Wahl:Die Münchner CSU verliert ihre Haudegen im Bundestag

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Sie werden respektiert, aber ob Uhl, Gauweiler und Singhammer (v. li.) einmal so verehrt werden, dass die Partei ihnen ein Denkmal in die Benediktenwand schlägt, bleibt fraglich. Collage: Dennis Schmidt, Fotos: Neubauer, Haas, PR (2)

Peter Gauweiler, Hans-Peter Uhl und Johannes Singhammer treten ab. Damit wird die CSU vielleicht für mehr Menschen wählbar, aber auch austauschbar.

Von Frank Müller

Die CSU ist eine besondere Partei, ihre Sonderrolle in der deutschen Politik ist legendär. Innerhalb der CSU aber gibt es noch einmal eine ganz besondere Vereinigung, das ist die Münchner CSU. Auf alles, was man in der großen Partei an rustikaler Rauflust, an populistischer Großspurigkeit und an eigenwilligem Auftritt finden kann, stößt man hier in geballter Form, wie unter einer Lupe. Die Münchner Christsozialen sind sozusagen die CSUCSU. Beziehungsweise: waren es. Denn die drei profiliertesten Vertreter der alten Haudegen-CSU treten jetzt gleichzeitig ab: die drei Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler, 68, Hans-Peter Uhl, 73, und Johannes Singhammer, 64.

Es ist ein großer Rückzug zum Ende der Amtsperiode. Gauweilers Wahlkreis im Münchner Süden ist schon zwei Jahre verwaist, er wird erst jetzt neu besetzt. Im Münchner Westen hört Hans-Peter Uhl auf, im Norden packt Johannes Singhammer zusammen. Drei Schwergewichte gehen von der Bühne, das ist, als ob Mick Jagger, Keith Richards und Charlie Watts gleichzeitig die Rolling Stones verließen. Übrig bleibt dann nicht Ron Wood, sondern der alerte Nachwuchsmann Wolfgang Stefinger. Der erst 32-jährige Bundestagsabgeordnete aus dem Münchner Osten ist nun der Platzhirsch. Darauf angesprochen, muss Gauweiler lachen, als er sich hoch oben in seiner Kanzlei am Promenadeplatz in sein Sofa fallen lässt. Es ist nicht herablassend gemeint, sondern der Komik der Konstellation geschuldet.

Was das bedeutet, ermisst man am besten bei einem kleinen Gedankenspiel: Wie wäre der jüngste Trambahnstreit in der CSU wohl ausgegangen, wenn der Münchner Bezirkschef nicht Ludwig Spaenle hieße, sondern noch (wie bis 1999) Peter Gauweiler? Parteichef Horst Seehofer hatte es kürzlich gefallen, seinen Kultusminister Spaenle zum x-ten Mal öffentlich zu demütigen, als er vom Nein der CSU zur Trambahn durch den Englischen Garten abrückte.

Spaenle moserte, dackelte dann brav hinter Seehofer her und wurde dafür vom Chef mit einer "Jobgarantie" als Minister für den Fall etwaiger Kabinettsumbildungen belohnt. Was hätte Gauweiler in einem solchen Fall gemacht? Eilig eine Sondersitzung des Münchner Vorstands einberufen wahrscheinlich, seinen hochroten Kopf und den bösen Blick aufgesetzt und den Oberchef mit ein paar zugleich groben und eleganten Bemerkungen zurecht gestutzt. Und ihn dann angerufen und gesagt, er solle seinen Schmarrn alleine machen.

Dass Gauweiler Rücktritte zelebrieren kann, weiß man seit einer denkwürdigen Veranstaltung, als ihn Edmund Stoiber im Jahr 1994 aus dem Kabinett warf. Oder als er vor zwei Jahren Seehofer selbst die Brocken hinwarf. Der Parteichef hatte im Vorstand den Streit mit den Abweichlern seiner Griechenlandpolitik auf die Spitze getrieben und drei Worte gesagt: "Ihr oder ich". Mit "ihr" waren Peter Gauweiler und Peter Ramsauer gemeint.

Hans-Peter Uhl, 1989

"Wäre ich 20 Jahre jünger, würde ich gerne weitermachen." Hans-Peter Uhl, 1989 Kreisverwaltungsreferent

(Foto: SZ Photo)

Gauweiler rang ein paar Wochen mit sich und dann schmiss er alles hin: den stellvertretenden Parteivorsitz und sein Bundestagsmandat. "Ein klarer Schnitt", sagt er. Nicht auszudenken, was der CSU, die jetzt schon über die AfD klagt, hätte passieren können, wenn Gauweiler auch noch aus der CSU ausgetreten wäre. Aber bei allen Parallelen ist Gauweiler dann doch kein Lafontaine. "Ich verdanke der CSU viel", sagt Gauweiler, "und ich habe Respekt vor ihr."

Eine andere Kanzlei, ein anderer Ort, Nymphenburger Straße, es ist das Haus neben der langjährigen CSU-Parteizentrale. Dort sitzt Hans-Peter Uhl nicht in einem holzvertäfelten, repräsentativen Amtszimmer wie Gauweiler am Promenadeplatz. Sondern am runden Tisch in einem nüchternen Besprechungszimmer, wo man auch als Wolfgang Stefinger sitzen könnte. Uhl hat noch nicht seinen Frieden damit gemacht, dass es nun die letzten Tage seiner Karriere sind. "Wäre ich 20 Jahre jünger, würde ich gerne weitermachen." Ist er aber nicht, Uhl ist mit 73 Jahren sogar der Älteste der drei. Und wenn er sagt, es habe auch sein Gutes, nicht noch einen Wahlkampf durchzustehen, dann klingt das bei Uhl eher tapfer als glaubwürdig.

Uhl und Gauweiler stramm rechts, Singhammer menschlich

Peter Gauweiler und Rüdiger Hehlmann, 1986

Ich verdanke der CSU viel und ich habe Respekt vor ihr. Peter Gauweiler, 1986 Innenstaatssekretär

(Foto: AP)

Früher hat er Gegner gern herabgewürdigt und sie als "einwanderungspolitische Triebtäter" bezeichnet. Aber Uhl ist selbst ein politisch Getriebener, einer, den das Geschäft nicht loslässt, der Politik nie anders betrieben hat als auf die harte Tour. Flüchtlinge, Ausländerkriminalität, Law and Order: Wenn Uhl an seinem runden Tisch von sich erzählt, sind das die Themen. Das waren auch schon seine Markenzeichen als Münchner Kreisverwaltungsreferent bis zum Jahr 1998. In diesem Job hat er übrigens Peter Gauweiler abgelöst, als dieser im Jahr 1986 bayerischer Innenstaatssekretär wurde.

Fortan lieferten sich beide einen Wettkampf der harten Knochen. Gauweiler ließ nachstellen, wie die bayerische Polizei das Gladbecker Geiseldrama in den Griff bekommen hätte. Uhl machte aus einem straffälligen minderjährigen Türken die Kunstfigur "Mehmet", der Kampf um seine Abschiebung wurde Uhls Markenzeichen. Und er stellte, als die Republik in den Neunzigerjahren schon einmal über die vielen Flüchtlinge diskutierte, Asylcontainer auf die Theresienwiese, um zu demonstrieren, dass das Boot voll sei. Solche Szenen trugen mit dazu bei, dass Deutschland damals sein Asylrecht änderte.

Wenn zwei Menschen durch Härte, Cleverness und einen Schuss Skrupellosigkeit das stramm rechte Profil der Münchner CSU prägten, dann Gauweiler und Uhl.

Und wenn es einen gab, der diesem Kampfklub menschliche und freundlichere Züge gab, dann war das Singhammer.

Auch Singhammer hat seinen Lieblings-Treffpunkt, es ist keine Kanzlei, obwohl auch er Anwalt ist. Singhammers gute Stube ist das Café Münchner Freiheit am gleichnamigen Platz, er sitzt stets am Tisch neben dem Denkmal von Helmut Fischer. Wenn Singhammer reserviert, ist sein Tisch der einzige mit Tischdecke. Wenn er aufsteht und geht, packt der Kellner die Decke wieder ein. Das hat jetzt nichts damit zu tun, dass er immerhin noch ein paar Tage lang Bundestags-Vizepräsident ist und damit eindeutig der Ranghöchste der großen Drei.

Die Anfänge seiner Karriere hat er als Büroleiter von Gauweiler gemacht, politisch aber ging er eigene Wege und machte sich einen Namen als Sozial- und Familienpolitiker. Und daneben fiel er auf durch sein Engagement für Afrika. Singhammer fährt ständig in "unseren Nachbarschicksalskontinent", wie er ihn nennt, das Engagement will er fortführen, er ist nahe bei den Ansätzen von Entwicklungshilfeminister Gerd Müller. Viel wichtiger als Geld zu schicken, sei es, fairen Handel zu ermöglichen, meint Singhammer, das Thema ist ihm sehr ernst.

