Vorschlag-Hammer:Per Klick zum Messegefühl

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Zur Frankfurter Buchmesse geht es in diesem Jahr nicht. Das reißt eine große Lücke. Wobei: Die Technik liefert in diesen Tagen neue Möglichkeiten. Und so gibt es vieles, was sich im Livestream erleben und erlesen lässt

Kolumne von Antje Weber

Es wird eine seltsame Woche werden. Anders als sonst fahre ich in diesem Jahr nicht zur Frankfurter Buchmesse, so wie viele Tausende anderer Journalistinnen, Schriftsteller, Lektorinnen, Buchhändler, Leserinnen, Agenten und Verlegerinnen aus aller Welt auch nicht. Keine Podiumsdiskussion im Agora-Zelt, kein Autoren-Interview, keine Zufallsbegegnung auf der Rolltreppe, kein Stand-Empfang, kein Vortrag im Hessischen Hof (nie mehr), keine Rooftop-Party - und, damit nicht genug, kein Frühstück mit meiner Lieblingscousine, die ihre Schlafcouch diesmal nicht für mich ausklappen wird. Ach, diese Lücke... Schon gut, genug gejammert! Und ja, es gibt schlimmere Schicksale, als einmal nicht im überfüllten Zug gen Frankfurt zu rollen und in stickigen Hallen einer in Schüben aufwallenden Heiserkeit und doch auch Soziophobie zu trotzen.

Was bleibt, stiften die Techniker. Denn es ist ja schon fantastisch, wie viele Möglichkeiten es derzeit gibt, digital an interessanten Veranstaltungen teilzunehmen; es fällt schwer, den Überblick zu behalten angesichts unzähliger Livestreams allein im Literaturbereich. Was ich zum Beispiel keinesfalls verpassen möchte: die Verleihung des Deutschen Buchpreises am 12. Oktober, die von 18 Uhr an live aus dem Frankfurter Römer übertragen wird. Ob ihn wohl die Münchner Schriftstellerin Christine Wunnicke für ihren wieder mal wundersam eigenwilligen Roman "Die Dame mit der bemalten Hand" gewinnt? Oder Anne Weber für ihr nicht nur formal bestechendes Buch "Annette, ein Heldinnenepos"? Den auf 19 Uhr angesetzten Vortrag des Soziologen Armin Nassehi, mit dem die Münchner Volkshochschule ihren Schwerpunkt "Connected" zum Leben in digitalen Welten beginnt, werde ich mir im Nachhinein aus der Mediathek ziehen - auch dies ja ein großartiger neuer Service. Und auch ein analoges Symposium zur Wiedervereinigung mit den Autoren Dagmar Leupold, Uwe Kolbe und Thomas Heise lässt sich zum Beispiel als Online-Version buchen (Mittwoch, 14. Oktober, 19 Uhr, MVHS/Einstein 28).

Im Literaturhaus setzt man ebenfalls auf - zu niedrigen Preisen buchbare - Streams zusätzlich zum Live-Angebot. Besonders intensiv fällt das bei den Buchmessespitzen vom 16. bis 18. Oktober aus: Neun Verlage schicken dann mehr als ein Dutzend Schriftstellerinnen und Schriftsteller in einem dichten, abwechslungsreichen Alternativprogramm zur Messe ins Münchner Literaturhaus-Studio; 50 Live- und sehr viel mehr Stream-Zuhörer können dabei sein. Anatol Regnier, Iris Wolff und Reinhold Messner sind unter anderen dabei, Stil-Berater Alexander von Schönburg oder der französische Bestsellerautor François Lelord. Damit nicht genug: Bereits in den Tagen zuvor informieren diverse Verlage - zum Beispiel unter www.buchmesse-daheim.de - die Leser online über ihre Bücher des Herbstes. Auch die Frankfurter Buchmesse selbst legt ein großes Digital-Programm auf. Literaturfans werden also schlichtweg keine Zeit haben, die ausgefallene Fahrt nach Frankfurt zu betrauern. Statt dessen werden sie in der Messezeit unruhig am heimischen Computer hin- und herklicken und nach den spannendsten Live-Übertragungen fahnden. Ja, es wird eine seltsame Woche werden.

© SZ vom 08.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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