Kritik:Statisches Wogen

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Sir Simon Rattle, der künftige Chef des BR-Symphonieorchesters, dirigiert Wagners "Siegfried" in der Isarphilharmonie - und fremdelt.

Von Michael Stallknecht

Als Michael Volle zum Schlussapplaus kommt, hält es das Publikum der Isarphilharmonie nicht mehr auf den Sitzen. Keine Frage: Volle bleibt der überragende Wotan unserer Tage. Mit dem "Wanderer" - wie die Rolle im "Siegfried", dem dritten Teil von Richard Wagners "Ring des Nibelungen", heißt - zeichnet er einen Grenzgänger von unübertrefflicher Vielschichtigkeit, gelassen und skeptisch, edel und zynisch zugleich.

Denn Volle vermag noch immer zu gestalten, wo andere längst pressen. Oder mit den Tücken der deutschen Sprache kämpfen wie Simon O'Neill als Siegfried, der mit seinem hellen Tenor einige ungewöhnliche lyrische Momente zaubert, dem es für die monströse Titelpartie aber an Farben mangelt. Auch Peter Hoare häckselt als Mime eher Konsonanten, als wirklich ein Rollenporträt zu entwerfen. Und für Anja Kampe bleibt die Brünnhilde eine Grenzpartie, wie einige ungefüllte Spitzentöne zeigen.

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Nach dem "Rheingold" und der "Walküre" - bereits auf Platte vorliegend - geht das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter seinem künftigen Chef Simon Rattle nun also auch den "Siegfried" an. Doch in der besuchten zweiten Vorstellung fällt das Dirigat über weite Strecken zu pauschal aus, zu handfest, im komplexen dritten Akt auch zu laut. Rattle fremdelt mit Wagners Kunst des Übergangs, bei der nicht sonderlich raffinierten Klang- ebenso wie bei der Tempogestaltung. Wo ein fortdauerndes Wogen gefragt wäre, bleibt das Tempo oft in sich zu statisch, wechselt zu übergangslos ins nächste, steuert Rattle Höhepunkte zu frontal, isoliert vom Kontext an.

Dabei hat der BR mit Blick auf die anstehende Kurztournee und CD-Aufnahme auch kleinere Rollen edel besetzt: Georg Nigl lässt die vergiftete Seele Alberichs hören, Franz-Josef Selig tönt als Fafner geräumig. Gerhild Romberger kompensiert als Erda fehlende Tiefe mit fein versponnener Phrasierung und Danae Kontora ist ein wirklich bezauberndes Waldvöglein.

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