Uhl, Gauweiler, Singhammer, diese Drei. Es sind Schicksalsnamen für die Münchner CSU. Wer sie heute trifft, der sieht auch viel Milde, Nachdenklichkeit, gar Selbstironie. Aber es arbeitet noch in jedem dieser Charakterköpfe. Einst trugen sie alle drei Schnurrbart, es war wie ein Parteiabzeichen. Nur Gauweiler hat seinen noch, bei Uhl und Singhammer sind die Bärte seit vielen Jahren ab, doch es wirkt, als hätten sie sie gerade erst abgenommen.

Heute wird die CSU austauschbarer

Aribert Wolf und Johannes Singhammer

"Ein bisserl Wehmut ist schon dabei." Johannes Singhammer 2001 CSU-Bezirkschef

(Foto: Stephan Rumpf)

Alle drei waren sie verstrickt in ein selbstgeschaffenes Netz aus Intrigen und Abneigung. Gauweiler und Uhl bekämpften sich über Jahre so lange mit so vielen Wendungen, bis am Ende beide am Boden lagen: Gauweiler musste seinen Posten als Münchner CSU-Chef abgeben, Uhl musste als OB-Kandidat zurücktreten, nachdem er einen Kampf gegen Singhammer um den Bezirksvorsitz verloren hatte. Die Details sind verworren, werden aber, sitzt man mit einem der drei zusammen, noch immer mit Begeisterung erzählt, so wie alte Kriegsgeschichten mit viel Schlachtengetümmel.

In jüngerer Zeit nennt sich die Münchner CSU gerne großstädtisch und will liberal wirken. Bürgermeister Josef Schmid fährt beim Christopher Street Day mit, was es unter Gauweiler nun ganz sicher nicht gegeben hätte. Das macht sie vielleicht für manche wählbarer, andererseits auch austauschbarer. Das ist ein Thema, das den jetzigen Bezirkschef Spaenle viel beschäftigt. "In keiner CSU-Gliederung gibt es einen so großen Spannungsbogen zwischen konservativ und großstädtisch liberal", sagt er. Auch im Nachwuchs gebe es noch kantige Figuren, allen voran Michael Kuffer, der nun im Süden Gauweiler nachfolgen will.

Und Spaenle weist mit Recht darauf hin: Selbst Uhl, Gauweiler, Singhammer waren einmal jung. Auf ihre eigene Art allerdings. Uhl weiß noch, wie er und Gauweiler von Anfang an als junge Stadträte Konkurrenten waren und vom damaligen Rathausfraktionschef Franz Josef Delonge ins Gebet genommen wurden. Gauweiler habe dann zugesichert, man könne gerne kooperieren - sofern Uhl sich hinten anstellt. Gauweiler kann sich an die Szene nicht erinnern. Ins Bild des jahrzehntelangen Scharmützeltums passt sie jedenfalls gut.

Dabei verlief die Karriere von Gauweiler und Uhl erstaunlich parallel: Beide waren städtische Referenten, Gauweiler darüber hinaus Staatssekretär und Minister mit viel Verantwortung und Macht - und wechselten dann ins Berufsbild des einzelkämpferischen Abgeordneten. Was besser war? "Immer das, was man gerade macht", sagt Gauweiler. Uhl zog sich gleich Unmut zu, als er 1998 vom Chef einer Münchner Behörde mit 3500 Mitarbeitern nach (damals noch) Bonn wechselte und vor seinen neuen Fraktionskollegen witzelte, nun beginne also der soziale Abstieg.

Die große Macht verliert man auf dem Weg vom Behördenchef zum unabhängigen Abgeordneten. "Bis auf ein paar Wiesnwirte, die haben immer noch eine Restangst", scherzt Uhl. Wiesnwirte sind furchtlose Menschen, die nur vor dem jeweiligen städtischen Ordnungschef Bammel haben. Der kann sie im Extremfall von der Wiesn werfen, wie es Gauweiler mit dem aufmüpfigen Richard Süßmeier seinerzeit tat.

Singhammer dagegen war nie Chef einer so großen Behörde, dafür saß er am längsten im Bundestag, sechs Wahlperioden seit 1994. "Ein bisserl Wehmut ist schon dabei", sagt er jetzt.

Nun gehen sie, und auch das erstaunlich ähnlich: aus freien Stücken, ohne durch einen internen Putsch ins Off befördert zu werden. Sie hören einfach so auf, bevor die Jüngeren sich gegen sie verbünden und die alten Löwen zum Sterben wegschicken. Das hat schon auch sein Gutes, man hat mehr Zeit und muss nicht mehr am frühen Montagmorgen ins Flugzeug nach Berlin. Noch einmal formuliert es Gauweiler handgreiflich: "immer dieser Scheißflieger."

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