Vorschlag-Hammer:Nicht nur für Optimisten

Lesezeit: 1 min

Keine Zeit für dunkle Gedanken: Ich glaube an eine zwar langsame, aber stetige Wiederherstellung kultureller Vielfalt

Kolumne von Karl Forster

Wäre ich ein Pessimist, würde ich raten: Gehen Sie überall hin, wo irgendeine Kultur in irgendeiner Form irgendwann stattfindet, denn man weiß nicht, wie lange das noch geht. Da ich aber, ähnlich wie einst Obelix, vor langer Zeit schon in den Zaubertranktopf voller Optimismus gefallen bin, glaube ich an eine zwar langsame, aber stetige Wiederherstellung kultureller Vielfalt, was aber niemanden davon abhalten sollte, jetzt schon alles auszunützen, was im aktuellen Angebot steht. Und dieses ist, nach Wochen und Monaten kultureller Dürre, erstaunlich vielfältig und zeugt vom Einfallsreichtum der Veranstalter.

Oder hätte sich jemand träumen lassen, Helge Schneider im Ambiente des Deutschen Museums erleben zu dürfen, Jahrzehnte, nachdem mit der Schließung des Kongresssaals die Kultur von diesem Ort vertrieben wurde? Der Flying Circus macht's möglich, Freitag und Samstag, wobei der Freitag eigentlich einem anderen musikalischen Genie vorbehalten bleiben sollte: Andreas Hofmeir, pardon, Andreas Martin Hofmeir, gastiert im Schlachthof. Das ist jener Musiker, der auf der Tuba sehr wohltönend solche Kunststückchen vollbringt, dass er, tanzte er stattdessen ähnlich virtuos auf dem Hochseil, längst vom Cirque du Soleil engagiert worden wäre. So wurde er zumindest zum Professor ernannt und erhält demnächst den Bayerischen Staatspreis für Musik.

Ähnliches widerfährt gerade dem Pianisten Igor Levit, der am 1. Oktober das Bundesverdienstkreuz erhält, und zwar für seine Hauskonzerte im Netz, mit denen er vielen Freunden klassischen Klavierspiels den Start ins Corona-Zeitalter erträglicher gestaltete. Er gastiert Donners- und Freitag im Herkulessaal und gibt manchem Musikkritiker wieder die Gelegenheit, sich über ihn aufzuregen, was auch eine Daseinsberechtigung für diesen Berufsstand ist.

Weil wir gerade dabei sind: Der Journalist Volker Weidermann war eine gute Zeit lang Chef im Ring des Literarischen Quartetts und hat dann hingeschmissen. Man hätte nicht gedacht, dass man diesen nicht ganz uneitlen Wuschelkopf dortselbst vermissen würde, aber es ist so. Leider. Nun liest er, kombattantenfrei und ganz alleine am Donnerstag im Literaturhaus aus seinem Roman "Brennendes Licht". Gehen Sie hin, auch wenn Sie Optimist sind!

© SZ vom 24.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: