Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Alles eine Frage der Überraschung

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Noch vor einigen Tagen war es immer eine Empfehlung, sich von den Inhalten einer Kulturveranstaltung überraschen zu lassen. Jetzt kann man nicht unbedingt damit rechnen, dass sie überhaupt stattfinden

Kolumne von Oliver Hochkeppel

Am kommenden Dienstag werde ich mich wieder kurz verbeugen müssen. Denn beim BMW Welt Jazz Award wird dem Publikum vorab auch die Jury vorgestellt, deren Vorsitzender - jetzt nach zwölf Jahren darf es auch hier mal raus - ich bin. Normalerweise. Denn beim letzten "Vorrunden"-Konzert wird Giovanni Guidi (10.3., 19 Uhr, BMW Welt Doppelkegel) erwartet, der aber eben nicht nur ein herausragender Pianist ist, sondern leider auch aus Italien kommt, der europäischen Corona-Hochburg. Schon die Anreise wird wahrscheinlich in Abenteuer, und sollte da alles klappen, gibt es immer noch einiges zu beachten. So durfte dieser Tage zum Beispiel ein italienisches Ensemble, weil es bei der Anreise durch ein Risikogebiet gefahren war, erst bei der "Tanzplattform Deutschland" im Schwere Reiter auftreten, nachdem alle beim Arzt einen Abstrich gemacht hatten.

Wenn ich also an dieser Stelle schon oft dafür geworben habe, dass man sich als Kulturveranstaltungsbesucher überraschen lassen soll, dann bezog sich das bislang immer auf den Inhalt, nicht auf die Tatsache, ob das Konzert oder die Vorstellung überhaupt stattfindet. So ändern sich die Zeiten, danke China! Na gut, wenn also Reisen in gefährdete Regionen wie Südtirol, Nordrhein-Westfalen oder Österreich, alles, was vice versa von da kommt, und gar jeder Event, bei dem sich mehr als 1000 Personen versammeln, infrage steht, heißt es halt umplanen. Zurück zu den Wurzeln, zu den eigenen, kleinen Genüssen also.

Nach Puchheim etwa wird man ja wohl noch fahren dürfen. Im feinen dortigen PUC ("puchheimer kulturcentrum" in Eigenschreibweise) feiert man zehn Jahre Blues (im eigenen Programm, versteht sich) mit einem zweitägigen Blues-Festival (6. und 7.3.). Mit dem Gastgeber-Duo Black Patti der Gitarristen Peter Crow C. und Ferdinand "Jelly Roll" Kraemer (hier noch um den New-Orleans-Bassisten Ryan Donahue erweitert), dem Jump-Blues, Zydeco- und Organ-Meister Ludwig Seuss und seiner Band sowie dem Fingerstsyle-Veteranen Biber Hermann sind hiesige Haudegen und Szene-Größen am Start, und mit Jo Chiarello und Egidio "Juke" Ingala & The Jackknives zwei, wie es in der Ankündigung zu Recht heißt, "Topacts aus Italien". Italien? Auweia, dann vielleicht doch lieber nach Ebersberg, ins Alte Kino, da stellt die nach wie vor bildhübsche, stimmgewaltige und hochmusikalische Ami Warning ihr überzeugendes aktuelles Album "Momentan" vor. Gut, sie besucht zwar immer wieder mal ihre Familie in Surinam, aber die Karibik ist bislang unverdächtig.

Oder wir bleiben einfach in Haidhausen und Schwabing. In der Unterfahrt gibt es mit der Kombination Ritchie Beirach/Dave Liebman (10.3.) sowie dem Benny Golson Quartet (11.3.) wieder mal geballte Instrumentalpower aus dem Jazz-Mutterland USA. Jedenfalls wenn die Airlines noch fliegen. Und in der Seidlvilla ist beim nächsten Jazz+ das fulminante Quartett des Schlagzeugers Nathan Ott mit einer Hommage an die Elvin Jones Band der Siebziger zu Gast. Die vier kommen aus Berlin. Das muss gehen.

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SZ vom 05.03.2020
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