Vorschlag-Hammer:Jedem seine Salome

Eyal Dadon ist neu unter den israelischen Choreografen, die hierzulande die Spielpläne bereichern. Seine München-Initiation feiert er nun mit "Salome Tanz" am Gärtnerplatztheater. Was einen bei der Uraufführung erwartet, ist noch nicht abzusehen

Kolumne von Eva-Elisabeth Fischer

Karl Alfred Schreiner, Ballettchef des Gärtnerplatztheaters, ist ein findiger Mann. Zumindest, was die Wahl seiner Gastchoreografen anbelangt. Das garantiert zum einen den anhaltenden Erfolg seiner Dancesoap "Minutemade", seit inzwischen acht Spielzeiten ein Format, das international gefragte zeitgenössische Choreografen spannend genug finden, einen Abstecher nach München zu machen. Eine Woche lang haben sie Zeit, einen Zwanzigminüter zu kreieren, der dann allerdings schon nach zwei Aufführungen auf Nimmerwiedersehen in der Asservatenkammer des allzu Flüchtigen verschwindet. Auch einer der beiden Ballettabende pro Spielzeit wird von einem Auswärtigen bestritten. Dabei baut Schreiner keineswegs allein auf sichere Nummern wie Marco Goecke, dessen "La Strada"-Choreografie ganz bestimmt als Paradestück in die Annalen des Hauses eingehen wird.

Wer aber ist Eyal Dadon? Er ist neu unter den israelischen Choreografen, die hierzulande seit geraumer Zeit die Spielpläne bereichern. Beim Staatsballett wird zum Beispiel die inzwischen ikonisch verehrte Sharon Eyal eines ihrer Stücke einstudieren, als freischaffende Choreografin mit eigener Truppe. Früher mal war sie bei der Batsheva Dance Company, dem internationalen Aushängeschild israelischen Tanzes in Tel Aviv. Dadon hingegen ist groß geworden in der Tanzbastion im Norden des Landes, im Kibbutz Ga'aton. Er liegt in den Bergen Galiläas nahe der Grenze zum Libanon, also an einerseits landschaftlich idyllischem, militärtaktisch gesehen aber gefährlich exponiertem Ort. Dort rief die Auschwitz-Überlebende Yehudit Arnon 1970 die Kibbutz Contemporary Dance Company ins Leben. Ihr folgte ihr Zögling, der Choreograf Rami Be'er, 1990 als Leiter nach und etablierte Ga'aton großzügig als internationales Tanzdorf und Ausbildungszentrum für zeitgenössischen Tanz, mit der Kompanie als Botschafterin sicher nicht konfliktfreien, aber friedlichen tänzerischen Zusammenwirkens - von Kindesbeinen an. Die München-Initiation des Choreografen Eyal Dadon erfolgt nun mit Salome Tanz und wird für Jugendliche ab 14 annonciert (Uraufführung am 28. Februar, 19.30 Uhr).

Man mag den historisch nicht verbürgten Stoff per se nicht unbedingt für jugendfrei halten. Aber er lässt vielerlei Deutungen zu. Und den Probenfotos nach zu urteilen, inspiriert er den Choreografen zu viel, auch emotional sehr aufwühlender Bewegung. Schon der Titel "Salome Tanz" lässt sich doppelt begreifen - als Imperativ für die Titelfigur wie auch als Verweis auf die Klimax der Handlung, den erotischen Tanz, den Herodes bei einem Gelage seiner Stieftochter Salome abpresst. Dank Oskar Wildes Schauspiel, das auch der Oper von Richard Strauss zugrunde liegt, kennt man den blutigen Preis: das abgeschlagene Haupt des Propheten Jochanaan, serviert auf einem Silbertablett, das Salome zu küssen begehrt. Oder kommt alles ganz anders? Die Musik jedenfalls stammt schon mal nicht von Strauss, sondern unter anderen von Franz Schreker und John Cage. Vielleicht ist Herodes ja schwul, Salome (wie der Berliner Maler, ein Junger Wilder gleichen Namens) ein Mann und dessen Objekt der Begierde eine Johanna? Man weiß es nicht, kann aber als Zuschauer "seine" Vorstellung interaktiv mitbestimmen unter gaertnerplatztheater.de/ichentscheide. Deshalb verspricht Eyal Dadon, dass jede Vorstellung anders sein werde.

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