die Chancen wenig rosig aus. Auf den Listenplatz 22 hat die Bayern-SPD sie gesetzt, ähnlich viele Prozente müssten die Sozialdemokraten landesweit einfahren, damit Tausend noch auf einen Bundestagssitz rutscht. Die Umfragen verheißen das derzeit nicht.

Tausend weiß es selber: "Fünf Prozentpunkte mehr wären schon gut" - auch um ihre ohnehin schwierige Position im als CSU-Hochburg geltenden Osten Münchens nicht gänzlich aussichtslos erscheinen zu lassen. Aber sie kämpft. Bereits um sieben Uhr früh hält Tausend ihren Wahlprospekt müden Pendlern am U-Bahnhof Arabellapark entgegen. Dann zieht sie zu Hausbesuchen durch eine Oberföhringer Wohnanlage. "Es gibt hier alles: verschlossene Türen, wütend zugeschlagene Türen, aber auch viele freundliche Gespräche", erklärt sie diese aufwendige Form des Wahlkampfes, der für sie erst nach Werbetouren durch Kneipen spätabends endet.

Zu kämpfen hat sie gelernt. Auf einem Einödhof in Niederbayern ist sie aufgewachsen. Die Tochter eines Busfahrers und einer Näherin ging in einem von Zisterzienserinnen geführten Internat in Landshut aufs Gymnasium, in München besuchte sie die Technische Universität, studierte Geographie und Agrarökonomie mit dem Berufsziel technische Entwicklungshilfe.

Erst gegen Ende ihres Studiums stieß sie zur SPD - im Kreisverband Milbertshofen des späteren Stadtchefs Franz Maget als tausendstes Mitglied gefeiert. Dann aber verschrieb sich Tausend der Politik ganz und gar, hat Wahlkämpfe geleitet, Programmpapiere geschrieben, Debatten organisiert, sich in die Details von Planungsrecht, Verkehrsentwicklung und neuerdings Mietrecht eingearbeitet - und sie hat sich unterdessen von einer linken Jungsozialistin zu einer über Parteigrenzen hinweg respektierten Pragmatikerin entwickelt.

Das heißt nicht, dass sie jedem Wähler hinterherrennt. Am Rosenheimer Platz, vor dem Bio-Supermarkt, stürzt ein Bürger auf sie zu, der dem äußeren Schein nach eher grün verortet sein könnte, und um Erststimmen grüner Anhänger wirbt Tausend ja besonders eifrig. Doch der Mann in gelben Turnschuhen klagt vor allem über angeblich allzu hohe Leistungen für Arbeitslose. "Nein", sagt Claudia Tausend, "da kommen wir politisch nicht zusammen."

© SZ vom 19.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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